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Der Namenspatron der Ernst-Moritz Arndt Universität Greifswald ist umstritten. Er gilt unter anderem als Antisemit, Verfechter eines ausgeprägten Fanzosenhasses und als Vertreter eines biologischen Volkbegriffes.

Die neu ins StuPa gewählte grüne Hochschulgruppe will nun ihr Wahlversprechen verwirklichen und das Thema auf die Tagesordnung im Studierendenparlament (StuPa) bringen. Um jedoch zunächst eine Grundlage für eine seriöse Debatte herzustellen, kündigte Wahlsiegerin Anne Klatt am kommenden Dienstag vor der eigentlichen StuPa-Sitzung eine öffentliche Diskussion an. Eingeladen sind natürlich die Mitglieder des Parlaments, aber auch alle  Studierende, die sich für das Thema interessieren.

„Gebührt ihm Ehre oder Schimpf und Schande? Wollen wir Student/innen diesen Namen (er)tragen oder ablegen? Darüber wollen wir mit auch und Prof. Dr. Konrad Ott, der sich sehr gut mit E.M. Arndt auskennt, diskutieren. Darauf aufbauend werden wir als Grüne Hochschulgruppe einen Antrag in das Studierendenparlament einbringen.“

  • Zeit: Kommenden Dienstag, den 28.4.09, 18:30 Uhr
  • Ort: Konferenzsaal der Uni, Domstr.11
  • Einladung als PDF

Die Geschiche der Ernst-Moritz Arndt-Debatte

Das Thema Arndt wurde nach der Wiedervereinigung verdrängt. Erst nachdem die Wochenzeitschrift DIE ZEIT 1998 in einem aufsehenerregenden Artikel den Hintergrund des Namensgeber recherierte, begann die erste größere Debatte über Arndt. Als sie 2000 schon wieder schlief, setzte der damalige Rektor Prof. Robert Metelmann ein wisschenschaftliches Kolloquium zum Thema Arndt an. Dies sollte wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse bringen und die Debatte zu einem Abschluss führen.

Nach intensiver Recherche stellten sieben Professoren am 6. Juni 2001 die Ergebnisse ihrer Arbeit in Referaten im Audimax öffentlich vor. Das Ergebnis: Arndt ist unhaltbar. Im Abschlußbericht fassen Prof. Dr. Werner Buchholz und Prof. Dr.  Hartmut Lutz die Ergebnisse der Vorträge zusammen:

  • „…rassistische Verachtung gegenüber allen „nicht germanischen“ Völkern“ …“ (Prof. Dr. Gunnar Müller-Waldeck)
  • „Franzosenhass, der sich bereits vor dem napoleonischem Joch bildete.“ Dazu: „Völkischer Nationalismus, Antijudaismus / Antisemitismus, […], chauvinistishes Herabblicken auf slawische und „welsche“ Völker, Kriegsverherrlichung als Selbstzweck und zur Selbstfindung der Nation und andere, damals wie heute humanistischen Idealen entgegenstehende Überzeugungen, prägen sein Lebenswerk“ (Prof. Dr. Reinhard Bach)
  • „… zeigt, wie sehr Arndts Judenhass sowohl christlich-antijudaistische als auch bereits rassenbilogische -antisemitische Elemente zu einem Plädoyer für den Ausschluss der Juden aus dem „teutschen“ Volk funktionalisierte“ (Prof. Dr. Arno Herzig)
  • „Für Arndt ist der Völkerhass nicht nur ein kurzzeitiges Aufflackern, sondern er hält ihn für ein notwenidges Element, um das deutsche Nationalbewusstsein dauerhaft wach zu halten“ (Prof. Dr. Thomas Stamm-Kuhlmann)
  • „E.M.-Arndt […] war ein fremdenfeindlicher Publizist mit antijüdischen Vorurteilen“ (Jens Rybak von der E.M.- Arndt Gesellschaft)

Der Bericht endet mit „Das ist ein wissenschaftliches Urteil. Ob wir uns nach einem fremdenfeindlichen Publizisten nennen wollen, ist dagegen eine Wertentscheidung“.

arndt-48Im Anschluss an das Kolloquium fand erneut eine einjährige öffentliche Debatte statt. Der Namensgeber der Universität wurde dabei queer durch die Medien – sowohl in der BILD-Zeitung als auch in der pommerischen rechtsextremen Szene diskutiert. Am intensivsten lief die Debatte jedoch in der Greifswalder Lokalzeitung. Inhaltlich wurde das Kolloquium nicht wiederlegt oder um echte Erkenntnisse ergänzt. Stattdessen war die Debatte damals „persönlich“, „polemisch“ und „emotional“, schrieb Prof. Lutz im Rückblick. Eher hätten sich für ihn sogar noch weitere Abgründe aufgetan. Dass die Universität im Jahr Machtübernahme der Nazis 1933 umbenannt und Hermann Göring höchstselbst bis heute auf der namensgebenden Urkunde zu finden ist, sei in der Debatte damals sogar noch untergegangen.

Der Druck auf diejenigen, die die Frage nach dem Universitätsnamen stellten, stieg. Öffentliche Angriffe, Hass-Mails, persönliche Drohanrufe. Und die lokale Ostsee-Zeitung heizte die Stimmung an, sah Arndt nur als Opfer der „politcal correctness“. Kritiker Arndts wurde die Amerka-Nähe unterstellt oder als „polonophil“ bezeichnet, so Professor Lutz in seinem Rückblick. Und auch Prof. Stamm-Kuhlmann blickt enttäuscht zurück:

„Keiner der Arndt-Kritiker hatte aus der Tatsache, dass er sich zu Wort meldete, irgend einen Vorteil zu erwarten. Im Gegenteil. Er bekam nur Ärger – mit der „Ostsee-Zeitung“ und einer empörten lokalen Öffentlichkeit, die es nicht ertrug, dass man an ihrem Ortsheiligen kratze.“

Das sich der Senat schließlich gegen die Umbenennung entschied, war abzusehen. Neben dem öffentlichen Druck fehlte damals jedoch auch jegliches Interesse auf studentischer Seite.  Dort gab es damals praktisch keine Debatte über die Person Arndt. Nach der Ablehnung des Senats wurde das Thema wieder begraben und jeder Versuch die Debatte erneut zu öffnen, bisher abgelehnt.

Erst das Moritz Magazin brachte das Thema in den letzten Jahren wieder in die Diskussion, indem es jeden Monat ein „erschreckendes“ Zitat des Namenspatron veröffentlichte. Diese Zitate brachte viele Studenten zu der Fragen, wieso wir eigentlich noch heute diesen Namen tragen. Wofür steht Arndt? Was will uns die Universität damit sagen?

Mindestens zweimal kam es in der Folge schon zu Anträgen bei Vollversammlungen der Studierendenschaft. Bei der Vollversammlung im Dezember 2007 gab es schließlich ein positives Votum für einen Antrag, der alle gewählten Vertreter in den Gremien der Universität aufforderte, sich für die Umbenennung der Universität einzusetzen.

Das StuPa – wichtigste Vertretung der Interessen der Studenten – lehnte den Beschluss jedoch ab. Auch unter den studentischen Senatoren gab es dafür keine Mehrheit. Lediglich die Fachschaftsrätekonferenz beschäftigte sich im Frühjahr 2008 mit Ernst-Moritz Arndt. Im Ergebnis wurde das Rektorat aufgefordert, über den umstrittenen Namenspatron wenigstens auf der Internetseite offensiv aufzuklären.  Das Rektorat verpflichtete sich damals der Initiative, gab jedoch im Interview mit den Moritz Medien vor zwei Wochen an, dass die Autoren auch nach über einem Jahr noch immer an einem Text arbeiten.

Mit der Initiative der Grünen könnte es spannend werden, wie das Studierendenparlament mit dem umstrittenen Namenspatron umgeht. Wird sich die emotionale Diskussion aus dem Jahre 01/02 wiederholen?

Grundlage dieses Artikels zur bisherigen Arndt-Debatte:

  • Ernst Moritz Arndt im Widerstreit der Meinungen : Materialien zu neueren Diskussionen / hrsg. von der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft e.V [Link zur UB]

Bilder: Gemeingut