Es waren viele Menschen unterwegs, am Sonntagnachmittag in Lubmin. Nur gelegentlich durchlugten Sonnenstrahlen durch die ansonsten dicht geschlossene Wolkendecke. Bereits von Weitem konnte man eine große und dichte Menschentraube vor der Seebrücke beobachten. Anlass war eine Protestveranstaltung, zu der ein breites Bündnis aus Parteien und Bürgervereinigungen um Ruth Eckert aufgerufen hatte.

Auch auf dem Wasser wurde protestiert. Um 13 Uhr setzten sich mehrere Traditionsschiffe vom Greifswalder Museumshafen aus zur Seebrücke nach Lubmin in Bewegung. Mit Protestlosungen ausgestattet und zahlreichen Segelbooten und Kajaks flankiert, drehten sie mehrere Runden vor der Seebrücke, bis sie gegen 15 Uhr wieder in Richtung ihres Heimathafens steuerten. Mit von der Partie war unter anderem auch der Traditionslogger „Lovis“, der vor kurzem sein „zehnjähriges“ feierte.

„Schönes Gefühl, sich mal von Polizisten vom Gleis tragen zu lassen“

Insgesamt nahmen etwa 200 Teilnehmer an dem Protest an Land teil. Über die jeweiligen Besatzungen der Schiffe, die an dem Protest teilnahmen, liegen dem webMoritz keine Informationen vor. Ebenfalls unterstützt wurde die Demonstration vom Shanty-Chor Karlshagen. „Soll Angela Merkel doch dafür sorgen, dass entweder gar kein Atommüll mehr entsteht, oder nur so viel wie nur noch unbedingt erforderlich ist“, wendet sich Volker Sachse an die Teilnehmer der Veranstaltung. Normalerweise läutet er die Glocke, um ein Konzert „einzuglasen“. Dieses mal betont er jedoch, dass er die Glocke aus Protest läutet, damit der Boddenwind den Lärm in den Landtag sowie den Bundestag läutet.“Kämpft, Kämpft gegen den Atommüll“, pflichtet Eduard Beischall, ebenfalls Chorsänger, seinem Vorredner bei. In seinem Redebeitrag ermuntert er alle, sich an dem Protest zu beteiligen und auch vor einer Sitzblockade nicht zurück zu schrecken. „Es ist ein wirklich schönes Gefühl, sich einmal von Polizisten vom Gleis tragen zu lassen“, schwärmt Beischall, der sich selbst als damaliger Einwohner der Gemeinde Asse an dem Protest gegen das dortige Atommüllager beteiligte.

Aus Karlsruhe-Müll soll kein Vorpommern-Müll werden

Mit „Wo die Ostseewellen trekken an den Strand“ leitete der Chor sein etwa halbstündiges musikalisches Programm ein, was der ganzen Veranstaltung den Hauch eines Volksfestes verlieh. Dennoch kamen politische Reden zuvor nicht zu kurz. „Wir fühlen uns betrogen und getäuscht, wenn aus Karlsruhe-Müll plötzlich Vorpommern-Müll werden soll“, macht Christa Labouvie vom Bürgerbündnis Ostvorpommern ihren Unmut Luft. Zudem sei angesichts der Tatsache, dass gegenwärtig kein Endlager für Atommüll gibt, zu befürchten, dass die derzeitigen Zwischenlager zu vorübergehenden Endlagern umfunktioniert würden. Der Standort Lubmin sei für die Einlagerung von Castoren aus Sicht Labouvies nicht geeignet, da es keine Reparaturanlage für beschädigte Behälter gäbe. Würde also ein Castor während der Einlagerung beschädigt werden, wäre ein erneuter Transport in eine Reparaturwerkstatt notwendig.

Auch Oskar Gulla von der Bürgerinitiative gegen den Bau eines Steinkohlenkraftwerkes in Lubmin beteiligte sich an der Veranstaltung. „Ich möchte, dass Herr Vogt erkennt, dass er der Bürgermeister eines Seebades Lubmin, nicht eines Atomkraft-Lubmins sein könnte“, entsendete er in Richtung der Amtsverwaltung der Gemeinde.

„Besucherzahlen spitzenmäßig“

„Man kann natürlich auch darüber diskutieren, inwiefern es sinnvoll ist, inmitten einer Tourismusregion Atommüll einzulagern“, meint Stephan Schumann (Jusos/ SPD), Mitorganisator der Veranstaltung. Bei dem Protest handele es sich nicht um „Widerstand gegen den Transport von Castoren an und für sich, sondern um Protest gegen die Atomenergie und für eine Energiewende.“ Aus diesem Grund hofft er auf großen Widerstand, wenn der Castor-Transport nach Lubmin rollt. Nach Angaben der Ostsee-Zeitung soll er etwa eine Woche vor Weihnachten im Lubminer Werkbahnhof einrollen. Insgesamt zeigt sich der Vorsitzende der Greifswalder Jusos zufrieden: „Die Besucherzahl war spitzenmäßig und als die Schiffe da waren, haben das auch sehr viele gesehen.“

Mignon Schwenke, stellvertretende Landesvorsitzende der Partei Die Linke. ist ebenfalls zufrieden mit der Veranstaltung. „Ich freue mich, dass so viele hier her gekommen sind, denn diese Region ist nicht gerade dafür bekannt, besonders protestfreudig zu sein. Deshalb schicken sie den Müll hierher, weil sie denken, dass es keinen Protest gibt!“

Der Protest in Lubmin gegen die insgesamt neun kommenden Castoren, davon fünf aus dem französischen Caderache, vier aus Karlsruhe, ist am vergangenen Sonntag nicht der Erste dieser Art gewesen. Bereits Ende Juli demonstrierten knapp einhundert Menschen gegen Stromerzeugung aus Kernspaltung. Im Rahmen des Castorstrecken-Aktionstages demonstrierten am 24. Oktober ebenfalls mehrere Menschen entlang der Strecke und veranstalteten eine Kundgebung am Marktplatz.