Mit zwei neuen Forderungen haben die Greifswalder Jusos vor einigen Wochen ihre Vorstellungen zur Kommunalwahl erweitert. Vor allem eine davon hat es in sich: In Zukunft soll die Stadt allen hier Studierenden, die ihren Erstwohnsitz in Greifswald anmelden, das Studium bezahlen. Außerdem wollen die Jusos, dass die Petershagenallee umgebaut wird.

Gebührenerstattung statt Begrüßungsgeld

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Die Stadt soll das Studium absolut gebührenfrei machen.

Dass die Jusos Studiengebühren ablehnen, ist nichts Neues. Nun aber ziehen sie auch gegen den Semesterbetrag zu Felde. Zur Erinnerung: Diese beträgt 40,50 Euro pro Semester (für Studentenwerk und Studierendenschaft), im ersten Semester kommen noch 10 Euro Einschreibegebühr hinzu. Die Idee der Jusos klingt simpel: Wer sich in Greifswald mit Erstwohnsitz meldet, was derzeit auf weniger als die Hälfte aller Studenten zutrifft, soll von der Stadt diese Gebühren erstattet bekommen. Konsequenz: Ein vollständig gebührenfreies Studium.

Die Jusos wollen mit diesem Konzept zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Zum einen wollen sie es für die Studenten attraktiver machen, ihren Erstwohnsitz nach Greifswald zu verlegen, was die meisten laut Gesetz sowieso müssten. Zum anderen wollen sie die Attraktivität von Stadt und Uni steigern, weil diese in Zukunft mit dem „gebührenfreien Studium“ werben können.

Die bisherige Regelung, dass die Stadt allen Studierenden, die ihren Erstwohnsitz in Greifswald anmelden, einmalig 150 Euro zahlt, würde zugunsten der Kostenerstattung aufgegeben. Dennoch würde es ab dem vierten Semester für die Stadt teurer. Die Jusos rechnen allerdings vor, dass jeder mit Erstwohnsitz gemeldete Student über 400 Euro pro Jahr in die Kasse spült. Selbst, wenn jährlich Uni-Gebühren von 81 Euro anfallen, machte die Stadt also ein Plus, sagen die Jusos. Und noch einen weiteren Vorteil bennen die Jusos: Wenn sich alle Studenten ummelden, haben diese insgesamt kanpp eine Million Euro mehr (81 Euro mal 12.000 Studenten = 972.000 Euro) in der Tasche, mit der sie die lokale Wirtschaft fördern können.

Wie die Erstattung genau ablaufen soll, wissen die Jusos indes noch nicht so genau. Der Vorsitzende Eric Hartmann erklärte dem webMoritz, das ganze solle so unkompliziert wie möglich laufen. Am besten begleiche die Stadt die Gebührenforderung der Uni für alle in Greifswald gemeldeten Studenten am Ende der Einschreibefrist auf einen Schlag. Hartmann verwies aber darauf, dass das ganze derzeit nur eine Idee sei, über die konkrete Umsetzung müsse man sich noch auseinandersetzen.

Eine Fahrradmagistrale, die ihren Namen verdient

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Dorn im Auge der Stadtplaner: Radfahrer warten an der Europakreuzung

Der zweite Vorschlag der Jusos beschäftigt sich mit der „Fahrradmagistrale“ von der Europakreuzung in Richtung Schönwalde/Eldena (über Beitz-Platz, Pappelallee, Schwimmbad). Die Jusos wollen diesen Weg so ausbauen, dass er eine komfortable Direktverbindung aus der Innenstadt zur Kiste darstellt. Die geforderten Veränderungen beginnen an der Europakreuzung:

„Beginnend an der Europakreuzung sind zwei Lösungen denkbar, um Fahrradfahrenden eine schnelle Überquerung zu ermöglichen. Zum einen kann eine separate Fahrradspur diagonal kreuzen, oder die Ampelschaltung lässt alle Autos stoppen und gibt die gesamte Kreuzung für FußgängerInnen und Räder frei.“

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Steine des Anstoßes: Vor dem Theater liegt noch Kopfsteinpflaster - allerdings nur auf etwa 100m

Anschließend soll es vor dem Theater über einen neuen Straßenbelag (derzeit: Kopfsteinpflaster) weitergehen, auf dem zwei eindeutige Fahrradspuren eingezeichnet werden. Der Kraftverkehr soll nebenher auf einer einzigen Spur laufen. In der Petershagen-Allee soll der Radweg separat zwischen den Bäumen verlaufen, ebenso am Rosengarten. Die Magistrale soll dabei durchgängig zwei separate Richtungsfahrbahnen nur für Fahrräder erhalten.

Kommentar von Gabriel Kords

Als die Jusos vor knapp zwei Wochen ihre beiden neuen Vorschläge präsentierten, haben sie vermutlich in erster Linie an die Wahlen gedacht. Das ist nicht verwerflich, denn keine politische Gruppierung in Greifswald denkt zurzeit an etwas anderes. Aber dennoch wäre es zu begrüßen gewesen, wenn die Vorschläge der Jusos vor ihrer Veröffentlichung auf Plausibilität und Umsetzbarkeit geprüft worden wären. Denn genau daran mangelt es beiden Ideen:

Das Konzept zum gebührenfreien Studium geht an der Realität vorbei, weil es erstens jedem Studenten zuzumuten ist, alle sechs Monate die in Greifswald lächerlich niedrigen Semesterbeiträge zu zahlen und weil die neue Regelung überdies die Stadt in einer Zeit sinkender Einnahmen stärker belastet – sowohl finanziell als auch bürokratisch. Denn ganz gleich, wie simpel die Gebührenübernahme geregelt würde: Am Ende wäre es doch ein beträchtlicher Mehraufwand.

Dass die Jusos überdies das (normalerweise vom politischen Gegner verwendete) Totschlag-Argument von Stärkung der örtlichen Komsumkraft aufgreifen, ist mehrfach bedauerlich. Vor allem verwundert die großspurige Rechnung – denn weder werden sich je alle Studenten ummelden noch werden sie die 81 Euro im Jahr komplett in die örtliche Wirtschaft pumpen. Die eine Million ist also eine Phantasiezahl.

Wünschenswert und wirtschaftlich sinnvoll wäre eine Erhöhung der studentischen Erstwohnsitze in Greifswald zweifelsfrei – aber gewiss nicht auf diesem Weg.

Die Forderungen zur Fahrradmagistrale sind ebenfalls gut gemeint, aber so nicht umzusetzen. Überdies ist zu beachten, dass der Weg aus der Innenstadt zum neuen Campus und zur Kiste bereits jetzt zum besten gehört, was Greifswald an Radwegen zu bieten hat.

Die konkreten Verbesserungsvorschläge sind größtenteils fragwürdig. Weder ist es sinnvoll, die Europakreuzung per Ampelschaltung für alle Fußgänger und Radfahrer ohne jede Wegführung freizugeben (die stoßen dann nämlich zusammen), noch ist die Robert-Blum-Straße breit genug für zwei ausreichend breite Radwegspuren – und eine PKW-Spur. Der Vorschlag, die Radfahrer auf der Petershagenallee unter Bäumen fahren zu lassen, setzt dem ganzen dann die Krone auf: Der Weg zwischen den Bäumen ist nicht ansatzweise breit genug für zwei asphaltierte Radfahr-Spuren. Das ginge höchstens, wenn alle Bäume gefällt würden. Auch ein Passieren des Rosengartens (am besten genau querfeldein!) ist realitätsfern.

Überdies werden die einzigen wirklichen Probleme der Route noch nicht gelöst: Das nämlich sind die Kreuzungen Rathenau-Straße und Stelling-Straße sowie der unzureichende Bypass von der Pappelalle zum Puschkinring.

Diskrete Informanten trugen dem webMoritz zu, dass auch nicht alle Jusos mit den den neuen Vorschlägen glücklich sind. Die kommunalpolitisch beeindruckend aktiven Jungsozialisten täten also vermutlich gut daran, sich vor Bekanntgabe neuer Ideen künftig gründlicher darüber abzustimmen.

Fotos:

  • Motivbild Geld: Jusos
  • Europakreuzung: Marco Herzog
  • Kopfsteinpflaster: Gabriel Kords