Leser des Informationsdienst Wissenschaft (idw) konnten vor Kurzem massenhaft Pressemitteilungen beobachten, in denen sich so ziehmlich jede am idw beteiligte Hochschule ihrer hervoragenden Ergebnisse im neuen Ranking des CHE (Centrum für Hochschulentwicklung) rühmte. Greifswald folgte mit einem Tag Verspätung und einer Pressemeldung in der knapp auf einige Einzelwerte eingegangen wurde. Eine tiefergehende Analyse gab es nicht. Wir haben uns das Ranking etwas näher angesehen, um festzustellen, ob das alte Vorurteil „Greifswald hat ein gutes Betreuungsverhältnis und eine nette Medizin, das wars.“ immer noch gilt.
Was wurde untersucht
Doch zunächst einige Fakten: In diesem Jahr wurden Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie, Pflege, Biologie, Chemie, Physik, Geografie, Mathematik und mt Informatik analysiert. Davon natürlich einige (Pflege, Chemie, Informatik) nicht in Greifswald, da hier nicht angeboten. Dafür wurden zusätzlich Landschaftsökologie und Humanbiologie in der Biologie sowie Biomathematik innerhalb der Mathematik analysiert. Hierbei wurden insgesa157 Bewertungen abgeben, davon 63 in der Spitzengruppe und nur 30 im Schlussfeld, was ja erstmal ein sehr schöner Startwert ist.
Einen großen Anteil daran haben die oben erwähnten alten Greifswalder Stärken, insbesondere die Zahnmedizin. Diese taucht mit grandiosen 87,5% ihrer Bewertungen in der Spitzengruppe auf, lediglich bei den Forschungsgeldern (Mittelfeld) und der Anzahl an Promotionen und Zitationen pro Promotion (Schlussgruppe) gibt es noch Schwächen.
Forschungsschwächen und -stärken
Diese Schwächen bei Promotionen und Zitationen sind leider symptomatisch für den gesamten analysierten Fächerkanon. In diesen Kategorien gibt es eine Bewertung im Mittelfeld (Promotionen in den biologischen Fächern), ansonsten taucht Greifswald hier durchgängig in der Schlussgruppe auf.Dies spricht auch gegen die Greifswalder Forschungskraft im Allgemeinen. Doktoranden erledigen einen Großteil der Forschungsarbeit und Zitationen geben einen guten Anhaltspunkt für deren Bedeutung.
Ein gutes Zeichen in Hinblick auf die Forschungskraft sind hingegen Spitzenplätze bei den Drittmitteln der Biologie (wohl auch Dank des Leuchtturmeffektes eines einzelnen Professors) und Geographie und auch bei der Forschungsreputation taucht Greifswald immerhin nirgends in der Schlussgruppe auf. Nun gilt es aus Geld und Ruf auch entsprechende Ergebnisse zu holen.
Bibliothek top, Räume flop
Eine weitere Stärke Greifswalds ist die Bibliothek, in allen Fächern liegt diese in der Spitzengruppe. Auch die Betreuung durch das Lehrpersonal und der Kontakt zu anderenden Studierenden liefert in den meisten Fällen Plätze in der Spitzengruppe. In den von Studierenden bewertenden Kategorien liegt die große Schwäche von Greifswald neben den teilweise schlechten Räumen (was sich in den nächsten Jahren durch diverse Neubauten ändern sollte) in der Beteiligung an Evaluationen. Auch die Situation beim E-Learning ist nicht sonderlich befriedigend.
Vergleicht man die Fächer kommt hier insbesondere der Bereich Mathematik/Biomathematik nicht gut weg. Dieser konnte neben der erwähnten Bibliotheksausstatung lediglich beim Kontakt zu Studierenden in der Spitzengruppe punkten. Mehr erwartet haben viele vielleicht auch von der Physik, die in Greifswald auch in zwei ausseruniversitären Forschungseinrichtungen vertreten ist, aber nicht sonderlich gut beim CHE-Ranking wegkommt. Neben der herausragenden Zahnmedizin kommt auch die Medizin auf viele gute Ergebnisse. Auch in den biologischen Fächern sieht es insgesamt betrachtet gut aus.
Greifswald hat weiterhin Schwächen in der Forschung, aber es sieht doch besser aus, als man denken könnte. Ein eher unnötiges Ergebnis sind die Schwächen in der Lehrevaluation, eine Universität mit so vielen Stärken in der Lehre hat so etwas nicht nötig und sollte vielmehr mehr darauf setzen die verbliebenen Schwächen auszumerzen und dazu benötigt man gute Evaluation, die Mediziner machen es vor und haben damit großen Erfolg.
Weitere Informationen zum Rankingverfahren gibt es auf den Seiten der CHE.
Bild: Internetseite des CHE – Pressebereich
Insgesamt kann man dem Artikelauthor nur zustimmten. Die Universität Greifswald ist auf einem guten Weg und Ruf und Leistung steigen stetig.
Zur vergleichsweisse eher durchschnittlichen Forschung in Greifswald habe ich zwei Erklärungen bzw. Prognosen, die beide mit der DDR und der Nachwendezeit zusammenhängen.
Zum einen wurden in den 90ern zahlreiche Professuren mit Westimporten besetzt, welche sich nicht in jedem Einzelfall als wirkliche Glückstreffer erwiesen haben. Der Ruf und die allgemeine Situation der Greifswalder Alma Mater haben sich inzwischen aber dramatisch verbessert, wodurch es beim demnächst auftretenden Pensionierungsrunde möglich wird, die Professuren mit deutlich schlagkräftigerem Personal zu besetzen. Erste Erfolge sind bereits vorzuweisen.
Zum anderen ist das Doktorandenproblem ein hausgemachtes. Besonders im akademischen Mittelbau gibt es zahlreiche Mitarbeiter, die aus der DDR-Zeit mitgeschliffen wurden und möglicherweise in der Lehre gut sind, aber bei denen in Sachen Forschung nur schwache Ergebnisse kommen. Das Geld, mit denen diese heute 45- bis 60-jährigen bestenfalls durchschnittlichen Forscher bezahlt werden, sollte lieber in eine deutliche Ausweitung der Doktorandenstellen und in deutlich stärkere Bemühungen Doktoranden und junge Forscher auch von anderen Bundesländern und aus anderen Ländern abzuwerben. Ab dem 1.1.2010 sind die Gehälter in Ost und West gleich, was zusätzlich die Chancen bei der Abwerbung erhöht.
Drittens muss bei der Einwerbung von Spitzenforschern das Argument der "strukturschwachen Region" aggressiver aus dem Feld geräumt werden. Greifswald ist eine dynamische, wachsende Stadt mit einem starken Mittelstand. Es muss zudem die Nähe zu den Urlaubsinseln Usedom und Rügen und zur Weltkulturerbestadt Stralsund sowie die Nähe zur Hauptstadt Berlin stärker als "weicher Standortfaktor" hervorgehoben werden.
Alles in allem bewegt sich aber viel in Greifswald und im Gegensatz zu zahlreichen anderen Universitäten hat man bei der Uni Greifswald das Gefühl dass es in Zukunft (noch!) weiter bergauf geht.
PS: In den kommenden Jahrzehnten werden sich Göttingen und Greifswald als die besten akademischen Adressen in Norddeutschland herauskristallisieren, gefolgt von Kiel, Bremen, Rostock und zuletzt Hamburg.
Unbedingt lesen: Wolfgang Lieb – "Das CHE-Hochschulranking 2009/10 ist alles andere als ein Studienführer" unter http://www.nachdenkseiten.de/?p=3932
Zitat Einleitung: „Die Zeit“ als Medienplattform für dieses Ranking begibt sich mit der Veröffentlichung in den Graubereich der Vermischung von Journalismus und PR. Der „ZEIT-Studienführer“ dient eher der Imagepflege des CHE und der Bertelsmann-Stiftung als neutralen und gemeinnützigen Einrichtungen. Das Ranking selbst dient dem CHE, um seine Ideologie vom Wettbewerb als Steuerungsinstrument für die Hochschulen zu propagieren. Die dem Ranking zugrundeliegenden Kriterien werfen mehr Fragen als Antworten auf, aus kaum einem Kriterium lässt sich wirklich auf die Qualität des Studienangebotes schließen. Darüber hinaus ist höchst fraglich, ob die Bewertungen repräsentativ sind. Der „Zeit Studienführer“ ist für die weit überwiegende Zahl der Studierwilligen irrelevant, ja sogar eine Frust auslösende Irreführung, denn angesichts der um sich greifenden Zulassungsbeschränkungen kann sich ohnehin kaum noch ein Studienanfänger seinen Studienort auswählen.
Wie Oliver schon richtig anmerkt: Hinter dem CHE steht übrigens niemand geringeres als der Bertelsmann Konzern (mit seiner Bertelsmannstiftung). Bertelsmann, bei den Nazis als Monopolverlag für "Feldausgaben" (Druck von Nazi- und Durchhalte-Romanen für die Wehrmacht) groß und v.a. reich geworden, hat heute mit seiner Bertelsmannstiftung einen der einflußreichsten neoliberalen Thinktanks am Start. Bertelsmann ist mittlerweile eines der weltweit größten Medienunternehmen und versucht seit Beginn der 1990er den deutschen Bildungsbereich als privaten Markt zu erschließen und Bildung zur Ware zu machen. Dafür macht der Konzert (bzw. seine Stiftung) seit vielen Jahren sehr geschickte Lobbypolitik, u.a. auch in Form des CHE (= Bertelsmann + Hochschulrektorenkonferenz). Diese Rankings haben letztlich nur den einen Zweck: Bildung marktförmig zu machen und Hochschulstandorte gegeneinander auszuspielen. Und nicht wenige Kultusministerien und Hochschulleitungen machen da auch noch bereitwillig mit. Auch die Einführung von Studiengebühren, die Einrichtung von "Eliteförderung" (Stichwort: Schavans'sche "Exzellenz-Unis") und die (staatlich massiv subventionierte) Gründung privater Hochschulen sind letztlich auf diese umfangreiche Bertelsmann-Lobbyarbeit zurückzuführen.
Was früher allgemeines, kostenloses Gut war, wird so schrittweise zur Ware, die käuflich erworben werden muß. Und Bertelsmann verdient als Medienunternehmen selber ganz hervorragend dabei.
Die ach so neoliberal eingestellte Bertelsmann-Stiftung wirtschaftet dabei, Schmankerl am Rande, im Grunde mit unseren öffentlichen Geldern. Denn der Bertelsmann-Eigentümer Mohn hat durch die Übertragung von drei Vierteln des Aktienkapitals auf die Stiftung gut zwei Milliarden Euro Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer gespart; die jährliche Dividenden-Zahlung an die Stiftung ist vollkommen steuerfrei. Der ausgegebene eigene Jahresetat der Stiftung i.H.v. etwa 60 Millionen Euro ist letztlich nicht einmal annähernd so hoch, wie die Kosten, die dem Fiskus durch die Steuerausfälle entstanden sind. Ein lukratives Geschäft für Bertelsmann. – Fehlende wirtschaftliche Finesse kann dem Gütersloher Unternehmen wahrlich nicht vorgeworfen werden, dafür aber ein gerüttet Maß an Bigotterie. 😉