Seit Donnerstag, dem 7.Januar, ist im Pommerschen Landesmuseum die Austellung „Selbst“ frei und ohne Eintrittserhebung zu besichtigen. Studierende des Caspar-David-Friedrich-Instituts für Kunstwissenschaft der Universität Greifswald haben unter der Leitung von Prof. Dagmar Lißke ein Semester lang Verfahren des Tiefdrucks kennengelernt und erprobt. Die Aufgabenstellung für jeden Studierenden bestand schließlich darin, mithilfe dieser Technik ein eigenes Selbstportrait zu entwickeln.

Ansicht der Ausstellung

Ansicht der Ausstellung

Das Ergebnis ist beeindruckend: Etwa 25 höchst verschiedene Entwürfe, die geistreich und begabt einen Blick in die äußere Innenwelt ausdrucksstarker Charaktere werfen lassen. In ihrer Eröffnungsrede lobte Lißke ausdrücklich die jungen Künstlerinnen und Künstler und betonte ihre Versiertheit im Umgang mit neuen Materialien. Die Studierenden, die sich an der Arbeit beteiligen, setzen sich aus unterschiedlichen Altersstufen zusammen: vom Erstsemester bis Elftsemester haben alle mitgewirkt. Nur Wenige kannten die Drucktechnik schon vorher, es stand vor allem das Ausprobieren im Vordergrund. Erstaunlich unterschiedlich sind dabei die Wege, die sie gingen, das Selbstportrait zu gestalten.

Maria, die im ersten Semester Kunst studiert, ist im Großen und Ganzen zufrieden: „Der Tiefdruck bietet sehr viele Möglichkeiten, ein Selbstportrait zu gestalten. Die Reaktion der Platten einzuschätzen und ein Gefühl für die Technik zu bekommen, ist eine besondere Schwierigkeit. Man muss wissen, wieviel Farbe eingesetzt werden kann und wie man am besten auswischt. Es hilft sehr, auch zu schauen, welche Wege die Anderen entwickelt haben. Wie jeder die Darstellung umsetzt, ist jedoch eine sehr persönliche Sache, denn im Selbstportrait zeichnen sich eigene Emotionen nach. Die Einführung hat mir dabei außerordentlich geholfen, den Ausdruck der Gefühle im Werk durch den Tiefdruck gezielt weiterzuentwickeln.“ Auf die Frage, ob soetwas wie eine gemeinsame Tendenz in den Arbeiten zu erkennen sei, sagt Maria: „Die Arbeiten sind alle sehr verschieden. Eine gemeinsame Tendenz kann ich so nicht ausfindig machen.“ Zu ihrer eigenen Arbeit bemerkt sie mit Bescheidenheit: „Das Bild ist noch entwicklungsfähig. Es war das erste Mal, ich habe einfach spontan umgesetzt.“

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Sarah Litzinger

Matthias, 29, gehört schon zu den älteren „Hasen“. Über die Ausstellung ist er verblüfft und begeistert zugleich – mit so etwas wie einer eigenen Ausstellung in einer so renommierten Institution wie dem Landesmuseum hatte er nicht gerechnet: „Es ist ein großes Glück für die Kunst in Greifswald, die zwar ergiebig arbeitet, aber nur selten Gelegenheit bekommt, sich zu präsentieren.“ Normalerweise belegen die Studierenden nur ihre Kurse, diese Veranstaltung sei eine große und bewundernswürdige Ausnahme.

Zur Genese seines eigenen Portraits fügt Matthias hinzu: „Ich habe wie alle Anderen das gesamte Semester die Techniken variiert und probiert, am Ende entstanden etwa zehn Entwürfe. Es ist interessant, unsere Portraits kommen völlig ohne Attribute aus, wie etwa eine Rahmensituation, in der man sich darstellt. Etwa mit einem Pinsel in der Hand oder dergleichen. Es sind wirklich alles Individuen ohne Dingzuweisung.“ Zur Organisation bemerkt er noch: „Wir konnten uns frei entfalten. Frau Prof. Lisske ließ uns große Freiheit und regte zugleich unsere Phantasie an, indem zu Beginn des Kurses Werke von Goya oder Munch gezeigt wurden. Wir müssen auch dem Werkstattleiter, Herrn Herpell, sehr dankbar sein. Er hat sich für diese Ausstellung sehr aufgeopfert. Ohne ihn wäre Vieles nicht denkbar gewesen.“

Der Leiter der Druckwerkstatt des Instituts für Kunstwissenschaft in Greifswald, Olaf Herpell, hat neben Prof. Lisske die jungen Künstler und Künstlerinnen während ihres Projekts ausgebildet und betreut. Das Verfahren der Drucktechnik erklärt er folgendermaßen: „Grundsätzlich unterscheiden wir zwei Methoden. In der sogenannten „kalten“ Variante wird das Motiv mit einer spitzen Stahlnadel in die Zinkplatten eingeritzt und mit spezieller Ölfarbe eingefärbt. Überschüssige Farbe wird mit einer Wischgaze entfernt. Der Karton, auf dem später das fertige Bild entsteht, wird zusammen mit der Platte in die Presse gefahren und circa 1-1,5 Tonnen Druck ausgesetzt. In der zweiten Variante, der sogenannten „Ätzradierung“, wird die partiell mit einer Schicht aus Asphaltlack geschützte Platte verdünnter Salpetersäure ausgesetzt. Da hierbei eine chemische Reaktion genutzt wird, bei der in geringen Mengen auch Wärme entsteht, spricht man von einem „heißen“ Verfahren.“

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Weija Wang

Weiter erklärt Herpell: „Eine Verfeinerung erfährt dieses Verfahren in der sogenannten Aquatinta. Hierbei wird die Zinkplatte mit einer dünnen Schicht Asphaltpulver bestäubt. Nach dem Einbrennen können sukzessive und variabel Motive einlackiert werden. Anschließend wird die Platte für wenige Sekunden der Salpetersäure ausgesetzt. Im Wechsel von zunehmender Abdeckung der Platte und dementsprechend unterschiedlicher Wirkzeit der Säure auf verschiedene Partien der Platte können so verschiedene Grauabstufungen erreicht werden. Eine weitere Möglichkeit bietet die Aussprengtechnik. Das Motiv wird dabei mit Zuckerwasser von Sirupkonsistenz auf die Platte gezeichnet. Ist diese Platte mit Asphaltlack bedeckt, wird sie einem heißen Wasserbad ausgesetzt. Der Zucker löst sich und sprengt den ihn bedeckenden Lack. An diesen nun unbedeckten Partien kann das Zinkmaterial entweder blind oder als Aquatinta geätzt werden. Der Vorgang des Druckens mithilfe der Presse ist jedoch bei allen Methoden derselbe.“

Von den genannten Verfahren wurde für die Selbstportraits keines vor dem Andern bevorzugt, sondern sie wurden quantitativ ausgewogen verwendet, so Herpell. Die Ausstellung beschreibt er als großen Erfolg und „runde Sache“, in der die Studierenden „sehr beachtliche“ Leistungen erbracht hätten. Gerade die Erstsemester unter den Teilnehmern, die noch keine Übung in der Technik besaßen, hätten hervorragend mit den Materialien umzugehen gewusst. Die Presse der Werkstatt besitzt bereits historischen Wert. Sie wurde im 19.Jahrhundert hergestellt und wird heute noch von den Studierenden für ihre Arbeiten benutzt. In der Geschichte waren Meister des Tiefdrucks unter anderem die Berühmtheiten Max Beckmann oder Goya.

Fotos: Juliane Radike/Pommersches Landesmuseum