Ein Kommentar von Carsten Schönebeck
Als der Senat vor einigen Wochen entschied, dass die Greifswalder Universität ihren umstrittenen Namenspatron behält, gab es naturgemäß geteilte Meinungen zum Ausgang des Tagesordnungspunktes. Allerdings machte sich auch das Gefühl eines kommunalen Aufatmens breit. Selbst viele der aktiven Debattenteilnehmer schienen froh, dass die Senatsentscheidung einen vorläufigen Waffenstillstand zwischen Befürwortern und Gegnern des Namens in Aussicht stellte.
Was sich niemand wünschen konnte, ist allerdings der Rückfall in die Zeiten vor der studentischen Vollversammlung 2009, die als Stein des Anstoßes für eine neunmonatige Debatte gedient hatte: Eine Universität, die ihren Namenspatron in der untersten Schmuddelschublade zu verstecken versucht. Doch wer vergangene Woche die Ostseezeitung las, musste feststellen, dass genau dies das Ansinnen der Universitätsleitung ist. Weder eine Überarbeitung des umstrittenen Infotextes zu Arndt auf der Uni-Homepage, noch eine mögliche Würdigung des pommerschen Volkshelden sei laut Uni-Pressesprecher Jan Meßerschmidt „ein Thema“. Für jeden, ob Student, Professor oder Bürger, der sich in den letzten Monaten mit der causa Arndt befasst hat muss dies wie ein Schlag ins Gesicht wirken. Neun Monate Diskussionen – Vollversammlung, Urabstimmung, Unterschriftensammlungen, Senatsdebatten- und -komissionen, öffentliche Anhörungen – für die Uni-Leitung aber ist Arndt „kein Thema“.
Es scheint, als hätte man aus dem Rektoratspalast die Ereignisse des letzten Jahres maximal mit einem amüsierten Lächeln betrachtet, eventuell darauf bedacht, den universitären und städtischen Pöbel nicht zu nahe herankommen zu lassen – auf dass die weißen Fassade des Hauptgebäudes möglichst nicht mit dem Blut der verbalen Straßenschlachten beschmutzt werde. Das ist, wie erwähnt, noch die freundliche Interpretation, die voraussetzt, dass am Rubenowplatz noch ein funktionstüchtiger, wenn auch nicht zwingend wacher Geist haust.
Der Namenspatron einer weltlichen Institution erlangt seine Daseinsberechtigung über zwei Aspekte: Die Würdigung einer herausragenden Persönlichkeit und die Identifikation mit einem personifizierten Ideal, für all jene, die sich mit dieser Einrichtung verbunden fühlen. Der zweite Punkt kann meist nur durch den ersten erreicht werden.
Rektor Prof. Rainer Westermann hatte bereits vor ziemlich genau einem Jahr gegenüber dem webMoritz geäußert, dass Arndt für ihn „kein Vorbild“ ist. Der Name sei für ihn aber auch kein Problem, denn: „Ich habe mir den Namen nicht ausgesucht und ich bin für die Namensgebung nicht zuständig.“ Etwas ungewöhnlich für einen Rektor, der sonst nicht gerade dafür bekannt ist, vor dem Senat den Bückling zu mimen, im Gegenteil den Eindruck vermittelt, es handle sich dabei um ein für ihn eher lästiges Kontrollgremium.
Wenn es dabei bleibt, dass trotz des Festhaltens am Patron eine Würdigung Arndts für die Universität kein Thema ist, ist das nicht nur peinlich und enttäuschend, sondern die gesellschaftlich-kommunikative Bankrotterklärung der Universitätsleitung: für beide Fraktionen des Streits das wohl schlechtmöglichste Ergebnis.
Fotos:
- Prof. Westermann – Arik Platzek
- Foto Jan Meßerschmidt – Uni-Pressestelle via webMoritz-Archiv
- Montage „Hauptgebäude“ – webMoritz-Archiv
Guter Kommentar. Die ganze Diskussion kam dem Rektorat sehr gelegen, konnte es so doch in aller Ruhe die Weichen für die kommende Zielvereinbarung stellen. Der Weggang der Psychologie war so eine kleine Weichenstellung, die unter dem ganzen Arndtrummel viel zu wenig wahrgenommen wurde. Und nun steht es fest: in naher Zukunft gibt es keine Lehrerbildung mehr in Greifswald. Aber wayne?
Teile die Auffassung von Rektor Westermann: Arndt braucht als Namenspatron kein Vorbild zu sein. Meines Erachtens eine falsche Grundannahme der Namensgegner.
Mal überspitzt gesagt: Welcher Ersti kommt schon völlig "ungefestigt und identitätslos ohne Ideale und Vorbilder" nach Greifswald und sagt sich "Wow, dieser Arndt ist Namenspatron, dann ist er ab jetzt die zentrale Leitfigur in meinem Leben" und "Er war Antisemit, hmmm, dann scheint das ja nicht schlimm zu sein und ich bin es von nun an auch" ??? Namenspatrone sind stets als historische Figuren zu verstehen und nicht als Wegweiser für moderne Moralfragen.
Um es abschließend sinngemäß mit den Worten von Labbadia zu sagen: Die ganze Arndt-Debatte wird "hochsterilisiert". Die Uni hat wichtigere Probleme als Arndt. Eine Textüberarbeitung auf der Uni-Page halte ich aber für sinnvoll jedoch auch ausreichend. Wer neu nach HGW kommt sollte zumindest die Möglichkeit haben sich leicht und umfassend zu informieren.
Wie? Ein Namenspatron muss kein Vorbild sein und ist sonst eigentlich auch eher schnurz. Na wofür brauchen wir ihn dann? Warum dann nicht gleich zurück zum traditionellen Namen "Universität Greifswald"? Klar ist man als Ersti nicht zwangsläufig identitätslos, ungefestigt und bedarf einer geistigen Orientierung anhand des Namenspatrons. Aber gerade wenn man mit einer gewissen Wertevorstellung beseelt ist, muss man die Arndt- Frage stellen. Die ganze Sache mit dem Uni- Namen ist einfach nur ne Nazi- Luftnummer. In keiner Weise hat Arndt mit seinem Werk die Ehrung durch ein Hochschul- Patronat verdient…
Das Verhalten der Uni ist zugegeben mehr als fragwürdig. Wenn Arndt erhalten, dann kritisch reflektieren und erinnern. Dann kommt man schon von selbst darauf, dass der Name eigentlich weg muss.
Da gibt es doch die Seite von UniohneArndt…(Jabbusch.tose)
Soll jetzt jedes Thema von dort hier wieder aufgekocht werden..?
Ich finde die Darstellung von Carsten eigentlich ganz sinnvoll. Immer alles aussitzen geht eben nicht. Mit Jabbusch hat das doch gar nichts zu tun!
Guter Kommentar!
Und ein neuer Text MUSS auf die Uniseite. Der gegenwärtige Text über Arndt ist so neutral, dass er schon wieder substanzlos ist. Sowohl im Hinblick auf die Licht, als auch im Hinblick auf die Schattenseiten.
Und ich hatte gehofft, die Unileitung würde mal was aus dem Patron machen. Vorschläge gab es ja genügend, was man im Falle einer Namensbeibehaltung machen könnte und – das ist besonders wichtig – wie man sich trotz Namensbeibehaltung eindeutig von Rechtsextremisten abgrenzen kann.