Ein Erlebnisbericht der Teilnehmerin Anne Klatt.
„!?!“, mag sich der eine oder andere Augenzeuge am Museumshafen gedacht haben, als sich am Mittwoch etwa 20 junge Menschen in den Ryck stürzten – bei vernieseltem Grau in Grau, einer Wassertemperatur von 11°C und das ohne Anzeichen übermäßigen Marihuana-Konsums.
Persektivwechsel. „Wieso baden wir hier eigentlich nicht immer?“, mag sich der eine oder andere Ryck-Springer gedacht haben, als er oder sie glücklich und erfrischt dem kühlen Nass entkletterte. Die Idee hinter der Aktion ist einfach: Reclaim the Rivers!
„Denn wir wollen baden und keine Wassertretkur am Strand in Eldena!“
Im vergangenen Jahrhundert haben Schiffe und Abflussrohre die badenden Menschenwesen aus den Fließgewässern vertrieben. Heute wendet sich das Blatt. Flüsse werden nicht mehr nur als „Wasserstraßen“ und günstige Entsorgungsmöglichkeit begriffen, sondern wieder mehr als Ökosysteme und Landschaften. Die Länder sind sogar durch ein Wortmonster namens „EU-Wasserrahmenrichtlinie“, das selbst mit WRRL abgekürzt noch sperrig ist, gesetzlich dazu verpflichtet, alle Gewässer in den klar definierten „guten ökologischen Zustand“ zu bringen. Aber wer interessiert sich schon für „WRRL“? Genau deswegen sind wir gesprungen.
Fischsuppe oder Badequalität – das ist hier die Frage
Derzeit „kippt“ der Ryck im Spätsommer regelmäßig zur Fischsuppe um. Üppige Mengen an Phosphaten und Stickstoffen, die aus den entwässerten Wiesen z.B. bei Wackerow stammen, mästen die Biomasse im Ryck, die gemessen an der Tragfähigkeit des Flüsschens wuchert. Das wird dann ein Problem, wenn Barsch & Kollegen natürlicherweise dahinscheiden und recycelt werden. Denn dieser Prozess verschlingt wiederum jede Menge Sauerstoff, der im Wasser gebunden ist: Ein für Fische tödliches Sauerstoffdefizit schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Ökosystem Ryck. Da warmes Wasser Sauerstoff schlechter für sich behalten kann als kaltes, vollzieht sich die Tragödie meist im Spätsommer.
Damit es nicht bleibt, wie es ist, sondern wird, wie es sein könnte
Die Überdosis an Nährstoffen aus den Wiesen könnte aber durch eine standortgerechte Nutzung der Feuchtwiesen abgestellt werden. Das könnte beispielsweise mit Schilf zur energetischen Biomasseverwertung und dem Rückbau der Entwässerungsgräben erreicht werden – und der Ryck könnte zu einer städtischen Badestelle werden. Wasser- und Lebensqualität in Greifswald würden einen Sprung machen – so wie wir das schon mal vorgemacht haben:
BIG JUMP in ganz Europa am 11. Juli 2010
Dieser Small Jump am Mittwoch war gewissermaßen ein Vorgeschmack auf den Big Jump am 11. Juli 2010 um 15 Uhr. Dann werden geschätzte 500.000 Menschen in vielen Ländern, an vielen Flüssen Europas zur selben Minute in „ihre“ Flüsse springen und so ein Zeichen für lebendige Flüsse setzen: Mäander, Flussregenpfeifer und… eben auch badende Menschenwesen.
Weitere Fotos
Weitere Infos zur Standort angepassten Nutzung von Feuchtgebieten und Niedermoorflächen gibt es beim DUENE e.V. am Institut für Botanik und Landschaftsökologie.
alle Fotos: Arik Platzek
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