Am 17.Juni stimmte die Studierendenschaft auf der Vollversammlung dafür, dass ihre Universität den Namen „Ernst Moritz Arndt“ ablegt (wir berichteten). Seitdem wurde das Thema in verschiedenen Medien diskutiert.

Vielfach kritisiert wurde der Umgang der Ostseezeitung mit dem Thema. Am 23. Juni, wenige Tage nach der Vollversammlung, erschien ein Artikel in dem der eremitierte Professor Karl-Ewald Tietz den Namenspatron in Schutz nahm. Dass dieser einer der Vorsitzenden der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft ist, verschwieg man den Lesern großzügig. Diese Tatsache aber könnte Sätze wie: „Die Gesellschaft stehe für einen kritischen Umgang mit Arndt, der dabei immer „sein Fett weg bekomme“,sagt Tietz.“ in einen ganz anderen Kontext rücken.

ernst_moritz_arndtDoch auch in vielen Leserbriefen wurde der Beschluss aufgegriffen – überwiegend ablehnend. So sorgte einer der Briefe für Wirbel, in dem sich zwei Leser aus Püttelkow gegen die Namensänderung aussprechen und vor Linksextremismus in unserer Gesellschaft warnen. Der Brief wies erhebliche Ähnlichkeiten zu der Berichterstattung auf der Website „Altermedia“ auf, die der rechtsextremistischen Szene zugeordnet wird (wir berichteten). Eine Aufklärung über den Hintergrund des Autoren erschien erst einige Tage später, erneut per Leserbrief.

Gegner der Umbennenung: Vor allem drei Argumente

Doch auch viele andere Leser sprechen sich gegen die Namensumbenennung aus. Hier dominieren vor allem drei Argumente: Zum einen kritisieren viele, dass die Studierenden über den Namen der Universität abgestimmt haben, obwohl diese meist nicht mal hier gemeldet sind, geschweige denn geboren. Diese Leser sehen das Recht über eine Namensabstimmung bei den Greifswalder Bürgern, die schon Jahrzehnte in der Stadt wohnen.

Das zweite Argument ist eigentlich kein Argument, sondern ein Vergleich: Wenn Ernst Moritz Arndt verurteilt wird, warum nicht gleich auch Luther oder Goethe?

Doch das Hauptargument lautet, dass man die Aussagen Ernst Moritz Arndts im Zusammenhang der Zeit betrachten solle, und dass Aussagen wie diese damals nachvollziehbar, wenn nicht sogar normal gewesen seien. Arndt-Gegner halten dagegen und fragen, wofür Arndt stehe um würdig zu sein, einer Universität seinen Namen zu geben und verweisen darauf, dass eben gerade Fremdenhass gegen Juden und Franzosen seine Hauptwerke seien.

Nachdem die Ostseezeitung dann ein Interview mit dem Romanisten Reinhard Bach abdruckte meldeten sich viele empörte Stimmen. Bachs Argumentation sei irreführend und seine Behauptung Arndt sei kein Antisemit gewesen geradezu absurd. Professor Bach hatte im Interview Arndt gegen Antisemitismusvorwürfe verteidigt.

Bach: Arndt ist entschieden kein Antisemit. Dafür stehen ganz andere Namen im 19. Jahrhundert. Es ist aber typisch für ihn, wenn er in der Schrift „Der Rhein. Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze“ schreibt: „Verflucht aber sei die Humanität und der Kosmopolitismus, womit ihr prahlet! jener allerweltliche Judensinn, den ihr uns preist als den höchsten Gipfel menschlicher Bildung! O verzeihet mein Ungestüm, ihr Kinder Abrahams! Ihr, obgleich über die Welt zerstreuet, seid durch hartnäckige Liebe und Verteidigung des Eurigen ein ehrwürdiges Volk. Mögten wir Teutsche euch darin gleichen. so werden unsre Kosmopoliten uns nicht zerstreuen.“ Dabei muss man wissen, dass die zeitgenössische Kritik an Liberalismus und Kosmopolitismus vor allem auf die Juden zielte, denen man Geldwirtschaft und Zweckmoral anlastete. Das finden wir auch bei Marx. (Ostseezeitung 27.6.2008)

Auch in der rechtsextremistischen Szene wird das Thema mehrfach auf online-Portalen aufgegriffen. In einem Beitrag der Nationalzeitung auf dem Portal „news4press“ wird Arndt als „großer Patriot mit seinen Schriften und Liedern zur Zeit der verzweifelten Erhebung gegen die Fremdherrschaft Napoleons“ bezeichnet. Dieses vergäßen die Studierenden: „Dafür reicht’s im Kopf einfach nicht“ lautet das Fazit des Autors. Der Blog „Voice of Europe“ kritisiert, dass die in der Debatte verwendete Zitate des Schriftstellers aus dem Zusammenhang gerissen seien.

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Abstimmung auf der Vollversammlung - die große Mehrheit der Anwesenden sprach sich gegen den jetzigen Namenspatron aus.

Widerhall auch in der Blogosphäre

Und natürlich ist die Namensumbenennung auch in den lokalen Blogs ein Thema. Auch hier finden sich Gegner einer Umbenennung. Der ostsee-zeitungs-blog kritisiert beispielsweise, dass der Namenspatron, verglichen mit anderen Herausforderungen, ein eher kleineres Problem der Universität sei und wundert sich über die Aufregung.

Andere plädieren für die Umbenennung. So zum Beispiel auf dem Blog der Greifswalder Bündnisgrünen, auf dem darauf hingewiesen wird, dass diese Umbenennung gerade in Mecklenburg Vorpommern eine Rolle spielen sollte, wo immer noch gegen das ‚braune Image‘ gekämpft wird. Weiterhin fragen auch sie nach den Verdiensten, die Arndt dazu auszeichnen würden der Universität seinen Namen zu geben.

Die Studierendenschaft hat sich auf der Vollversammlung gegen den Namen Ernst Moritz Arndt ausgesprochen und auch das Studierendenparlament hat sich dazu entschieden den Namen nicht mehr zu verwenden. Die Initiative Uni ohne Arndt, die mitlerweile als Arbeitsgruppe des Studierendenparlaments organisiert ist, kämpft nun für eine Urabstimmung unter allen Studenten, die im Januar 2010 stattfinden soll.

Update 10.7., 11:30: Zwei neue Beiträge

von Gabriel Kords

Am heutigen Tag gibt es zwei neue Beiträge zur Arndt-Debatte. Im Lokalzeitung der Ostsee-Zeitung wurde heute ein Interview mit dem Greifswalder Historiker Profesor Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann veröffentlicht. Stamm-Kuhlmann hat auch an einem Informationstext über Ernst-Moritz Arndt mitgewirkt, der bereits seit Jahren auf der Uni-Homepage veröffentlicht werden soll. Das Rektorat hatte vor Kurzem verkündet, dass das nun in den nächsten Tagen auch tatäschlich passieren solle.

In dem Interview, dass derzeit auch kostenlos in der Online-Ausgabe gelesen werden kann, äußert sich Stamm-Kuhlmann relativierend zu den Fragen, ob Arndt Antisemit gewesen sei, ob er Demokrat gewesen sei und ob nun eine Umbennenung forciert werden sollte. Stamm-Kuhlmanns Fazit: „Es gibt wichtigeres.“

Außerdem haben die Arndt-Aktivisten „Uni ohne Arndt“ heute ihre neue Website freigegeben. Die Website war schon länger im Internet zu finden, der webMoritz war aber gebeten worden, auf diese zunächst noch nicht hinzuweisen.

Update 14.7., 8:00: „Pro-Arndt“-Interview in der Ostsee-Zeitung

In der heutigen Ausgabe der Greifswalder Ostsee-Zeitung ist ein weiteres Interview zum Thema erschienen. Der Kirchenhistoriker Dr. Irmfried Garbe äußert sich unter dem Titel „Pro Arndt als Uni-Patron“ (Print-Ausgabe) und bezieht klar Stellung für eine Beibehaltung des Uni-Namens. Die Ostsee-Zeitung verzichtet darauf, zu bennen, dass Garbe von Hause aus Theologe ist und am Lehrstuhl für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät arbeitet.In ihrer Online-Ausgabe nennt sie ihn lediglich ausweichend einen „Experten“.

Garbe wird unter anderem zu dem Positionen des Historikers Prof. Thomas Stamm-Kuhlmann befragt, der vorige Woche in einem Interview gesagt hatte, Arndt sei Antisemit gewesen. Garbe relativiert diese Aussage: Zum einen hätten Juden-Bilder „in Arndts stattlicher Publizistik nur eine marginale Rolle“ gespielt. Außerdem: „Dass er sich mit der staatsbürgerlichen Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung in seinen mittleren Jahren schwer tat, macht ihn nicht sympathisch, ist aber in dieser Zeit für viele christliche Intellektuelle typisch. Ihn deswegen als Antisemiten hinzustellen, überstrapaziert die greifbaren Aussagen.“ Außerdem bemerkt Garbe, Arndt habe „sich in seinem Begriff der Nation nicht gegen die Idee des Weltbürgerseins ausgesprochen.“ Desweiteren gibt er zu bedenken, Arndt habe seine Meinungen zu bestimmten Themen (konkret zur „Propagandabegleitung der Befreiungskriege“) im Laufe seines Lebens geändert.

Scharfe Kritik übt Garbe an den Aktivisten, die Initiative im Vorfeld der Vollversammlung neu angefacht haben. Auf die Frage, worauf die Forderung der Studenten beruhe, den Namen abzugelegen, antwortet er:

„Sicher bin ich mir, worauf sie nicht beruht: auf gründlicher Kenntnis seines Lebens und Werkes. Mich befremdet deshalb der Mangel an intellektueller Neugier, der sich in der Kampagne und ihrer schon länger laufenden Studentenpressebegleitung zeigt. Ich bin nicht sicher, ob die mo- ralisch aufgemachte Ent- rüstung echte Moral ist. Die Abstimmung gegen den Namen Arndts im Unititel beurteilten Studenten, die ich nach ihren persönlichen Eindrücken dazu befragte, als inszenierte Demagogie.“

Für alle OZ-Abonennten hier noch einige weiter Links:

Artikel u.a. mit Zitaten von Professor Tietz (Vorsitzender der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft)

Interwiev mit Professor Bach

Stupist und Arndt-Aktivist Peter Madjarov kritisiert das Bach-Interview

Bilder:

Ernst Moritz Arndt – Gemeingut

Vollversammlung – Luisa Wetzel

Startseite – Zeitungen – Hermann Radeloff via jugendfotos.de