Mit einem Eröffnungskonzert am Clavichord hat heute in der Johanneskirche die 64. Greifswalder Bachwoche begonnen. Der Titel der Veranstaltung – Bach und Russland – klingt exotisch, denn Bach war zeit seines Lebens nicht in Russland. Tatsächlich geht es den Veranstaltern aber um Aspekte der Bach-Rezeption im Schaffen russischer Komponisten.

bachwochenlogoDem Themenkomplex widmen sich insgesamt über 45 Veranstaltungen, von denen 23 kostenfrei sind, wie die Veranstalter betonen. Zu den Höhepunkten der Gratis-Veranstaltungen gehören auch in diesem Jahr die geistlichen Morgenmusiken um 10 Uhr, bei denen jeweils eine Bachkantate aufgeführt wird. Interessierte können überdies unverbindlich und ohne Anmeldung und Vorkenntnisse Proben am Vorabend besuchen und in den Morgenmusiken mitsingen.

Der webMoritz bietet im folgenden eine kleine Übersicht über das Programm der Bachwoche und erläutert die Veranstaltungen jeweils kurz für Klassik-Laien.

Geistliche Morgenmusiken, Festgottesdienst

Donnerstag, Freitag, Samstag (St. Marien), Montag, Dienstag, 10 Uhr, Dom (außer Samstag)

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Eindruck von der geistlichen Morgenmusik

Zu den geistlichen Morgenmusiken muss man zwar zu ungewohnter Zeit kommen, aber es lohnt sich: Im Kern der musikalischen Morgenandachten steht jeweils eine Bachkantate. Dabei handelt es sich um die Musikform Bachscher Komposition schlechthin – es gibt über 200 Stück davon. Bachkantaten sind kurze Werke (ca. 15-30 Minuten), die verschiedene Stücke für Chor, Vokalsolisten und Instrumentalisten beinhalten. Sie werden gewöhnlich im Rahmen eines Gottesdienstes oder konzertant aufgeführt. Bei den Morgenmusiken ist ein Pfarrer zugegen, der einige Gebete spricht und in der Regel eine kurze Ansprache hält. Darüber hinaus wirken neben unterschiedlichen Chören (z.T. mit Gästen, siehe weiter unten) jeweils Vokalsolisten und ein Kammerorchester mit. Dauer: jeweils unter einer Stunde. Eine Viertelstunde vor Beginn jeder Morgenmusik gibt es am selben Ort eine kurze Einführung in die dargebotenen Werke.

Zu den Andachten und Gottesdiensten ist der Eintritt grundsätzlich frei, da Kirchen zu Veranstaltungen „im gottesdienstlichem Rahmen“ nach eigenem Selbstverständnis keinen Eintritt erheben können.

Am Sonntag findet zwar keine geistliche Morgenmusik, dafür aber der übliche Festgottesdienst statt. Auch dieser beginnt um 10 Uhr im Dom und beinhaltet dieses Jahr keine Bachkantate, sondern das „Oster-Oratorium“, bei dem die biblische Ostergeschichte  nacherzählt wird – allerdings nicht, wie bei Oratorien sonst üblich mit dem Bibeltext, sondern mit Texten, die diesen Text frei nachdichten. Einen Vorgeschmack darauf bietet dieser Youtube-Clip:

Mitsingen möglich

Das besondere an den Bach-Kantaten: Bei den Kantaten am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und beim Festgottesdienst am Sonntag können alle Menschen mit Interesse an Chormusik mitsingen. Es finden in der Regel am Vorabend Proben unter Leitung von Bachwochen-Leiter Professor Jochen Modeß statt. Daran kann teilnehmen, wer möchte – Voranmeldungen sind nicht nötig, Vorkenntnisse hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich. Die Termine für die Mitsingproben (im Lutherhof, Martin-Luther-Str.) findet man auf der Homepage der Bachwoche.

Weitere kostenlose Veranstaltungen

Am Montag, dem 31. Mai, wird im Nachtgebet um 22 Uhr im Dom Musik von Bach und dem russischen Komponisten Alfred Schnittke zu hören sein. Von Bach werden hiebei schlichte Choralsätze vorgetragen. Ein jährlich wiederkehrendes Erlebnis ist außerdem das Turmblasen des Posaunenchores am Sonntag um 9:15 in luftiger Höhe des Dom-Turmes. Mehrere Vorträge zur Musik und dieses Jahr besonders zur Rezeption Bachs in Russland runden die Bachwoche ab.

Das komplette Kostenlos-Programm haben die Veranstalter in diesem Dokument zusammengestellt.

Außerdem: Zahlreiche große Konzerte

Der webMoritz bietet außerdem einen Überblick über die größten Konzerte der Bachwoche. Eine vollständige Übersicht sowie die Eintrittspreise gibt es auf der Homepage der Bachwoche.

Für fast alle Konzerte gibt es Studenten-Karten für 6 Euro, die allerdings im Voraus erworben werden müssen. Für die großen Konzerte empfiehlt sich ohnehin dringend eine Nutzung des Vorverkaufs (Evangelische Dombuchhandlung, Domstr.19 oder Buchhandlung Scharfe, Lange Str.68) – die Abendkasse könnte wegen Ausverkaufs geschlossen bleiben. Ansonsten öffnet sie eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn. Restlos ausverkauf war bereits das Konzert am Montagend in der Stadhalle. Dort las Dieter Mann Texte aus Puschkins Novelle „Pique Dame“, Jochen Kowalski sang Romanzen russischer Komponisten nach Puschkin-Texten.

Die folgende Auswahl ist nur eine kleine auswahl – auch die anderen Konzerte lohnen einen Blick ins Programm!

Konzert 4:Matthäus-Passion

Dienstag, 20 Uhr, Dom

Bachwochen-Leiter Prof. Modeß.

Bereits am zweiten Tag der Bachwoche wird eines der größten Werke Bachs im Dom aufgeführt. Neben der Johannes-Passion und der unvollständig überlieferten Markus-Passion ist die Matthäuspassion die dritte bekannte Passion Bachs. Mit einer Aufführungsdauer von rund drei Stunden ist sie zudem das längste zusammenhängende Werk des Komponisten, das überliefert ist.

Das doppelchörige Werk wird im Dom in einer frühen Fassung erklingen. Dazu schreiben die Veranstalter:

„Nachdem zuletzt in der 59. Bachwoche eine klar doppelchörig angelegte Matthäuspassion in weit getrennter Aufstellung zu erleben war, folgt die diesjährige Aufführung eher der Konzeption der Frühfassung des Werkes. Dabei sind durchaus doppelchörige Strukturen angelegt, dennoch sind beide Ensembles einander näher anzusiedeln: Beide basieren auf einer gemeinsamen, daher zentral zu postierenden Continuogruppe. Doch welcher Fassung des Werkes auch immer man sich interpretatorisch annähert: Die Einmaligkeit dieses Gipfelpunktes der Passionsvertonungen wird sich immer vermitteln!“

Karten für das Konzert kosten zwischen 25 und 8 Euro – Ermäßigungen gibt es in der dritten und vierten Platzkategorie. Erfahrungsgemäß werden diese Kartengruppen auch als erste knapp.

Das Uni-Orchester

Konzerte 5 und 6: Kinderkonzerte „Peter und der Wolf“

Mittwoch, 11:30 Uhr und 15 Uhr, Dom

Mit den „Kinderkonzerten“ sollen auch die jüngsten Zuhörer an die klassiche Musik herangeführt. Das weltbekannte Werk für Kinder stammt vom russischen Komponisten Sergej Prokofjew und gehört zu den beliebtesten Werken der klassischen Musik überhaupt. Fast jeder dürfte die Melodien schonmal gehört haben. Bei den Konzerten wird das Universitäts-Sinfonie-Orchester musizieren. Der Eintritt hält sich mit drei Euro auch in Grenzen.

Als Textfassung zu dem Kinderstück wurde die Bearbeitung des deutschen Humoristen Loriot gewählt. Sie wird vom künstlerischen Leiter der Bachwoche, Professor Modeß, vorgetragen, was  erfahrungsgemäß auch für ältere Leute einen Höhepunkt darstellen dürfte.

Konzert 8: Bach und Russland

Mttwoch, 20 Uhr, Dom

In diesem Konzert soll dem Publikum die Gelegenheit gegeben werden sich dem Thema der Bachwoche auf vielfältige Weise zu nähern. So wird es eine bunte Zusammenstellung der bachschen Musik und russicher Musik mit Bezug zu Bach zu hören geben, daneben sollen sich Publikum un Mitwirkende kennen lernen. Auch für das leibliche owhl wird gesorgt. Welche Werke genau dargeboten werden, ist nicht bekannt, lediglich die Motette „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Bei einem ähnlich konzeptionierten Konzert im letzten Jahr war die Stimmung war ein bisschen so wie auf einem Familienfest. Der Eintrittspreis beträgt ohne Ermäßigung 20 Euro.

Konzert 11: Chorkonzert

Eugeniusz Kus

Donnerstag, 20 Uhr, Dom

Dieses Konzert haben die Veranstalter jüngst in einer Pressenachricht als „RussischPolnischPommersch“ bezeichnet. Tatsächlich wird in dem Konzert das Stettiner Ensemble „Camerate Nova Szczecin“ spielen, für die Veranstalter ist dies ein Brückenschlag zwishen Pommern und Russland. Pressesprecher Reinhard Lampe verweist darauf, dass das Ensemble einen Sitz im Stettiner Schloss hat, dem jahrelangen Sitz der pommerschen Herzöge in Stettin. Über dies ist er allen Ernstes der Ansicht, dass Ensembleleiter Eugeniusz Kus „so etwas wie legitimier Nachfolger der Pommernfürsten“ sei, da er bis 2007 Schlossdirektor war.

In dem Konzert soll Bachs Motette „Lobet den Herrn, alle Heiden“ drei Generationen russischer Kirchenmusik gegenüberstehen, zudem geht es um ganz unterschiedliche liturgische  Formen: Neben der Bach-Motette komen Rachmaninovs „Ganznächtliche Vigil“, ein Stundengebet, und Gretchanninoffs lateinische „Missa festiva“, eine Messe, zur Aufführung. Weiter heißt es im Programmheft:

„Dass sich russisch-orthodoxe und römisch-katholische Frömmigkeit polnischer Provinienz auch sonst so fern nicht sind, zeigt sich an der in beiden Konfessionsfamilien gleichermaßen hoch geschätzten Marienverehrung, zu hören etwa im „Sei gegrüßt, Jungfrau Mutter Gottes“ (Ave Maria) von Sergej Rachmaninoff.“

Der Eintritt kostet für Nicht-Studenten 15 Euro.

Konzert 14: Große Kammermusik

Freitag, 20 Uhr, St. Jacobi

Auch an diesem Abend geht es um Werke von Bach und um russische Werke. Das Konzert mit dem Kammerorchester der Komischen Oper Berlin und Solisten wird unter anderem die Overtüre h-Moll mit einem sehr bekannten Teil für Solo-Flöte beinhalten wie auch das nicht minder bekannte Brandenburgische Konzert Nr. 5. Dazu gibt es das Saxophonkonzert von Alexander Glasunow und die „Rokoko-Variationen“ von Tschaikowsky.

Konzert 16: Eine wundersame Reise

Samstag, 12 Uhr, Dom

Auf dieses Tanzstück haben wir bereits in unserer Vorberichterstattung hingewiesen. Hier haben unter anderem Greifswalder Schüler mitgearbeitet. Die Choreographie des Tanzstücks nach dem Märchen „Der blaue Vogel“ des Belgiers Maurice Maeterlinck stammt von Sabrina Sadowska, die das Stück auch einstudiert hat. Auch Bach und viele russische Komponisten sollen darin vorkommen. Studenten und Schüler kommen für drei Euro in das Konzert, alle anderen zahlen 10 Euro.

Konzert 18: Goldberg-Variationen/ Le Sacre du printemps

Samstag, 20 Uhr, Theater Vorpommern

Die beiden Balette von Ralf Dörnen wurden schon im letzten Jahr in Greifswald aufgeführt. Das eine Balett verarbeitet Bachs „Goldberg-Variationen“, das andere Strawinskys „Frühlingsopfer“ („Le sacre du printemps“). Studentenkarten für die Aufführung im Theater gibt es ab 7 Euro, auch diese Karten sollten unbedingt im Vorverkauf erstanden werden.

Konzert 19: Bayan und Violoncello

Samstag, 22 Uhr, Katholische Kirche St. Josef

Dieses Konzert weist bereits auf die Johannes-Passion von Sofia Gubaidulina am Sonntag hin. Elsbeth Moser (Bayan) und Nicolas Altstaedt (Violoncello) werden Werke der russischen Zeitgenössin aufführen. Auch bachsche Kompositionen erklingen.

Konzert 20: Orgelmusik von Bach in Original und Transkritption

Samstag, 23:59 Uhr, Dom

In diesem späten Konzert werden Bachs Kompositionen für Orgel aufgeführt und dabei Klavier-Transkriptionen des Russen Iwan Karlowitsch Tscherlizki „gegenübergestellt“. Die Transkriptionen entstanden im 18. Jahrhundert, da es in Russland kaum Orgeln gab.

Konzert 22: Sofia Gubaidulina: Passion und Auferstehung Jesu Christi nach Johannes

Sonntag, 19 Uhr, Dom

Sofia Gubaidulina

Das Werk der Russin Sofia Gubaidulina gilt als eine der größten Kompositionen der russischen zeitgenössischen Musik. Das Werk, für das ein riesiger Aufführungsapparat aus vier Solisten, zwei Chören, sehr großem Orchester, Schalgzeug, reichlich Bläser und Orgel erforderlich ist, enstand im Jahr 2000 für die Internationale Bachakademie Stuttgart. Die Komponistin bezeichnet ihr Werk in aller Bescheidenheit als „Zentrum des Lebens“ in musikalischer und spiritueller Hinsicht.

Auch hier gibt es besonders die stark ermäßigten Karten nur in eng begrenzter Stückzahl, sodass es ratsam ist, sich um Vorverkaufs-Karten zu bemühen.

Und sonst?

Am Donnerstag gibt es eine Konzertreise in Dorfkirchen, die selbstverständlich an den einzelnen Stationen mit musikalischen Teilen garniert wird. Die Abfahrt erfolgt um 11:15 an der Bahnhofstraße.

Das komplette Programm der Bachwoche in allen Details gibt es auf deren Homepage. Der webMoritz wird über einige Veranstaltungen in Wort und Bild berichten

Fotos: Veranstalter, Grafik Startseite: Jakob Pallus