Uns Studenten interessiert an der Universität in erster Linie meist die Lehre, doch natürlich wird hier in Greifswald auch geforscht. In der Serie “Nachgeforscht” stellen wir einzelne Projekte vor.
Unter Mitarbeit von Greifswalder Wissenschaftler rund um Professor Dr. Hans Grabe ist ein internationales Forschungsteam zu neuen Erkenntnissen über das Rauchverhalten des Menschen gelangt. Professor Grabe ist leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Ernst-Moritz-Arndt-Unversität Greifswald.
Er hat sich mit dem webMoritz über seine Arbeit und Forschungsergebnisse unterhalten.
webMoritz: Herr Professor Grabe, Sie haben im April dieses Jahres Forschungsergebnisse zum Einfluss der Gene auf das Rauchverhalten veröffentlicht. Woran haben Sie genau geforscht?
Prof. Grabe: Wir haben uns zum einen mit der Frage beschäftigt, ob genetische Variationen beeinflussen können, dass jemand Raucher wird oder nicht. Zum anderen haben wir geschaut ob es genetische Variationen gibt, die bestimmen, wie viele Zigaretten wir am Tag rauchen, wenn wir erst einmal damit angefangen haben.
webMoritz: Was haben sie herausgefunden?
Prof. Grabe: Auf dem Chromosom 15 gibt es einen Genort, der für die Bildung des Nikotinrezeptors im Gehirn verantwortlich ist. Verschiedene Varianten in der Zusammensetzung dieses Genortes können dazu führen, dass einige Personen bis zu zwei Zigaretten pro Tag mehr rauchen als andere.
Allerdings haben wir keinen Hinweis in den Genen dafür gefunden, dass man in den Genen erkennen kann, ob jemand anfängt zu rauchen oder nicht. Das hängt vor allem von anderen Faktoren wie beispielsweise dem sozialen Umfeld ab.
webMoritz: Können Sie kurz erklären, wie Nikotin im Körper wirkt und warum es uns Menschen abhängig macht?
Prof. Grabe: Wenn Nikotin nach der Inhalation von Zigarettenrauch aus der Lunge über das Blut ins Gehirn gelangt und dort an die Nikotinrezeptoren bindet, werden verschiedene neuronale Netzwerke aktiviert. Serotonin, Dopamin und ein Stoff namens GABA werden ausgeschüttet. Es kommt neben einer allgemeinen Steigerung des Wohlbefindens, zu einer erhöhten Konzentrationsfähigkeit, Kreativität und Motivation. Außerdem wirkt Nikotin entspannend.
Durch die Inhalation wird in sehr kurzer Zeit ein hoher Nikotinspiegel im Blut erreicht. Das führt zu dem extremen Hochgefühl, was uns Menschen süchtig macht. Ein Nikotionpflaster, das die gleiche Nikotinmenge über einen längeren Zeitraum freisetzt, würde uns wahrscheinlich nicht so abhängig machen wie Zigaretten.
Nikotin ist also eine starke Suchtsubstanz, die man nicht unterschätzen darf, nur weil sie legal ist.
webMoritz: Kann man in den Genen eines Rauchers vorhersehen, ob er es schafft mit dem Rauchen aufzuhören?
Prof. Grabe: Bis jetzt haben wir noch keine sichere Antwort auf diese Frage. Es gibt tatsächlich Hinweise darauf, dass es bestimmten Genotypen leichter fallen könnte aufzuhören als anderen. In einer aktuellen Forschungsarbeit beschäftigen wir uns genauer mit diesem Phänomen.
webMoritz: Bei der veröffentlichten internationalen Studie wurden Daten von über 40.000 Personen ausgewertet. Wie kann man sich die Zusammenarbeit und die Auswertung einer so großen Datenmenge vorstellen?
Prof. Grabe: Es gibt extrem viele verschiedene genetische Variationsmöglichkeiten. Deshalb sind viele Probanden nötig, um das Auftreten eines echten Zusammenhangs beispielsweise dem des Rauchens mit genetischen Auffälligkeiten von zufälligen Übereinstimmungen unterscheiden zu können.
Verschiedene Studien haben den Phänotyp „gerauchte Zigaretten pro Tag“ untersucht. Diese Studien wurden von Firmen oder Universitäten unter anderem in München, Augsburg, Kiel, Bergen (Norwegen), Washington DC, Pennsylvania, London und Toronto durchgeführt. Die einzelnen Ergebnisse werden von Statistikern in Oxford zusammenfassend ausgewertet.
Das Internet spielt bei dem Informationsaustausch bei einer weltweiten Studie eine wichtige Rolle. Untersuchungsprotokolle, die die Datenberechnung in jedem einzelnen Zentrum dokumentieren, werden online übermittelt.
In jedem der Zentren gibt es einen Server, auf den die Statistiker aus Oxford zugreifen können. Außerdem stimmt man sich mindestens einmal im Monat durch Telefonkonferenzen über den aktuellen Stand der Ergebnisse und deren Interpretation ab.
webMoritz: Welchen Beitrag hat die Uni Greifswald zu diesem Projekt geleistet?
Prof. Grabe: Greifswald ist auch eines dieser Zentren. Wir konnten auf Daten der SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania) zugreifen. Die SHIP ist eine bevölkerungsbezogene, epidemiologische Studie in der Region Vorpommern. In der Datenbank sind über 4.000 Personen erfasst, deren Gesundheitszustand und Genotyp ermittelt wurde. Aus diesem Datensatz haben wir die für uns wichtigen Informationen über das Rauchverhalten herausgezogen und in Bezug auf die Genotypen ausgewertet.
webMoritz: Jetzt einmal kurz zu Ihnen. Seit wann beschäftigen Sie sich mit der Genetik? Und warum sind sie hier in Greifswald gelandet?
Prof. Grabe: Ich arbeite seit 1998 an der Universität Greifswald. Mein Interesse für die Genetik hat sich bereits während meiner Zeit in Bonn entwickelt. Es hat allerdings ein paar Jahre gedauert, bis hier die genetischen Analysen richtig anfingen. Die erste Publikation zum Thema Gen-Umwelt-Interaktionen bei Depressionen erschien im Jahr 2005.
In Greifswald gibt es gute Möglichkeiten, genomweite Analysen durchzuführen, da im Rahmen der SHIP-Studie viele Probanden genotypisiert sind. Die Genotypisierung ist eine Voraussetzung für unsere Untersuchungen. Das ist jedoch sehr teuer und deshalb nicht immer finanzierbar. Für die SHIP-Studie hat das die Siemens AG bezahlt.
webMoritz: Woran forschen Sie zurzeit?
Prof. Grabe: Wie schon gesagt, beschäftigen wir uns mit dem Einfluss der Gene auf die Rauchentwöhnung. Außerdem versuchen wir, Zusammenhänge zwischen genetischen Variationen und der täglich getrunken Kaffe- oder Alkoholmenge herauszufinden.
Ein anderer interessanter Forschungsschwerpunkt von uns sind die sogenannten Gen-Umweltinteraktionen bei Depressionen. Hier versuchen wir beispielsweise herauszufinden, ob es bei traumatischen Kindheitserlebnissen eine genetische Veranlagung dafür gibt im Erwachsenenalter an Depressionen zu erkranken.
webMoritz: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei den weiteren Forschungsarbeiten!
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