Stettin möchte Kulturhauptstadt Europas 2016 werden. Dieser Titel könnte Aufschwung für die gesamte Region Pommern bedeuten und daher unterstützt auch Greifswald die Kandidatur Stettins. Doch wie sieht es dort eigentlich aus? Weit entfernt ist die polnische Stadt nicht und so packten mein guter Freund Markus und ich unsere Sachen und fuhren spontan für einen Tag nach Stettin. Was uns da erwartete?
Stettin: Ein Schloss, viele Kirchen und zwischendurch Plattenbauten
Gut zwei Stunden fuhren wir von Greifswald, mit Aufenthalt in Pasewalk. Wir verspürten Abenteuerlust. Der Gedanke an Polen, Osteuropa – das weckte in uns Vorfreude und Neugier. Angekommen in Szczecin Glowny, dem Hauptbahnhof, ignorierten wir zunächst die Sehenswürdigkeiten der Altstadt und gingen über die Oder zum Hafen. Alte Schiffe sahen wir dort, einige rosteten friedlich vor sich hin. Auch viele alte Häuser, größtenteils baufällig, befanden sich direkt am Ufer. Markus deutete auf die Fassaden: Zahlreiche Hakenkreuze verschandelten die Hauswände. Irritiert zogen wir weiter und genossen später, an der Oder sitzend, ein polnisches Bier. Über Stettin hingen schwere, graue Regenwolken. Es sollte den ganzen Tag nieseln. Unbeirrt erkundeten wir die Stadt weiter. Unsere erste Station war die Jakobikirche. Vom Kirchturm aus – auf diesen gelangt man nicht über Treppen, sondern durch zwei Fahrstühle – kann man die Größe und Vielfalt Stettins erkennen. Die Oder schlängelt sich durch das Stadtbild, man sieht Kirchen, das Schloss der pommerschen Herzöge und etwas weiter entfernt Plattenbauten.
Das Schloss sticht schon von weitem hervor. „Wie eine Hochzeitstorte“, bemerkte Markus. Und tatsächlich: Ein weißer, viereckiger und verschnörkelter Prachtbau – mit der Errichtung wurde 1346 unter Herzog Barnim III. begonnen und im 16. und 17. Jahrhundert weiter ausgebaut. Das Gebäude wurde während des Zweiten Weltkriegs erheblich zerstört und erst in den 80er Jahren rekonstruiert. Nicht weit vom Schloss entfernt, befindet sich das Alte Rathaus und der Heumarkt, der uns an den Greifswalder Markt erinnerte. Auch in der Altstadt hinterließ der Zweite Weltkrieg Spuren, viele Neubauten findet man hier. Dazwischen gibt es wieder alte, baufällige Häuser und überall sahen wir Streetart.
Sleep- and homeless in Stettin
Später trafen wir uns mit Tiffany, einer jungen Chinesin, die in Stettin ein Praktikum absolviert. Wir wollten bei ihr couchsurfen und fuhren mit ihr in ein Plattenbaugebiet. Sie fand uns „awesome“, aber auch „crazy“, weil
wir nur für einen Tag nach Stettin gekommen sind. Ein wenig enttäuscht war sie darüber auch. Zur Entschädigung wollten wir ihr was typisch Deutsches kochen, kauften ein, gingen in ihre Wohnung. Dort blieben wir allerdings nicht lange, Tiffanys Mitbewohnerin hatte ein starkes Problem, mit Fremden (Deutsche und dann noch unterschiedlichen Geschlechts, das war wohl zu viel) in ihrer Wohnung. Für uns hieß es also: Wieder raus in den Dauerregen, nicht wissend, wo wir die Nacht verbringen werden. Quer durch die Stadt ging es mit dem Bus. Und während Tiffany von einem anderen Fahrgast eindringlich gemustert und beschimpft wurde, organisierte sie uns einen Schlafplatz. Bei Zbyszek, einem jungen Polen aus Breslau. Bei ihm trafen wir auf zwei weitere Couchsurfer, Onat und Gönül aus der Türkei. Später bereiteten wir für alle Bratkartoffeln zu, es gab polnisches Bier und Zbyszek zeigte uns viele Fotos, die er in Japan machte. Ein gelungener und wunderbar internationaler Abend.
Zwei Kilo Kleidung für fünf Euro
Der nächste Morgen brach an. Markus und ich erkundeten weiterhin Stettin und zogen vorbei am Berliner Tor, am Grunewald-Platz und befanden uns auf einmal in einer Gegend, die nun ganz anders aussah, als das Bisherige. Nur Altbauten, mit Ornamenten an den (unrenovierten) Fassaden und verschnörkelten Balkonen. Dazu hübsche Cafés, weite Straßen und Second-Hand-Läden, wo wir sogar fündig wurden: Zwei Kilo Kleidung für umgerechnet fünf Euro. Auch generell zahlten wir für Essen und Getränke wenig, sehr angenehm für den Studentengeldbeutel. Später trafen wir uns noch einmal mit Zbyszek, um ihm seinen Wohnungsschlüssel wiederzugeben. Er lud uns ein, irgendwann mit ihm Breslau zu erkunden. Noch schnell eine Umarmung, dann ging es wieder zum Hauptbahnhof und von dort aus zurück nach Greifswald. Im Zug resümierten wir unseren Ausflug: Stettin ist eine vielseitige, aufregende, traditionelle und moderne Stadt – und auf jeden Fall eine Reise wert. Wir drücken die Daumen für die Kandidatur zur Kulturhauptstadt und freuen uns darauf, Breslau zu entdecken.
Fotos: Christine Fratzke, Markus Kather
Schade, dass diese schöne Stadt nun so verkommen muss. Naja, pumpen wir EU Gelder rein, dann wirds schon besser.
Stettin, eine unter Verletzung des Potsdamer Abkommens, von Polen geraubte Stadt :
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siehe Kommentar unter diesem. Der geht an H. Geiger.
Geschichtsrevisionismus
hat hier nichts zu suchen! Nicht vergessen: Deutschland hat den Krieg begonnen und zum Glück auch verloren.