Nachdem die öffentlichen Diskussionen um das Theater Vorpommern anscheinend langsam zum Erliegen kommen, hat am vergangenen Freitag einer der Höhepunkte des hiesigen Schauspielbetriebs begonnen. Die Ostseefestspiele starteten auf der Bühne am Greifswalder Museumshafen mit der Aufführung von William Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“.

Noch 17 Mal wird das Ensemble Shakespeares Komödie in diesem Sommer aufführen und man kann nur dazu raten, sich diese Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. Denn was hier gezeigt wird, ist bestes Unterhaltungstheater. Ein bisschen wie im klassischen Popcorn-Kino stellt sich zwar die Frage nach dem nachhaltigen Wert des eigenen Theaterbesuches – unterhalten wird man aber hervorragend und damit eben doch auch nachhaltig.

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In einem hinzugedichteten Prolog stimmt das Ensemble die Zuschauer auf den Abend ein.

In Shakespeares Komödie, dessen Ursprungsversion auf das Jahr 1594 datiert wird, dreht sich einmal mehr alles um die Liebe und ihre oftmals verworrenen Wege. Dabei werden besonders die Geschlechterrollen in den Mittelpunkt gerückt. In Anlehnung an klassische italienische Lustspiele spielt aber auch das menschliche Streben nach Macht und Reichtum eine Rolle.

Schlagfertigkeit und Verwechslungen

Ort der Handlung ist Padua. Lucentio (Lukas Goldbach), der zum Studieren dorthin gekommen ist, verliebt sich in Bianca (Elke Zeh). Doch hat ihr Vater Baptista (Lutz Jesse) bestimmt, dass er eine Hochzeit seiner jüngeren Tochter nicht erlauben wird, bevor seine ältere Tochter Katharina (Anja Taschenberg)geheiratet hat. Mögliche Interessenten schrecken jedoch vor ihrem Selbstbewusstsein zurück. Nur Petruchio (Grian Duesberg), der auf der Suche nach einer reichen Partie ist, will es mit ihr aufnehmen und sie „zähmen“.

Derweil versuchen zwei der Bewerber um Biancas Hand sich ihr – verkleidet als Hauslehrer – zu nähern, was im Laufe der Handlung dazu führt, dass weitere Charaktere in andere Rollen schlüpfen.

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Die Hochzeit wird für Katharina (Anja Taschenberg) zum Albtraum

Der Unterhaltungswert des Stückes fußt dabei vor allem auf den Dialogen rund um die schlagfertige und kampfeslustige Katharina und der Verwechslungskomödie, die sich um die jüngere Schwester Bianca entspinnt. Besonderer Liebling des Publikums war bei der Premiere Biondello (Eva-Maria Blumentrath)als Lucientios treuer aber auch etwas trotteliger Diener.

Spielfreude mit Ansteckungsgefahr

Wie auch in anderen Komödien des britischen Barden geht es dabei manchmal etwas zotig zu, der Unterhaltung tut dies aber keinen Abbruch. Wer allerdings die große Moral, das Kopfzerbrechen und den tiefen Sinn sucht, wird hier nicht glücklich werden. Shakespeares Frauenbild und damit auch die vertretenen Ansichten über die Hierarchie zwischen Frau und Mann sind dafür zu sehr überholt. Damit dem modernen Betrachter nicht das Lachen im Halse stecken bleibt, hat man sich in der Greifswalder Inszenierung die eine oder andere Abweichung vom Original erlaubt. Beispielsweise wurde die letzte Szene ein wenig erweitert, um zumindest anzudeuten, dass trotz der völlig untergebenen Frau, auch der Mann gewillt ist, für die Liebe etwas zu ertragen.

Die Inszenierung lebt davon, dass es bunt, fröhlich und manchmal etwas überdreht zugeht – und das sowohl im Spiel als auch bei der gut durchdachten Kulisse und den Kostümen. Genau das scheint es auch zu sein, was das Team rund um Regisseur Matthias Nagatis erreichen wollte: Spielfreude mit Ansteckungsgefahr. Dafür nimmt man sich doch auch die ein oder andere künstlerische Freiheit, die gelegentlich im ersten Moment etwas deplatziert wirkt, einen aber am Ende doch immer wieder zum Lachen bringt. So tauchen auf der Bühne beispielsweise immer wieder moderne Gegenstände als „die neuste Erfindung eines gewissen Herrn da Vinci“ auf, die sich als Running Gag durch das flott und mit viel Freude gespielte Stück ziehen. Trotz einiger Kürzungen bleibt der Text dennoch dicht am Original.

Gestützt wird der herrlich spaßige Theaterabend natürlich auch von dem Ambiente einer Open-Air-Veranstaltung. Der Standort am Museumshafen spielt ob der Tatsache, dass die von außen klobig wirkende Bühne wenig Blick nach außen gewährt, eine eher geringe Rolle. Sonnenuntergang und Sternenhimmel reichen aber völlig aus, um den Abend in bester Erinnerung zu behalten. Nur eins vermochte zum Schluss hin die Laune Einzelner zu trüben: Die eher milden Abendtemperaturen.  Also: Warme Jacken und Decken nicht vergessen! Und zur Not gönnt man sich in der Pause mal einen Glühwein außerhalb der Weihnachtszeit.

Fotos:

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Galerie – Frederike Kühnel