Nachdem sich bereits vor einer Woche die Fraktion „Die Linke“ mit den Studentenprotesten in Greifswald und anderswo solidarisiert hatte, haben nun auch die beiden größten Landtagsfraktionen, SPD und CDU, angekündigt, in eine Diskussion über die Studienbedingungen in M-V einzutreten. Zuvor war gestern ein Dringlichkeitsantrag der Linken zum Thema im Landtag abgelehnt worden. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Matthias Brodkorb, begründete das in einer Pressemitteilung damit, dass solche Anträge im Landtag nur dann gestellt würden, „wenn politische Themen auf andere Weise nicht sachgerecht erörtert werden können“. Neben weiteren parteipolitischen Schüssen in Richtung der Linken heißt es in der Meldung auch:
„Selbstverständlich nehmen wir die Studentenproteste rund um die Auswirkungen des Bologna-Prozesses ernst. Und deshalb wird die SPD-Landtagsfraktion im Bildungsausschuss eine Anhörung zur Studienqualität an unseren Hochschulen beantragen. Auf diese Weise wollen wir dem Anliegen der Studierenden fachlich gerecht werden. Es ist der richtige Weg, erst mit den Betroffenen über die bestehenden Probleme zu sprechen.“
Auch die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Landtag, Ilka Lochner-Borst, meldete sich erneut zu Wort – und klang dabei plötzlich ganz anders als noch vor einer Woche, als sie die Proteste in Greifswald abgekanzelt hatte und betont hatte: „Die Studienbedingungen in Greifswald sind hervorragend“. Jetzt ließ sie die Presse wissen, sie wolle eine „aktive Diskussion um die Verbesserung der Studienqualität in Mecklenburg-Vorpommern führen.“
Inwieweit diese Diskussion jedoch tatsächlich als nötig erachtet wird, bleibt unklar, denn Lochner-Borst scheint bereits zu wissen, wo die Probleme liegen. In ihrer Mitteilung schreibt sie: „Die Probleme rund um den Bologna-Prozess sind nicht neu. Sie liegen im Wesentlichen in den Mobilitätsfragen und der Durchlässigkeit. Die Probleme werden bereits umfassend diskutiert.“
Zur Lösung des Problems schlägt Lochner-Borst die Einrichtung einer Arbeitsgruppe nach niedersächsischem Vorbild vor:
„Wir sollten in Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess dem niedersächsischen Weg folgen. Dort soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden, in der Ministerium, Hochschulen und weitere Experten eine Fehleranalyse des bisherigen Umsetzungsprozesses erarbeiten und entsprechende Schlussfolgerungen ziehen. Dies erscheint mir ein ausgesprochen vernünftiger und lösungsorientierter Weg.“
Lochner-Borst: Kritik an Studierenden
Zum Abschluss ihrer Meldung kritisiert Lochner-Borst noch einen Teil der Studierenden:
„Was die Proteste an unseren Hochschulen im Land betrifft, so habe ich an manchen Stellen kein Verständnis. Teilweise werden mit diesen demokratische Entscheidungsprozesse innerhalb der Hochschulen, an denen Studierende beteiligt sind, in Frage gestellt. Im Übrigen ist es traurig, wenn über E-Mails an die Studierendenschaft tagelang zunächst nach protestgeeigneten Themen gefahndet wird. Protest um des Protestes wegen hilft niemanden.“
Schattschneider: Bereiten uns auf Anhörung vor
Thomas Schattschneider, Sprecher der Landeskonferenz der Studierendenschaften in Mecklenburg-Vorpommern, sieht die Bewegung bei den Parteien der Regierungskoalition dennoch positiv. Der breitere Protest und seine Wahrnehmung in den Medien zeige offensichtlich Wirkung und die Landespolitik sei nun im Zwang, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Schattschneider: „Wir werden nun die vorhandenen Probleme und Forderungen zusammentragen, sie für die politische Öffentlichkeit formulieren und sie dann vertreten.“
Schattschneider geht davon aus, dass die beantragte Anhörung in den nächsten Monaten, vermutlich noch in der Vorlesungszeit, zustande kommen wird.
Die CDU will mit sich und "Fachleuten" reden, Brodkorb zumindest auch mit "Betroffenen". Nichts gegen Gespräche, aber da sollte zumindest vorab klar sein, worüber mensch reden will, als da wären: Klares Bekenntnis gegen Studien- und Verwaltungsgebühren, Abkehr von der 2005 verabschiedeten Stellenkürzungen im Hochschulbereich (und stattdessen neue Stellen in der Lehre), wesentliche Änderungen im Bachelor-Aufbau sowie eine gesetzliche Zusicherung für alle BA-Studierenden auf einen freien Masterzugang für alle.
Warme Worte aus der Politik haben Studierende schon zu oft gehört – und passiert ist dann doch wieder nichts. Und ohne die Weiterführung der Proteste auf der Straße und in der Uni wird auch keine Verhandlungsmacht auf Seiten der Studierenden entstehen.
Volle Zustimmung. Die Abgeordneten Bordkorb und Lochner-Borst werden – wenn überhaupt – Studierende nur zur Umsetzung des Bologna-Prozesses anhören. Die Stellenkürzungen der vergangenen Jahre, die Ausweitung von Verwaltungsgebühren, fehlende BAföG-Reformen und Stipendienprogramme und mangelnde Baumaßnahmen werden sicher keinen Platz im Rahmen der Anhörung finden. Zum Zeitpunkt der Anhörung im Landtag müssen landesweite Proteste laufen, damit auch die Medien und die Öffentlichkeit entsprechenden Druck macht. Gleichzeitig müssen fundierte Forderungen auf den Tisch.
Schönes Kommentar!
"[…] die beantragte Anhörung in den nächsten Monaten, vermutlich noch in der Vorlesungszeit, zustande kommen wird."
Machst du schon wieder zeitlichen Druck? xD Na dann… Auf nach Schwerin! Oder doch lieber in Greifswald vor dem/im Hauptgebäude? Ich bin in jedem Fall dabei. Der Rektor wird sich freuen.