Ein Beitrag von Jessica Reimann
Ein Wasserbecken, ein in der Ecke angehäufter Sandberg, Nebel und ein brennender Tetraeder, der auf einem Rollbrett über die Bühne gezogen wird, symbolisieren auf minimalistische Weise die vier Elemente Wasser, Erde, Luft und Feuer. Dazu Musik, die einen, kombiniert mit einer Lichtinstallation aus grünen Punkten, in die Weiten des Weltalls versetzt. Nach und nach beleben die in hautfarbene Stoffe gekleideten Tänzer die Bühne.
Am 6. November fand im TheaterVorpommern in Greifswald die Premiere von 4+1-Die Elemente statt. Ein choreographischer Bilderbogen, inszeniert von Ralf Dörnen, war zu sehen, welcher dem Zuschauer gleich zu Beginn die Grundidee der Komposition präsentiert: Die vier Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft. Diese galten schon in der Philosophie der Antike als die wesentlichen Bestandteile und Voraussetzung allen Lebens in der Welt. Sie beeinflussen uns Menschen auch heute noch in vielfältiger Weise. Selbst wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen, bedingen sie unser Dasein in jedem Augenblick.
„I feel the earth move“
Der Saal ist nicht ausverkauft, aber gut gefüllt. Nach der ersten Szene, die die Existenz der vier Elemente verbildlicht, werden diese nacheinander vorgestellt. Die Tänzer des BallettVorpommern verkörpern durch ihre Bewegungen die Eigenschaften der Grundstoffe und deren Wirkung auf den Menschen. Eine bunte Mischung von Musik aller Genres begleitet die Tänzer. Die Songs sind auch inhaltlich auf die Elemente abgestimmt. So bewegen sich die beiden Tänzerinnen, die die Luft präsentieren zu Kate Bushs „Breathing“ sehr leicht und geschmeidig. „Project Fire“ von The Crazy World of Arthur Brown bietet die Grundlage für die Feuerperformance, welche hingegen wesentlich dynamischer und aggressiver ist.
Als Überleitungen dienen kurze schauspielerische Episoden, von Ralf Dörnen liebevoll Meinzelmännchen genannt, die dem Zuschauer vor Augen führen sollen, wie die Elemente im Alltag genutzt werden. Nach einer 15-minütigen Pause bricht Klaus Hallenstein, der für die Kostüme verantwortlich ist, mit seiner Tradition, die Tänzer im Nude-Look zu präsentieren. Es wird eine schillernde Unterwasserwelt geboten, die allein dadurch entsteht, dass die Tänzerinnen bunte Fischkostüme tragen. Es folgt ein mehrmaliger dramaturgischer Wechsel zwischen stillen und lauten Tänzen, weiterhin unterbrochen von lustigen Schauspieleinlagen. Das Finale des Abends bildet das Erwachen von Mutter Erde, gespielt von Hannah Friedrich. Ihr Ausbruch aus dem angehäuften Sandberg beendet die Vorstellung.
„Perfekte Welle“ spült alles davon
Ralf Dörnen ist mit 4+1-Die Elemente ein Werk gelungen, an dem nicht nur Ballettinteressierte gefallen finden können. Besonders sei in diesem Zusammenhang die vielfältige Musikauswahl erwähnt, die das Potenzial hat, Zuschauer aller Altersklassen ins Theater zu locken. Neben Johann Sebastian Bach und Walgesängen ist auch moderne Musik von Robbie Williams und Nina Hagen vertreten. Durch die Einstreuung kurzer schauspielerischer Szenen wird die Vorstellung aufgelockert und der Zuschauer aus seiner teilweise recht melancholischen Stimmung geholt.
Leider sind diese Übergänge teilweise zu abrupt. So setzt nach einer langen Episode mit Walgesängen und leisen Strandgeräuschen urplötzlich „Die Perfekte Welle“ von Juli ein und ein Surfer mit bunter Badehose surft auf einer imaginären Welle. Eigentlich eine nette Idee, aber der Musikwechsel ist fast schon schmerzhaft für die Ohren, die sich an die Stille gewöhnt hatten.
Auch fällt die unterschiedliche Gewichtung der Elemente auf. Während im ersten Teil des Programms noch allen vier Elementen gleich große Beachtung zukommt, hat man im zweiten Abschnitt das Gefühl, es handelt sich bei der Inszenierung eher um eine Homagé an das Meer. Der Eindruck, dass die Elemente Erde und Feuer unterrepräsentiert sind, wird durch die Songauswahl bestärkt: „Under the Sea“, „Beyond the Sea“, „Walgesänge“, „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“. Auch die „Geburt“ der Mutter Erde am Ende der Vorstellung kann an diesem Missverhältnis nicht viel ändern.
Arielle bezaubert die Zuschauer
Hellenstein hat sich bewusst für fleischfarbene, „einfach geschnittene Shirts und Hosen“ entschieden, um das Bühnenbild, welches die symbolischen Farben der vier Elemente Rot, Gelb, Grün und Blau beinhaltet, nicht zu überladen. Allerdings zeigt sich an dem spontanen Applaus zu Beginn der Unterwasserszene, dass die Zuschauer etwas raffiniertere Kostüme bevorzugen. Dieser Abschnitt stellt insgesamt das Highlight des Abends dar. Besonders bezaubernd ist die Entscheidung, die Unterwasserepisode mit dem Arielle-Soundtrack „Under The Sea“ von Alan Menkel zu vertonen. Ein perfektes Zusammenspiel aus farbenprächtigen und trotzdem dezenten Kostümen, mitreißender Musik und ansprechender Performance. Dem Publikum wird das Gefühl vermittelt, selbst Teil dieser Welt zu sein und mit den Fischen im Meer zu schwimmen.
Weitere Vorstellungen:
- 14. November, 19:30 Uhr
- 21. November, 18:00 Uhr
- 02. Dezember, 19:30 Uhr
- 29. Dezember, 19:30 Uhr
Fotos: Vincent Leiffer