Angela Merkels Besuch in Greifswald war nicht unbedingt eine Darstellung von Volksnähe, brachte aber durchaus Glanz in die frisch sanierte Stadthalle.

Anlässlich des Neujahrsempfang hatte die Greifswalder CDU geladen: Neben der Kanzlerin und den CDU-Spitzenpolitikern des Landes erwate man, so die Pressemitteilung auch „Vertreter aus dem Öffentlichem Leben, der Wirtschaft sowie der Wissenschaft“. Damit waren zumindest der offiziellen Begrüßung nach vor allem die eigenen Parteifreunde gemeint. Gut 350 Leute hatten sich trotz Schneechaos in der Stadthalle eingefunden, um dort der Kanzlerin zu lauschen und sich anschließend am Buffet und den Freigetränken zu laben. Der Kreisvorsitzende Egbert Liskow dankte explizit den vielen Sponsoren des Abends.

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Merkel sprach vor allem über die Konjunkturkrise und die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland.

Im Gegensatz zu Merkels letztem Besuch in Greifswald sah das Programm dieses Mal keine öffentliche Veranstaltung vor. Die promovierte Physikerin hatte am Nachmittag das Fusionsforschungsprojekt im Max-Planck-Institut besichtigt und war anschließend auf der intern angelegten Veranstaltung ihrer Partei. Auch wenn es kaum bis gar keine Sicherheitskontrollen gab, dürfte sich kaum jemand ohne Einladung in die Stadthalle verirrt haben.

Nach ihrem prunkvollen Einzug und dem etwa eineinhalbstündigen, offiziellen Teil der Veranstaltung stand Dr. Merkel allerdings nicht mehr für die Empfangsgäste zur Verfügung. Für sie und andere CDU-Funktionäre wurde in einem gesonderten Raum gedeckt und aufgetischt.

Merkels Rede dauerte eine knappe halbe Stunde, in der sie neben dem lokalpatriotisch angebrachten Lob für den Wissenschaftsstandort Greifswald und die frisch sanierte Stadthalle vor allem über Konjunkturpolitik und die soziale Marktwirtschaft sprach. Dabei verteidigte sie die Absenkung der Unternehmenssteuer vehement, die der Mehrwertsteuer für Hotels etwas vorsichtiger und erklärte lediglich: Man solle um eine einmal beschlossene Sache kein Gezerre veranstalten und den Beschluss gleich wieder rückgängig machen.

Viel Kritik fing sich im ganzen Laufe des Abends der ehemalige Koalitionspartner auf Bundesebene. Mit der SPD habe man in verschiedenen wichtigen Fragen keine vernünftigen Lösungen finden können. Auch für das Scheitern des Projekts Kohlekraftwerk Lubmin ging Merkel ein und machte indirekt die Sozialdemokraten dafür verantwortlich. Sie kritisierte, die damit demonstrierte Technologiefeindlichkeit sei auch eine Lebensfeindlichkeit. Gegner des Kraftwerkbaus am Bodden waren anscheinend nicht anwesend.

Mögliche Dissonanzen, die durch die Absenkung der Umsatzsteuer zwischen Bund und Kommunen in den letzten Wochen aufkamen, wischte Merkel vom Tisch, indem sie erklärte, nur durch die Absenkung sei die derzeitige Wirtschaftslage stabilisierbar und damit auch die kommunalen Haushalte. Oberbürgermeister König, der anschließend ein kurzes Schlusswort hielt wollte nicht direkt widersprechen und erklärte nur: „Jede Investition in Kommunen ist eine gute Investition, denn nirgendwo ist die Rendite nachhaltiger und höher.“

Als etwas zynisch mag mancher Merkels Bemerkungen zu den Sozialsystemen sehen, die sie mit den Worten einleitete: „Hartz 4 ist in diesem Rahmen hier wohl nicht das Thema“. Anschließend machte sie klar, dass jedem der in Not gerate von staatlicher Seite geholfen werden müsse, im Gegenzug müsse man aber verlangen, dass „jeder, dem das möglich ist, auch seinen Teil für die Gesellschaft leistet.“

Auch wenn die Kanzlerin das Gebäude gegen 21 Uhr verließ, zog sich der Empfang noch bis in die frühen Nachtstunden und klang anschließend in kleiner Runde im Greifswalder Nobellokal „Treffpunkt“ aus.

Fotos: Carsten Schönebeck