von Markus Hildner und Gabriel Kords
Seit 1996 wird der von Hans und Lea Grundig gestiftet Preis an der Universität Greifswald nicht mehr verliehen, weil die Rolle der Stifterin in der DDR-Zeit ungeklärt ist. Wie es mit dem Preis und der zugehörigen Stiftung weitergehen soll, ist auch 13 Jahre nach der Aussetzung des Preises ungewiss. Morgen soll es dazu allerdings ein Gespräch im Landesinnenministerium geben.
Lea Grundig (geb. Langer) wurde am 23. März 1906 In Dresden geboren. Die studierte Künstlerin setzte sich bereits in ihrer Jugend mit politischen und gesellschaftlichen Problemen auseinander. In der Zeit des Nationalsozialismus waren Lea und ihr Mann Hans Grundig aufgrund der Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei und ihrer jüdischen Religion gefährdet. Lea Grundig emigrierte nach einer monatelangen Untersuchungshaft nach Palästina.
1949 erhielt Grundig eine Professur in Dresden, 1961 wurde sie Mitglied der Akademie der Künste und war ab 1964 Mitglied des Zentralkomitees der DDR. Die Universität Greifswald verlieh ihr 1972 einen Ehrendoktortitel. Im Gleichen Jahr zahlte sie ein Stiftungsguthaben für die Hans- und Lea-Grundig-Stiftung der Universität Greifswald ein. Diese sollte jährlich einen Preis verleihen, der herausragende künstlerische, kunstwissenschaftliche und kunstpädagogische Leistungen von Studierenden und Absolventen des Caspar-David-Friedrich-Instituts (CDFI) würdigen sollte. Seit 1996 wird der Preis allerdings nicht mehr verliehen, weil einige Dozenten des Caspar-David-Friedrich-Instituts den Namen Lea Grundig für nicht vertretbar hielten.
Vor 12 Jahren hatte der damalige Rektor Prof. Jürgen Kohler das Caspar-David-Friedrich-Institut um eine Stellungnahme gebeten. Der damalige Institutsdirektor, Professor Ulrich Puritz, des Institus habe dann mit Zeitzeugen gesprochen, heißt es in einem Bericht der Ostsee-Zeitung. Lea Grundig habe nach deren Angaben für den Ausschluss von nicht linientreuen Künstlern aus dem Verband gesorgt, sagten diese.
Stiftung will jetzt „Formailen“ klären
Wie es nun mit dem Preis weitergehen wird, soll aber in absehbarer Zeit geklärt werden. Der Vorsitzende des Stiftungsrats, Professor Michael Soltau (Direktor des CDFI), sagte dem Nordkurier, morgen solle es ein Treffen in dieser Angelegenheit im Innenministerium geben. Dabei solle „über die Formalien aufgeklärt“ werden. Für eine weitergehende Stellungnahme konnte der webMoritz Soltau heute nicht erreichen. In den vergangenen Wochen hatte es immer wieder geheißen, die Stiftung und der Preis sollten umbenannt werden. Dieses Gerücht war vor einigen Tagen Professor Soltau in der Ostsee-Zeitung dementiert worden: Eine Umbennenung sei „derzeit nicht geplant“.
Kritiker der Aussetzung der Preisverleihung halten der Universität vor, man könne nicht abstreiten, dass Hans und Lea Grundig immer gegen den Nationalsozialismus gekämpft und auch unter ihm gelitten hätten. Lea Grundigs Rolle als linientreue Kulturfunktionärin in der DDR sei hingegen bis heute nicht geklärt. Außerdem sagte der emeritierte Kunstprofessor Günter Bernhardt in der OZ: „Sie half immer Leuten, die in Not waren und setzte sich für Kollegen ein.“ Im Januar hatte die Ostsee-Zeitung in einem Bericht, der im Internet derzeit frei verfügbar ist, ausführlich über die Künstlerin und den Preis berichtet.
Auch die Initiative „Uni ohne Arndt“ übte vor einigen Wochen in ihrem Sinne Kritik am Umgang mit Stiftung und Preis. In einer Pressemeldung der Gruppe heißt es:
„Es hat insgesamt hat einen ganz schlechten Nachgeschmack, dass die Universität Greifswald eine jüdische Stiftung nur auf Verdacht eingefroren hat, jetzt sogar den Namen ändern will, während die antisemitischen Äußerungen Arndts weder in der Unileitung noch in der Greifswalder Bevölkerung für großes Unbehagen sorgen.“
Die vollständige Meldung der Arndt-Gegner zu der Angelegenheit ist auf ihrer Homepage nachzulesen. Auch die Linke.SDS hatte sich bereits Anfang September dafür eingesetzt, die Verleihung des Preises wiederaufzunehmen und die Stiftung nicht umzubennenen.
Weitere Informationen: Wer sich über Lea Grundig informieren will, kann anhand des Wikipedia-Artikels gut in das Thema einsteigen.
Bilder: Bundesarchiv via wikimedia-commons
Lea Grundig dürfte wohl bei weitem deutlich weniger umstritten sein als Ernst Moritz Arndt.
Insofern muss ich an dieser Stelle der "Uni-ohne-Arndt" Initiative beipflichten, dass die Aussetzung dieses Preises unverhältnismäßig ist.
Sie hat sich als Kommunistin zeitlebens gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, und, da sie selbst Jüdin war, auch zwangsläufig gegen Antisemitismus ausgesprochen.
Sie wird heute in erster Linie aufgrund ihrer Leistung als Künstlerin geehrt, nicht weil sie Mitglied der KPD und später innerhalb der DDR nicht linientreue Künstler ausgeschlossen hat.
Ob sich bei diesem Verhalten mal wieder eine übliche Praxis in der (Ost-) Bundesrepublik bestätigt, dass all diejenigen, die innerhalb der DDR keine Oppositionellen waren, entwürdigt (also nicht mehr gewürdigt) werden, obwohl ihre kulturellen Leistungen es rechtfertigen würden, darf der Leser an dieser Stelle gerne selbst für sich entscheiden.
Ich habe mich mit dem Thema noch nicht näher beschäftigt. Aber wenn der Wikipedia-Artikel korrekt ist, dann ist der Terminus "innerhalb der DDR keine Oppositionellen" bei Lea Grundig eigentlich fehl am Platz – dafür war sie dann, zurückhaltend ausgedrückt, zu präsent im politischen Geschehen.
Mir ist nicht bekannt, wogegen sich Lea Grundig alles ausgesprochen hat, aber Deine diesbezügliche Formulierung finde ich ulkig: Hat sie sich wirklich nur weil sie Jüdin war gegen den Antisemitismus ausgesprochen? Oder gab es da vielleicht auch ein wenig echte Überzeugung?
Natürlich erfolgt eine Ehrung ihrer Person nicht wegen ihrer Mitgliedschaft in der KPD oder wegen des Ausschlusses nicht-linientreuer Künstler, sondern im wesentlichen aufgrund ihrer künstlerischen Leistung.
Allerdings bezieht sich der Preis der nach ihr benannten Stiftung nicht nur auf den rein künstlerischen, sondern auch auf den kunstwissenschaftlichen wie auch auf den kunstpädagogischen Aspekt einer Leistung und da ist Lea Grundig als Namensgeberin eines Preises sicherlich auch ein schönes Streitobjekt, eigentlich.
Gruß, Klaus
Du hast meinen Kommentar ein wenig falsch verstanden:
Ich habe nicht geschrieben, dass Lea Grundig Oppositionelle gewesen sei.
Es geht mir an der Stelle nur darum, dass der Preis ausgesetzt worden ist, weil Lea Grundig keine Oppositionelle, sondern fest im System der DDR integriert war.
Und der Preis wurde nicht ausgesetzt (zumindest laut Webmoritz-Artikel, OZ-Artikel und Uni-ohne-Arndt Beitrag), weil Lea Grundig eine untalentierte Künstlerin gewesen sei, wonach sich bei einer Künstlerin eine Würdigung messen sollte (ich möchte an dieser Stelle mal an den Künstler Dali erinnern, der Rassist war und heute trotzdem noch in der Kunstszene hofiert wird – eine Lea Grundig soll es nun wieder nicht?! – womit ich wieder bei unserer Gedenkkultur und dem Umgang mit unserem kulturellen und gesellschaftlichen Erbe wäre. Das aber weiter auszuführen, würde wohl zu weit gehen)
Lieber Marco Wagner, der Name einer Person die die Freiheit der Kunst nicht akzeptiert und als Mitglied der KPD/SED offenbar tatsächlich einige politisch missliebige Künstler aktiv benachteiligt hat, kann wohl kaum ernsthaft einen Preis für künstlerische Arbeiten zieren. Im Gegensatz zu Arndt, der für die Freiheit der Menschen in Deutschland, sowohl von Leibeigenschaft als auch von Frankreich, leidenschaftlich — auch unter Inkaufnahme persönlicher und beruflicher Nachteile — gekämpft hat, hat Lea Grundig offenbar die Freiheit der Kunst, und damit die Freiheit des Menschen insgesamt, einzuschränken versucht.
Unbestritten bleibt, dass sich Arndt für die Freiheit der Deutschen von Frankreich einsetzte, dass er sich öffentlich gegen Leibeigenschaft aussprach und – auch wenn er kein Demokrat war (was aber darin begründet liegt, dass er zunächst die Ideen der französischen Revolution untertsützte, sich dann aber enttäuscht von ihnen abwendete, weil die frz. Rev. in der Jakobinerdiktatur, also einer gewalttätigeren und blutigeren Gesellschaft endete, als es die Kaiserherrschaft davor und danach war) – immerhin mehr Partizipationsrechte der Deutschen einräumen wollte.
Aber auch ein Arndt hat ihm missliebige Bürger ausgeschlossen. Und das waren bei Arndt die Juden.
Bei Lea Grundig waren es nicht linientreue DDR-Bürger, die sie aus entsprechenden Stellen oder gar der DDR ausgeschlossen wissen wollte.
Insofern haben – polemisch formuliert – beide Dreck am Stecken. Nur dadurch, dass Arndts Frührassismus innerhalb der Deutschen Geschichte weitaus größere Folgen für die Deutsche Geschichte insgesamt hatte, als Lea Grundigs vergehen, ist also das Aussetzen des Preises bei gleichzeitigem Namenserhalt "EMA Universität Greifswald" mE unverhältnismäßig.
Entweder behalten beide ihre Würdigung (also Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald bleibt, und Lea Grundig Preis bleibt) oder aber beide haben zu verschwinden. Ich wäre für ersteres, weil beide trotzdem noch genug geleistet haben, dass sie eine Würdigung verdienen (ich möchte an dieser Stelle nicht weiter über EMA reden, wer wirklich bereit ist zu sehen, dass EMA viel positives geleistet hat, kann auf http://www.pro-emau.de nachlesen).
Marco, was ist denn das für eine merkwürdige Schlußfolgerung.
Ich finde es super, wenn der Lea-Grundig-Preis wieder verliehen würde. Das täte der Uni, die sonst in Sachen Namensabschaffung so herumeiert und selbst einen bekennenden Antisemiten als Hochschulmaskottchen behalten wollen, eigentlich ganz gut. Zumal Lea Grundig für progressive Grundwerte steht und auch heute noch Vorbildcharakter haben kann.
Ich stimme ret marut zu!
Auch wenn du meine Schlussfolgerung kritisierst (sie ist in der Tat merkwürdig und unschlüssig…), so gebe ich dir Recht, dass der Lea Grundig Preis wieder verliehen werden sollte.
Btw.
Man könnte ja als Ausgleich dafür, dass Arndt als "Maskottchen" verwendet wird, den Fakultäten und Instituten Namen von AntifaschistInnen verleihen. Da das Institut für Kunstwissenschaften bereits Caspar David Friedrich als Patron hat, dürfte Lea Grundig kaum irgend woanders als Patronin untergebracht werden. Allerdings könnten zB Rudolf Bahro als Patron der Philosophischen Fakultät oder Albert Einstein (er hat zwar mit der Uni HGW nichts zu tun, ist allerdings ein Wissenschaftler, an dem sich nicht nur angehende Naturwissenschaftler ein Vorbild nehmen können und sollten, auch im Politisch-Moralisch-Philosophischen Denken war er fortschrittlich, auch wenn er kein philosophisches Fach studiert hat) als Maskottchen für die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät her halten.
Kannst Du mal kurz ausführen, inwiefern Lea Grundig für progressive Grundwerte steht und einen Vorbildcharakter haben könnte? Ich habe in den bislang hier angeführten Artikeln dazu nichts gefunden.
Gruß, Klaus
Kein Problem, der Wissenslücke kann Abhilfe geschaffen werden:
Infos zu Lea Grundig sowie einige ihrer Arbeiten finden sich hier:
http://www.judentum-projekt.de/persoenlichkeiten/…
http://www.linksfraktionsachsen.de/index.php?page…
http://www.galerierose.com/Grundig_Lea/Lea_Grundi…
Lea Grundig kam aus einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie, fand dann aber ihren Weg zum Marxismus und zur proletarischen sozialistischen Bewegung. Sie wurde aktiv in der ArbeiterInnenbewegung, trat 1926 der KPD bei und wurde 1930 Mitglied der ASSO (siehe http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/kunst/assoziat… ), außerdem war sie aktiv in der Solidaritätsorganisation Rote Hilfe Deutschlands. In ihren aufrüttelnden Bildern hatte sie, ähnlich Käthe Kollwitz, das Leben und Leiden der proletarischen Klasse aufgezeigt. Nach der Machtübertragung an die Nazis 1933 beteiligte sie sich aktiv an der antifaschistischen Fluchthilfe und am antifaschistischen Widerstand. In ihren Bildern (v.a. Radierzyklen „Unterm Hakenkreuz“ und „Krieg droht“) zeigte sie die Leiden unter dem faschistischen Joch plastisch auf. 1936 wurde sie erstmals von der Gestapo verhaftet (wg. illegaler politischer Arbeit), 1938 erneute Verhaftung (diesmal wegen "Hochverrats"). 1939 wurde sie aus der Haft entlassen und anschließend deportiert. 1940 kam sie nach Palästina, wo sie 1941 in die KP Palästina eintrat. Seit 1949 wieder in Deutschland (Dresden) politisch und künstlerisch aktiv und am Aufbau einer sozialistischen und antifaschistischen Gesellschaft beteiligt.
PS: Dass nun der SDS und die Linkspartei als Nachfolgepartei der SED ihre Schäfchen behüten will, ist ja rührend. Das ändert aber nichts an der menschenfeindlichen Ideologie, die diese vertritt, und unter der zahlreiche Künstler und Sportler in der DDR leiden mussten.
PS: Antifaschismus schön und gut, aber dass dies nicht vor Torheit schützt kann man ja hier gut sehen.
Genau das könnte man über Arndt sagen:
Nationale Einheit schön und gut, aber dass dies nicht vor Torheit schützt, kann man ja gut am "Volkshass", "Geist der Zeit" und "Blick aus der Zeit auf die Zeit" sehen.
Worauf ich damit grundsätzlich hinweisen will, ist das Problem der Erinnerungskultur. Also wem gedenken wir wie und warum? Und warum ist ein Gedenken gerechtfertigt?
Insgesamt halte ich ein Gedenken beider für gerechtfertigt, wobei uns EMA neben dem Gedenken (Katechismus für den teutschen Soldaten, Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern, Über die Deutsche Leibeigenschaft, Gedichte, Märchen, Reiseberichte, Beherzigungen vor dem Wiener Kongress, Über die Teutschen Forste und Wälder, Erziehung des Fürstengeschlechts…) aufgrund erwähnter Schriften (Volkshass, Geist der Zeit, Blick aus der Zeit auf die Zeit) auch zum Mahnen aufrufen sollte.
Das ist letztlich eine moralische Frage Marco. Da kann und darf man am Ende natürlich zu unterschiedlichen Auffassungen kommen. Meiner Meinungen nach können Märchen, ein paar Kirchenlieder und eine Schrift über Leibeigenschaft, in einem Landstrich wo dies eh aufgelößt werden sollte, nicht Rassismus, völkischen Nationalismus und Antisemitismus ausgleichen.
Aber wie gesagt – da kann natürlich jeder am Ende zu einem anderen moralischem Ergebnis kommen – je nach persönlichen Präferenzen … Ich freue mich schon mal, dass wir uns in der Sachbewertung einig sind 🙂
Deinem letzten Absatz würde ich mich anschließen, das Fazit allerdings begreife ich wohl richtig als rhetorische Frage. Man hätte den Preis ohne eine Recherche und einen ordentlichen Wissensstand zu Lea Grundig gar nicht erst einfrieren dürfen.
Gruß, Klaus
Wir beide gehen an dieser Stelle bezüglich des Gedenkens auch unterschiedlich heran.
Für dich muss ein Namenspatron einer Uni Vorbildfunktion von Studenten übernehmen.
Unter diesem Gesichtspunkt fällt es durchaus schwer Arndt als Vorbild zu nehmen, weil sein Rassismus ein ziemlich großer Makel ist (ich ihn aber nicht für den Kern seines Wirkens halte).
Für mich muss ein Namenspatron einer Uni nicht unbedingt eine Vorbildfunktion übernehmen. Er kann durchaus auch Gedenkfunktionen erfüllen. Und im Fall Arndt sowohl Gedenk- und Mahnfunktion für die Deutschen und ihre Geschichte (die Gründe habe ich ja oben erwähnt) und kann darüber hinaus auch international wirken.
Da wir beide Arndt aus unterschiedlichen Blickwinkeln bzw. von einem anderen Grundverständnis über den Sinn oder "Unsinn" eines Patrons, betrachten, kommen wir auch zu diesen gegensätzlichen Ergebnissen bzw. moralischen Werturteilen.
Btw. Mich interessiert besonders die Schrift von Hanna Arendt, in der sie EMA mehr oder weniger von der Geschichte "frei spricht". (Ich glaube da geht es dir als vehemmenter "Uni-ohne-Arndt" Kämpfer genau so ;))
Deinen beiden letzten Absätzen kann ich ebenfalls nur zustimmen. Bezüglich der Themen Arndt und Grundig wird mE eindeutig mit zweierlei Maß gemessen.
Die Schrift trägt den Namen "Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft". Die Stellen über Arndt auf die gestern Bezug genommen wurde finden sich auf den Seiten 240 rum und aufwärts.
Danke!
Der Unterschied liegt meiner Meinung nach auch darin, dass Grundig sich mit der Benachteiligung politisch mißliebiger Künstler zu einem Teil des unmenschlichem SED/DDR-Systems machte, während Arndt durch seine eigene politische und publizistische Tätigkeit höchstselbst persönliche und berufliche Nachteile erlitt (Berufsverbot, Exil, Anfeindungen, etc.) und somit auch zu den politischen Opfern seiner Zeit gehörte, während Grundig, sofern dies denn historisch auch belegbar ist, durch ihre Funktion zu einem Bestandteil eines undemokratischen Repressionssystems wurde.
Klar, als Jüdin und Kommunistin war Lea Grundig ja weder in der Weimarer Republik noch im NS-Faschismus Nachteilen ausgesetzt, Du bist mir ja ein Witzbold. … Stichwort: "Berufsverbot, Exil, Anfeindungen, etc."
Billiges DDR-Bashing ("unmenschlichem SED/DDR-Systems") und subtiler Antikommunismus ersetzen weiterhin keine Argumente, H.B.
Es ist beschämend, daß die Universität Greifswald sich vor einen Ernst Moritz Arndt stellt (und dabei die merkwürdigsten Verrenkungen vornimmt, siehe offizieller Text auf der Uni-Homepage), sich andererseits von dieser aufrechten Kommunist und Antifaschistin distanziert.
Mehr Infos zu Lea Grundig sowie einige ihrer Arbeiten finden sich hier:
http://www.judentum-projekt.de/persoenlichkeiten/…
http://www.linksfraktionsachsen.de/index.php?page…
http://www.galerierose.com/Grundig_Lea/Lea_Grundi…
Die Repressionen die Arndt erlitt, schlug ihm aufgrund seiner ausgeprägten Xenophobie und seinem Antisemitismus entgegen. Dies beweist v.a., dass Arndts Ansichten nicht dem Geist der Zeit entsprachen, sondern er als völkischer Volksverhetzer zu sehen ist.
Desweiteren wirft dies auch ein anderes Licht auf seine weiteren Tätigkeiten, wie seine Märchensammelei, seine Kirchenlieder und die meist geistlose Natur- und Heimatlyrik,
Um mal eine Parallele zu heutigen Ewiggestrigen zu ziehen: Neonazis sammeln auch gern Wehrmachtsdevotionalien und NS-Literatur, schreiben schwülstige Liedertexte und versuchen sich in Heimatgedichten. Sollen wir in 200 Jahren vielleicht Frank Rennicke dafür mit der Benennung öffentlicher Einrichtungen ehren?
Arndt ist ein hasserfüllter Reaktionär und sein ganzes Schaffen ist durch sein völkisches Denken motiviert.
Dafür gehört man öffentlich angeprangert und nicht verehrt.
Daher kann es nur heissen:
FREE YOUR MIND – ARNDT AUF DEM MÜLLHAUFEN DER GESCHICHTE ENTSORGEN !
Der Arndt-Rennicke-Vergleich ist gar nicht mal so abwegig.
In der Zeitschrift "Ossietzky" erschien gerade auch ein Artikel zu den Vorgängen in Greifswald: "Wird Lea Grundig ausradiert?"
http://www.sopos.org/aufsaetze/4ac0b8d4093a6/1.ph…
Der ist aber etwas älter…
Herbst 2009 würde ich nicht unbedingt als "etwas älter" bezeichnen. Ich gebe zu, eine zeitliche Angabe wie "gerade" ist ein bißchen subjektiv, insbesondere in web 2.0-Zeiten.
Auf der SDS-Seite steht es seit dem 6. September:
http://greifswald.linke-sds.org/spip.php?article3…
😉
Nur, weil sich jemand „Antifaschist“ nennt, ist er noch lange kein Demokrat.
Die KPD der späten zwanziger Jahre hat auch „gegen Nazis“ gekämpft – aber nur, um selbst die Republik zu zerstören und eine stalinistische Diktatur nach Sowjet-Vorbild zu errichten.
… genau deshalb hat SPD-Minister Noske auch Rosa Luxemburg ermorden lassen.
Ich will ja nicht an Deinen Mythen rütteln, aber sie Republik haben nicht die KommunistInnen, sondern die bürgerlichen Parteien zerstört, als sie zusammen mit den Nazis im März 1933 das Ermächtigungsgesetz im Reichstag verabschiedeten, wodurch alle Funktionen des Reichstages auf den "Führer" übergingen.
Es waren vor allem Linke, die im November 1918 Republik und Demokratie erkämpften, es waren ebenfalls Linke, die die Weimarer Republik bis 1933 gegen die Reaktion verteidigten und ab 1933 dann in der Illegalität, in Knast und KZ Widerstand gegen den Faschismus leisteten.
Ernst Thälmann, der als kommunistischer Kandidat gegen Hitler und Hindenburg für das Amt des Reichspräsidenten 1932 antrat, hatte schon damals öffentlich erklärt: "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler! Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!"
Wobei zu beachten bleibt, dass die KPD innerhalb der Weimarer Republik durchaus eine ambivalente Rolle spielte:
Auf der einen Seite als Verteidiger gegen die Reaktion.
Auf der anderen Seite als Schwächungsfaktor der Weimarer Republik, da sie durchaus bemüht war, ihr Ziel, die sozialistische Räterepublik (@EMAU-Absolvent: keine Sowjetdiktatur, zumindest war das nicht fest verankert innerhalb der KommunistInnen) bzw. Sozialismus generell zu errichten.
So wurden zum Beispiel von KommunistInnen die bewaffneten Kämpfe nach der Niederschlagung der Kapp-Putschisten im März 1921 in Mitteldeutschland, besonders in und um Halle/ Saale fortgesetzt, mit dem Ziel, dadurch das demokratische System der WR zum Umsturz zu bringen und ein sozialistisches System zu errichten. Sozusagen eine Fortsetzung der 1918/19 in Angriff genommenen sozialistischen Revolution in Deutschland.
http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4rzk%C3%A4mpfe…
Ja eben Räterepublik, darauf liegt die Betonung und wer will denn etwas gegen eine Räterepublik sagen, da Räte bekanntlich austauschbar und an die Entscheidungen des Volkes gebunden sind, kommt diese doch unserem heutigen Verständnis von Demokratie viel näher als die parteipolitische Volksverarschung der Jetztzeit.
Konsequenz der Waffenabgabe nach dem mitteldeutschen Aufstand und nach dem Kapp-Lüttwitz-Putsch, wo es die Rote Ruhr Armee war, die die Putschisten im Ruhrgebiet umgehend ausgeschaltet hatte, war jeweils, daß Reichwehr bzw. SchuPo in die entsprechenden Gebiete eindrangen und ArbeiterInnen kurzerhand standrechtlich erschossen. Die reaktionär-monarchistische Justiz der Weimarer Republik tat ihr übriges, wegen dieser Abwehrkämpfe ArbeiterInnen für Jahre ins Gefängnis (Zuchthaus oder Kerkerhaft) zu werfen. Die Putschisten übrigens kamen, wenn überhaupt belangt, für 1-2 Jahre in Festungshaft (also eine Art Hausarrest mit allen Vergünstigungen). Es waren übrigens nicht nur ArbeiterInnen der KPD und der KAPD, die die Rote Ruhr Armee bildeten, sondern auch SozialdemokratInnen, AnarchosyndikalistInnen, GewerkschafterInnen und auch viele parteilose ArbeiterInnen.
Es handelte sich bei all diesen Aktionen objektiv um Abwehrkämpfe gegen die Reaktion und rechtsextreme Putschisten.
So "ambivalent" ist die Rolle der KPD eigentlich gar nicht. Die KPD war für den progressiven Übergang von der bürgerlichen zur sozialistischen Republik, keineswegs aber (wie beispielsweise die reaktionären, antidemokratischen Biedermänner und Brandstifter aus DNVPund NSDAP) für einen Rollback hinter die Errungenschaften der Weimarer Republik. Es ging um die Erweiterung der Demokratie auch auf den sozialen Bereich, also die Sozialisation des Privateigentums an Produktionsmitteln v.a. der Großindustrie und Banken. Die beiden letzteren waren es, die Deutschland 1914 in einen fürchterlichen Angriffskrieg geführt hatten und dies auch – Hand in Hand mit den Nazis – 1939 erneut wiederholten. Beide Male konnte dieser deutsche Versuch, per Militär eine wirtschaftliche Hegemonie in der Welt zu erringen, unter enormen Kräfteaufwand glücklicherweise verhindert werden.
Was ich damit sagen will:
In dem selben Maße, wie die KPD die WR gegen die Reaktionäre verteidigt hat, hat sie sie dennoch nicht gestärkt, da sie den Widerstand gegen die Reaktion nicht selten zum Anlass nahm, ihre eigenen Ziele durch -ich nenn es mal- bewaffnete Klassenkämpfe fortzusetzen.
Genau so wie durch sie die WR gestärkt wurde, genau so wurde sie auch geschwächt.
Insofern kann man die KPD immerhin nicht generell als Schwächungsfaktor der WR ansehen, wie es EMAU-Absolvent tat.
Die ganze Diskussion ist absolut indiskutabel, so lange die Universität die Nazi-Gelder der Kruppstiftung gerne nimmt, das Krupp-Kollege nicht geschlossen wird und der Nazi-Magnat Beitz von der Greifswalder Prominenz hofiert wird, ist jeglicher Bezug auf Moral und Anstand unglaubwürdig und entlarvt sich selbst als politische Diskussionen, um bestimmte Denkrichtungen mundtot zu machen.
nur weil Verbrechen in Stralsund vorkommen, sollte man nicht gegen Verbrechen in Greifswald vorgehen? Macht für mich kein Sinn…
Ich versehe Deine Bedenken durchaus. Aber das muss man Schritt für Schritt durchdiskutieren… Ich stimme Dir nicht in allen Punkten zu…
Die Künstler waren in das DDR-Regime sicher involviert, jedoch waren sie auch der progressivste Teil wie sich spätestens am 4.11.89 in Berlin zeigte.
Ich will damit nicht die Regimewillkür der DDR mit vielleicht 1.000 Toten verharmlosen, aber diese Statististik erscheint harmlos gegenüber den 50 Millionen Toten, die in Folge des Reichsermächtigungsgesetzes ihr Leben lassen mussten.
Ähm…ich weiß nicht wo du die 50 Millionen hernimmst, die in Folge des Reichsermächtigungsgesetztes ihr Leben gelassen haben sollen. Das ist einfach gesagt, reiner Schwachsinn.
Da macht Sebastians Ansatz schon mehr Sinn.
"So "ambivalent" ist die Rolle der KPD eigentlich gar nicht. Die KPD war für den progressiven Übergang von der bürgerlichen zur sozialistischen Republik…"
Ich mag mich jetzt irren, aber der Weg der KPD, durch den sie eine sozialistische Republik errichten wollte, war doch ein revolutionärer (also m.H. einer Revolution/ Umsturz der alten, bürgerlichen Klassengesellschaft sollte die sozialistische Republik errichtet werden), wohingegen die SPD durch Reformen innerhalb des bestehenden bürgerlich-demokratischen Systems dieses zum sozialistisch-demokratischen System wandeln wollte (darin unterschieden sich ja beide Parteien erheblich voneinander).
Ist es dann nicht doch eher so, dass die KPD langfristig den Sturz der bürgerlich-demokratischen Klassengesellschaft mit Hilfe einer Revolution, in dessen Folge es zu einer sofortigen Enteignung des Großkapitals usw. gekommen – und damit die Weimarer Republik von ihrer Grundstruktur an sich verschwunden wäre?
Und trifft deine Formulierung "Übergang… zur sozialistischen Republik" nicht viel eher auf die Grundideen der SPD zu?
"Ist es dann nicht doch eher so, dass die KPD langfristig den Sturz der bürgerlich-demokratischen Klassengesellschaft mit Hilfe einer Revolution, in dessen Folge es zu einer sofortigen Enteignung des Großkapitals usw. gekommen – und damit die Weimarer Republik von ihrer Grundstruktur an sich verschwunden wäre?"
Klar ging es um den Sturz der bürgerlichen Klassenherrschaft. Daß das ohne eine Revolution (also die Enteignung des Großkapitals und die Vergesellschaftung privater Produktionsmittel) nicht geht, ist doch selbstverständlich. Ohne Revolution wäre 1918 übrigens auch nicht der monarchistische Obrigkeitsstaat beseitigt und eine demokratische Republik erkämpft worden. Der Kampf der KPD ging also darum, die abgebrochene Revolution von 1918 fortzuführen und aus der Weimarer Republik eine Räterepublik zu machen.
"Und trifft deine Formulierung "Übergang… zur sozialistischen Republik" nicht viel eher auf die Grundideen der SPD zu?"
Die SPD als proletarische Klassenpartei hatte (übrigens bis 1959!) noch das Ziel einer sozialistischen Republik im Programm. Leider hat die SPD-Spitze sich in der Weimarer Republik immer wieder auf die Seite der bewaffneten Reaktion gestellt (z.B. Ermordung von Luxemburg/Liebknecht 1919, Freibrief für Reichswehr nach dem gescheiterten Kapp-Lüttwitz-Putsch, Berliner Blutmai 1929, Hindenburgwahl 1932), statt die Aktionseinheit der ArbeiterInnenparteien zu forcieren (was die SPD-Linke anstrebte, was z.B. bei der Volksabstimmung zur Fürstenenteignung gelang). – Der Faschismus hätte realistischerweise nur durch eine Aktionseinheit der Organisationen der ArbeiterInnenklasse verhindert werden können – die bürgerlichen Parteien haben ja 1933 deutlich gezeigt, daß von ihnen kein Widerstand gegen die Nazis zu erwarten war. Leider haben SPD, aber immer wieder auch die KPD (mit ihrer absurden "Sozialfaschismusthese") nicht konsequent und dauerhaft auf eine Aktionseinheit hingearbeitet.
Lea Grundig hat als ASSO-Mitglied ja u.a. für diese proletarische Aktionseinheit gearbeitet, u.a. durch ihre graphischen Arbeiten für die Rote Hilfe Deutschlands (RHD) oder die Internationale Arbeiterhilfe (IAH), wo ja nicht nur Mitglieder der KPD, sondern v.a. auch parteilose, aber auch sozialdemokratische und christliche ArbeiterInnen organisiert waren.
Die "antifa" (bundesweite Zeitschrift der VVN-BdA) hat in ihrer aktuellen Ausgabe auch einen Text zu Lea Grundig und den Greifswalder Vorgängen veröffentlicht:
http://antifa.vvn-bda.de/200911/3001.php
Auch 2008 gab es schon einen sehr informativen Beitrag zu Hans und Lea Grundig in der "antifa":
http://www.antifa.vvn-bda.de/200801/3001.php
Ich denke, die beiden Artikel bereichern die Debatte um das Leben und Werk Lea Grundigs.
Die "antifa" (bundesweite Zeitschrift der VVN-BdA) hat in ihrer aktuellen Ausgabe auch einen Text zu Lea Grundig und den Greifswalder Vorgängen veröffentlicht:
http://antifa.vvn-bda.de/200911/3001.php
Auch 2008 gab es schon einen sehr informativen Beitrag zu Hans und Lea Grundig in der "antifa":
http://www.antifa.vvn-bda.de/200801/3001.php
Ich denke, die beiden Artikel bereichern die Debatte um das Leben und Werk Lea Grundigs.
…womit sie Mitglied einer Widerstandsorganisation gegen den Faschismus war (inwiefern die IAH auch im Widerstand gegen das NS-Regime involviert war, weiß ich nicht, deshalb beziehe ich mich hier nur auf die RHD) und demzufolge eine Ehrung verdient (btw. auch Kunst kann Widerstand sein – leider kenne ich Lea Grundigs Werk nicht, sodass ich nicht einschätzen kann, inwiefern das auf sie zutrifft).
Unter den Links, die ich hier gepostet habe, findest Du auch einige Bilder und Zeichnungen von Lea und Hans Grundig.
Ich habe mir aufgrund der Debatte gerade auch ein paar Bildbände von Hans und Lea Grundig im Internet bestellt.
Ich hab noch eine schöne Seite gefunden mit vielen Grafiken Lea Grundigs:
http://www.galerierose.com/Grundig_Lea/Lea_Grundi…
Ja, auch die IAH war stark im Widerstand gegen den Faschismus organisiert. Willi Münzenberg (Vorsitzender der IAH) z.B. organisierte im Exil sehr gute und sehr professionelle antifaschistische Bündnisarbeit weit in bürgerliche Kreise hinein.
Im Dezemberheft des moritz erschien der Artikel "Kunst oder Klassenkampf?", welcher sich mit der Thematik beschäftigte. Das aktuelle Heft ist im Druck und somit können wir leider nicht mehr diesen uns per E-Mail zugegangenen Leserbrief veröffentlichen. Von Prof. Ulrich Puritz, Lehrstuhlinhaber am Caspar-David-Friedrich-Institut somit an dieser Stelle:
„Kunst oder Klassenkampf?“
Ein Nachtrag zum Artikel von Luisa Pischtschan im Dezember-Moritz
Die Frage steht klipp und klar. Nur die Antwort ist Wischiwaschi. Sie hätte ebenso klar ausfallen müssen: Klassenkampf! Natürlich. Was sonst war der „sozialistische Realismus“? Die KPdSU Stalins hatte ihn 1932 beschlossen und den Bruderparteien durchgereicht. Walter Ulbricht – auf dem Moritz-Foto neben Lea Grundig gut zu erkennen – hatte ihn im Gepäck, als er 1945 in kommunistischer Mission aus Moskau zurückkehrte. Sein Ziel und jenes der späteren DDR-Staatsführung war erklärtermaßen eine „Diktatur des Proletariats“. Hans und Lea Grundig waren nicht „Mitläufer“, sondern agierten sehr überzeugt in „vorderster Front“. Lea Grundig war bis zuletzt – neben anderen Funktionen – ZK-Mitglied der SED. Ein Blick in ihre Bücher zeigt: das war sie mit „Leib und Seele“. Der „sozialistische Realismus“ – weder war er sozial und erst recht nicht realistisch – diente als Keule gegen alle, die anderer Meinung waren.
Man muss nicht namentliche Opferlisten führen, um sagen zu können, dass alle Künstler, die Kunst selbst und alle Nichtkünstler Opfer waren. Die Künstler hatten die Faust im Nacken und die Stasi vor der Tür. Die Kunst wurde im Staatsauftrag und unter staatlicher Kontrolle zum Werbeträger und zur Gehirnwaschanlage. Alle Nichtkünstler wurden hinsichtlich der Möglichkeiten und Aufgaben von Kunst für dumm verkauft. Manche von ihnen sind bis heute dumm geblieben.
Der Moritz-Artikel täuscht darüber hinweg, dass Lea Grundig – Hans Grundig war bereits 1958 verstorben – als besonders engagierte parteipolitische Statthalterin im DDR-Kulturbetrieb fungierte, welcher unter dem Deckmantel eines fernen und abstrakt Humanen – dem „Sozialismus“ in SED-Ausführung – eine ganz und gar inhumane Realität installieren, unterhalten und durchsetzen half – einschließlich Mauerbau, Todesstreifen und Selbstschussanlagen.
Was hat ein Kunstinstitut, dass für eine freie, individuelle, eigenverantwortliche und kritische Kunst einsteht, mit einer geerbten Preisgeberin zu schaffen, die Zeit ihres Lebens gerade dieser Kunst mit allen Mitteln den (Klassen-)Kampf ansagte?
Wer über das Problemfeld Genaueres erfahren möchte, um vielleicht einer schleichenden Amnesie entgegenzuwirken, kann im beigefügten Heft zu Hans und Lea Grundig nachlesen (Ulrich Puritz: Hans und Lea Grundig: DDR-Staatskunst heute… C/O Friedrich, Greifswald 2010). Es wird in Kürze am Caspar-David-Friedrich-Institut zu erwerben oder kostenlos aus dem Internet unter http://www.cdfi.de herunterzuladen sein.
Soviel antikommunistischen Unsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört ("Gehirnwaschanlage", "dass alle Künstler, die Kunst selbst und alle Nichtkünstler Opfer waren" …) Kein Wunder, daß bei solch einem Lehrstuhlinhaber der Hans-und-Lea-Grundig-Preis für Studierende und AbsolventInnen nicht mehr vergeben wird.
Herrn Puritz sei bei Gelegenheit die Lektüre der Autobiographien von Lea und Hans Grundig anempfohlen. Darin übrigens auch klare Positionen der beiden, was sie unter realistischer Kunst, widerständiger Kunst verstehen. Vielleicht hätte er sich auch einfach vorab ein wenig informieren können, daß realistische (als Gegensatz zur abstrakten) sozialistische Kunst nicht erst 1932 vom Baum fiel (oder von Stalin "1932 beschlossen und den Bruderparteien durchgereicht" wurde), sondern seit Ende des schrecklichen 1. Weltkriegs in der Weimarer Republik eine gewisse Tradition besitzt, zu nennen wären hier Käthe Kollwitz, Heinrich Vogeler, Otto Dix, George Grosz, Helen Ernst. Der Realismus in der sozialistischen, proletarischen Kunst ist nicht, wie Puritz suggeriert, "von oben" dekretiert worden [eine – mit Verlaub – absurde Denke!], sondern hat sich aus der lebendigen Praxis der proletarischen Kunstproduktion der 1920er Jahre entwickelt, um mittels dieser Kunstform die Lage der arbeitenden Klasse in ihrem Leid, aber v.a. auch in ihrem Kampf gegen die bürgerliche Ausbeutung mit einer entsprechenden realistischen Eindringlichkeit darzustellen. Ziel sollte sein, die arbeitende Klasse in der bildenden Kunst in den Fokus zu rücken und damit dem arbeitenden Volk seine Geschichtsmächtigkeit aufzuzeigen.
Daß sozialistischer Realismus genausowenig wie Renaissancekunst, Impressionismus, Expressionismus, etc. etwas über den künstlerischen Wert jedes einzelnen Werkes aussagt (sprich: wie überall viel Schrott darunter ist), sondern lediglich ein Oberbegriff für eine jeweilige Stilrichtung ist, muß Herrn Puritz eigentlich nicht explizit gesagt werden. Warum er dennoch derart krude Vergleiche zieht, deutet darauf hin, daß es ihm weniger um künstlerische Auseinandersetzung geht, als vielmehr um eine Generalabrechnung mit der DDR und sozialistischen KünstlerInnen im allgemeinen.
Bei Leserbriefen wie dem von Herrn Puritz schüttelt's einem schon, was mag in solchen (akademischen!) Köpfen sonst noch so vor sich gehen??!
PS: Meines WIssens ist noch dieses Jahr eine Ausstellung zu Lea Grundig und ihren Werken in der hiesigen Unibibliothek geplant. Nicht nur in Anbetracht der "damnatio memoriae", wie sie das CDFI gegenüber einer Antifaschistin und sozial engagierten Künstlerin seit 1996 betreibt, ist solch eine Ausstellung an der Greifswalder Universität sehr zu begrüßen.
"Soviel antikommunistischen Unsinn ….
Ich denke beide Seiten verkürzen hier, man sollte wohl zwischen der frühen Lea Grundig und der späten Lea Grundig unterscheiden. Ähnlich der Arndt-Diskussion gibt es Licht- und Schattenseiten.
In der Tat war Lea Grundig Mitglied der KPD-nahen Künstlervereinigung "Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands " (ASSO), zu der das deutsche historische Museum schreibt:
Man kann ihr als Gründungsmitglied also sehr wohl anfänglich eine gewisse Distanz zum stalinistischen System unterstellen, das Weglassen dieser Betrachtung ist in der Tat antikommunistisch.
Die Nähe zu Walter Ulbricht nach 1945 zeugt aber auch davon, dass sie diese Distanz wohl auch aus den persönlichen Erfahrungen während der Nazidiktatur aufgab, denn dass Ulbricht den Aufbau eines Systems nach sowjetischen Vorbild im Aktenkoffer mit aus der UdSSR brachte dürfte doch wohl unbestritten sein.
Bereits im Gründungsjahr der DDR 1949 erhielt sie eine Professur und ab 1964 war sie Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler und Mitglied des Zentralkommitees der SED, solche Karriere war ohne eine systemtragende Positionierung wohl kaum möglich und dies hat nichts mit Antikommunismus zu tun oder willst du ernsthaft behaupten, dass die DDR oder die UdSSR kommunistisch waren?
Es gab ja in der Arndt-Debatte den Gedanken zu einem Kompromissvorschlag zu kommen, warum nicht auch hier? Wenn das Institut der Meinung ist, die Vergabe wäre nicht tragbar, warum löst man die Stiftung nicht aus dem Institut heraus und übergibt sie in freie Trägerschaft? Eine Umbennung halte ich übrigens für untragbar, denn im Gegensatz zu Arndt hat sie ja wirklich was für die Existenz der Stiftung geleistet.
"oder willst du ernsthaft behaupten, dass die DDR oder die UdSSR kommunistisch waren" – Die DDR war vom Selbstverständnis her ein sozialistischer Staat, in dem das Proletariat und die Klasse der Bauern die Macht innehatten. Kommunismus kann per definitionem erst entstehen, wenn die Klassengegensätze sich allmählich in der proletarischen Klassenherrschaft (also die erstmalige ökonomische wie politische Herrschaft der Mehrheit der Bevölkerung!) auflösen – ein Prozeß, der offenbar relativ lang sein wird. – Aber: Geht es jetzt um Lea Grundig oder um die DDR? Bei Herrn Puritz geht es wohl eher um letzteres, nicht um Lea Grundigs künstlerisches und gesellschaftliches Wirken.
Zugespitzt gefragt: Wird jede/r politisch engagierte/r Künstler/in, die/der sich für ein antifaschistisches und sozialistisches Deutschland einsetzt und sich in den Künstlerverbänden sowie marxistischen Parteistrukturen einbringt, jetzt automatisch zum allgemeinen Abschuß freigegeben? Gilt das auch für marxistische Kulturschaffende wie z.B. Bertolt Brecht, Johannes R. Becher, Anna Seghers, Helene Weigel, John Haertfield, Ernst Busch, Willi Bredel, Peter Hacks, Christa Wolf?
Wenn Lea Grundig irgendein Vergehen posthum vorgeworfen wird, dann soll das bitte auch klar bezeichnet und belegt werden. Das CDFI et al. haben hier stets nur mit Geschichten vom Hörensagen operiert. Was da betrieben wird ist posthumer Rufmord an einer Person.
Die Mitgliedschaft im Verband der Bildenden Künstler oder im Zentralkomitee der SED können ja wohl kaum als Begründung für eine solche Damnatio herhalten – es sei denn hier wird in der Tat lediglich platter Antikommunismus vor sich hergetragen und das Eintreten für die (auch von der BRD staatsrechtlich anerkannte) DDR per se als "geistiger Hochverrat" gebrandmarkt.
Oh ja das erinnert mich an eine Rede von Inge Viet, die ich kürzlich las, ihr fehlt auch jegliche Distanz zur DDR. Ich für meinen unbedeutenden Teil kann sehr wohl zwischen Kommunismus und Stalinismus unterscheiden, deshalb bin ich auch der Meinung, dass das Schönreden des Bolschewismus den Kommunismus in Dreck zieht. Ich habe Lea Grundig auch überhaupt nicht vorgeworfen, dass sie Mitglied war, sondern dass sie Präsidentin war, das waren nämlich die von dir aufgezählten nicht, sondern:
# Otto Nagel (1950–1952)
# Fritz Dähn (1952–1954)
# Otto Nagel (1955–1956)
# Willi Wolfgramm (1956–1959)
# Walter Arnold (1959–1964)
# Lea Grundig (1964–1970)
# Gerhard Bondzin (1970–1974)
# Willi Sitte (1974–1988)
# Clauss Dietel (1988–1990)
Ob übrigens bei Puritz Marxismusfeindlichkeit vorhanden ist, entzieht sich meiner Kenntnis und wäre pure Spekulation, aber bei mir ist Bolschewismusfeindlichkeit vorhanden und wer eine führende Funktion in dem System bekleidete, kann sich deshalb bei mir auch nicht aus der Verantwortung stehlen.
Eine Diskussion über marxistische Strömungen und die kommunistische Weltbewegung erspar ich uns, wäre auch off topic.
Zu Lea Grundig: Warum sollte sich eine bekennende Marxistin, international anerkannte Malerin und Antifaschistin in der DDR nicht in der SED (also dem Zusammenschluß von KPD und SPD) organisieren und dort z.B. leitende Funktionen übernehmen? Hätte sie vielleicht lieber rüber in die West-CDU gehen sollen zu den alten Nazi-Schergen um Globke, Kiesinger, Carstens und Strauß??! 😉
Die Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung (z.B. Präsidentschaft des KünstlerInnenverbandes) in einem sozialistischen Staat soll jetzt schon "ausreichen", um eine Person abzuurteilen?
Warum wird denn von den KritikerInnen nicht einfach mal konkret belegt, ob und wie Dritte durch sie in ihren Rechten eingeschränkt worden sein sollen. Das ließe sich dann überprüfen und entsprechend (im historischen Kontext) bewerten. Genau an dem Punkt aber werden von denjenigen, die hier an der Uni Rufmord betreiben und den Stiftungspreis seit 1996 einfrieren keinerlei Belege angeführt.
Umso begrüßenswerter, daß jetzt eine Ausstellung zu Lea Grundigs Leben und Wirken nach Greifswald geholt werden soll.
Ich will mich nicht "für" Lea Grundig aussprechen, da ich bisher nichts über sie weiß.
Aber es wäre schon lustig, wenn die Uni den Namen einer jüdischen Stiftung wegen "möglicher" Probleme bzw. "vermuteten" Fehlverhaltens ablegt, während sie den Namen des nachweisbar (siehe Bücher) antisemitischen Ernst Moritz Arndts beibehält !!
Es ist in der Tat gewissermaßen begrüßenswert, dass eine Ausstellung mit künstlerischen Arbeiten von Lea Grundig gezeigt wird, denn letzendlich reden wir über den heißen Brei, ohne ihn zu kosten …und jeder könnte die Arbeiten auf sich wirken lassen, wie "Der Sozialismus siegt" …
Nicht zu vergessen ist dabei, dass, in einem totalitären System, was die pseudo-sozialistische Republik DDR war, die Übernahme "gesellschaftlicher Verantwortung" gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Unverantwortung, Ausübung von Kontrolle und Repression gegenüber Kritikern und Kritik ist…das reicht…
unbestritten bleibt dabei, Lea Grundig ging es um die Darstellund des Leidens durch den 2.WK und das ist anerkennenswert…
brücksichtigt werden sollte aber in punkto "Judentum", dass Lea Grundig sich von dem ortodox-jüdischen Religionsvorstellungen in ihrer Familie distanzierte und so weniger gut als "die" jüdische Künstlerin taugt und noch, dass die Hans und Lea Grundig -Stiftung eine Jüdische Stiftung wäre…!
und PS…Lea Grundig war keine Malerin!…sondern eine Grafikerin…also bitte erstmal hingucken, worum es geht…
"brücksichtigt werden sollte aber in punkto "Judentum", dass Lea Grundig sich von dem orthodox-jüdischen Religionsvorstellungen in ihrer Familie distanzierte und so weniger gut als "die" jüdische Künstlerin taugt,"
Das ist kein Argument, Hannah Ahrendt lehnte auch eine Definition über eine jüdischen Gruppenidentifikation in dem Sinne ab, dass der Weltbezug nichts mit dem persönlichen Verhältnis zu tun haben darf. Gilt sie deshalb nicht mehr als Jüdin? Haben die Nazis deshalb einen Unterschied gemacht?
Ich denke, du implizierst hier deine eigene Subjektivität als Voraussetzung.
…soviel kommunistischen Unsinn habe ich auch schon lange nicht mehr gehört…läuft hier die Aktuelle Kamera?
aber so kommen wir nicht weiter, uns am Gegenstand vorbei mit Unterstellungen und Abwertungen zu bewerfen…
Fakt ist, dass der Aspekt von Lea Grundigs politischer Tätigkeit und Funktion in dem zusammengeschraubten Artikel vom Moritz fehlten…
Unbestritten bleibt dabei und auch bei dem Artikel von Prof. Puritz, dass Lea Grundig Antifaschistin, Jüdin usw. gewesen ist und in einer anderen Zeit mit anderen Bedingungen gelebt hat. Und man kann sicherlich ein ernsthafter Kommunist sein, ohne Andersdenkende zu denunziieren – so wie auch hier leider gleich andere Positionen zerrissen werden.
Denn wir haben es hier auch mit einem Schwarzen Loch der Geschichte zu tun – verläßliche Dokumente gibt es kaum, offizielle Verlaufsdokumente sind Schönschreibungen der DDR Geschichte, selbstkritische Reflektionen wird es in Autobiografien in Bezug auf "Beweise" kaum geben.
Klar ist aber auch, dass der Künstlerverband der DDR, dem Lea Grundig 6 Jahrelang vorstand, und das Kunstverständniss – wie auch immer man es bezeichnet – welches er durchsetzte, präsentierte und selektierte, ein Machtinstrument des politischen Systems der DDR war und ein "Bild" erzeugen sollte, dass zumindest keine Kritik der Verhältnisse zuließ. Wie auch immer und mit welchen Intentionen in einer anderne Zeit – denn "nach dem 1.WK" und Mitte der 60iger Jahre sind historisch und politisch völlig verschiedene Interesselagen – der "sozialistische Realismus" entstand, er war KÜNSTLICHES künstlerisches Leitbild eines ideologischen Systems, das es als Selbsterhaltung und Selbstinszenierung benötigte. Auch ein Leitungskader wie Lea Grundig ist nicht ohne "Leistungen" im politischen System dahingekommen und kann sich von dieser Ideologie und ihrem gleichzeitigen Ausschluß andersartiger, freier oder kritischer Kunst nicht freisprechen.
In einem anderen Bereich – im Sport – und das ist mittlerweile commen sense – hat die politische Führung der DDR "systematisch" gedopt – auch am Wissen und Willen der Sportler vorbei – , um Leistungen und Erfolge der Sportler zu ermöglichen und so internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung einzuheimsen.
Die Diskussion ist dennoch wichtig – genauso wie bei Arndt – für die noch nötige geschichtliche Aufklärung zu sorgen und nicht bei einer Ver-klärung hängen zu bleiben, denn das System der DDR war ein Wolf im Schafspelz, in dem man es sich sehr gemütlich machen konnte, wenn man mitmachte, der aber ziehmlich bissig wurde – Schußanlagen, Schießbefehl, Stasiüberwachung usw. – wenn jemand nicht so wollte, wie er sollte.
Die Freiheit der Kunst ist unantastbar..und das ist gut so…und es ist im GG verankert…und das ist noch besser.
Ach nein, Herr Jabbusch hat schwarzen Humor. 😮