Eine Glosse von Matthias Stiel
Was dem Stuttgarter sein Durchgangsbahnhof, ist dem Greifswalder sein Fahrradkeller.
„Baubeginn: 27. September – Fahrradkeller wieder bezugsfähig: 01. Oktober.“
So war es angekündigt im Wohnheim Ernst-Thälmann-Ring, aber daraus wurde nichts. Erst heute wurden die hoffentlich letzten Arbeiten in den Fahrradkellern der Gewölbekeller abgeschlossen. Rechnet man die Wochenenden raus, macht das immer noch einen Zeitverzug von über 400 Prozent. Ob es auch mehr gekostet hat – wer weiß?
Acht Uhr Morgens, lautes Rumgeräume, Hämmern auf die Heizungsrohre, zwei Bohrlöcher, Frühstückspause, ´ne Stunde malern, Feierabend: Seit dem 27. September jeden Tag das gleiche Spiel. Als fauler Student schleppe ich mich dann brutal geweckt um halb neun Richtung Bibliothek. Dass ich erst um 10 Uhr meine sechs Stunden Tagespensum anfangen wollte, weil ich die Nacht davor bis um halb eins gearbeitet hab – geschenkt. Heute wird ein schöner Tag, nach der Bibo, zweiter Nebenjob. Immer mit dem Satz im Ohr „Um Acht fangen wir an, … `nen paar Studenten wecken, höhö“, von meiner Mitbewohnerin den Handwerkern abgelauscht, die gerade aus ihrem Wochenende gekommen waren. Wochenende? Lange nicht gehört das Wort, muss beim Lernen und Arbeiten irgendwie untergegangen sein.
Der Hit ist das Ergebnis der behördlich genehmigten Ruhestörung. Gut, für die räumlich miserablen Gegebenheiten kann keiner was, aber welche weibliche Studentin unter 1,75m Körpergröße soll ihr Fahrrad an die Fleischerhaken wuchten, welcher männliche Student sein Zugeparktes auf Zehenspitzen über fünf andere balancieren? Lösungsvorschläge? Bin ich hier der Handwerksexperte!
Die von „Der Firma“, wie wir sie in unserer WG nennen, aber anscheinend ebenso wenig. Wer einmal auf dem Bau gearbeitet hat hört das: Das sind keine scharfen Bohrer, das ist nicht mal `ne ordentliche Bohrmaschine, die sich da millimeterweise durch den Beton ächzt. Dafür das Fahrzeug immer schön auf´m Rasen geparkt – Profis !
Proteste hat es in Greifswald nicht gegeben, zum Glück auch keine Wasserwerfer und verlorenes Augenlicht, aber die Parallelen zum Schwabenlande sind offensichtlich.
Stielchen
Foto: Matthias Stiehl
"Immer mit dem Satz im Ohr “Um Acht fangen wir an, … `nen paar Studenten wecken, höhö”"
Aus eigener leidvoller Erfahrung klug geworden: http://www.ohropax.de/ :p
Danke für diesen netten Bericht! Da merkt man einmal mehr, dass Leute, die so etwas planen, offensichtlich Fahrräder nur vom Hörensagen kennen. Die armen armen Felgen am Fleischerhaken – ruhet sanft …
Mein Beileid zu den Terror-Handwerkern, stielchen.
Die Parallele zu Stuttgart ist aber noch viel offensichtlicher der sogenannte neue "Busbahnhof" am Greifswalder Bahnhof. Verschwinden dort laut Stadtplanungsunterlagen neben zahlreichen Bäumen nicht bald sogar bewohnte Gebäude in bester Wohnlage für einen verkappten und überflüssigen PKW-Parkplatz?
Ja, ich glaube ernsthaft. Es geht hier auch nicht allein nur um die neue ZOB-Fläche.
Der Bauplan für die Gegend ist hier zu finden:
http://www.greifswald.de/standort-greifswald/baue…
Ein Kreuz auf einem Gebäude steht, wie gesagt, für Abriss bzw. Rodung. Mein Beileid schon mal den Anwohnern…