Zugvögel: Erstes Bild 10. Mai 1927 (v.l.n.r. B. Remling, C. Winkel, D. Hädrich, E. Resch, W. Damboldt, B. Leube, B. Rothfuss und N. Sawabu) Foto: Vincent Leifer
Gestern abend war die Greifswalder Premiere des „sinfonisches Dramas zu Jean Sibelius in vier Bildern und einem Epilog“, das von Generalmusikdirektor Prof. Mathias Husmann gedichtet und komponiert wurde. Es wird der dreißigjährige Entstehungsprozess der nie vollendeten achten Sinfonie von Finnlands bedeutenstem Komponisten Jean Sibelius (eig. Johan Julius Christian, genannt Janne) verfolgt und mit geschichtlichen Ereignissen (Faschismus, Weltkrieg, Holocaust, Atombombe) verknüpft.
Zugvögel – Zweites Bild: 24. Juni 1933 (Anette Gerhardt und Benno Remling) Foto: Vincent Leifer
Diese Vorgabe klingt auch für Nicht-Opernfans interessant, zu denen auch eine Gruppe Schüler vom Jahn-Gymnasium gehört. Sie hatten sich mit ihrer Musiklehrerin im Vorfeld mit der Oper beschäftigt und Komponist Mathias Husmann und Regisseur Klaus Rak getroffen. Eine Probe konnten sie leider nicht besuchen, da diese, wie auch die Uraufführung vor wenigen Wochen, in Stralsund stattfanden.
Ungewöhnlich an dieser Oper ist, dass ebenfalls gesprochene Dialoge vorkommen, denn wie Husmann meint
Es gibt aber Situationen, die sich nur in Prosa fassen lassen […]. Deshalb wandelt sich in jedem Bild an solchen Stellen die Oper in ein Schauspiel, wobei im Untergrund weiter Musik erklingt: scheinbar unabhängig, wie im Tiefschlaf.
Die Dialoge sind für den „Operneinsteiger“ hilfreich, denn oftmals sind die gesungenen Texte schwer verständlich oder werden von der Musik übertönt. Beeindruckend jedoch die Künstler, die ausnahmslos gute Vorstellungen ablieferten. Benno Remling (studierter Physiker) altert für seine Rolle mehrere Jahrzehnte, denn Sibelius ist im Stück zwischen 61 und 91 Jahre alt (s. Videobericht).
Zugvögel – Drittes Bild: 30. November 1939 (Noriyuki Sawabu und Benno Remling) Foto: Vincent Leifer
Besonders im zweiten Teil, dem dritten und vierten Bild und dem Epilog wird es episch und die knapp vier Stunden vergehen wie im Flug. Es werden sowohl geschichtliche Ereignisse berührt (Luftangriff auf Helsinki am 30. November 1939, Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima) als auch persönliche Details wie Sibelius‘ Alkoholismus und Gummistiefel (von Nokia) zu seinem 80. Geburtstag im Dezember 1945. Nach der langen Aufführung befand Lukas Valtin, einer der Schüler vom Jahngymnasium, das Stück entsprechend „beeindruckend, aber anstrengend“.
Zugvögel – Drittes Bild: 30. November 1939 (Benno Remling) Foto: Vincent Leifer
Prof Husmann las vor über zehn Jahren über das nie vollendete Werk und sah gleich Stoff für ein Drama, denn „Seine 8. Sinfonie ist in Finnland zu einem geflügelten Wort geworden. Die ‚Achte‘ ist das, woran man scheitert“. Zugvögel enthält keine Werke von Sibelius, denn in den letzten 30 Jahren seines Lebens veröffentlichte er nichts mehr.
Zum Titel der Oper meint Husmann
Zugvögel als Zeichen der Natur haben große Bedeutungen im Leben der Finnen. In meiner Oper geht es um eine Sinfonie, welche vier Sätze haben sollte und welche auf dramatische Weise in einem dreißigjährigen Kompositionsprozess scheiterte. Die Zugvögel erscheinen im 1. Bild als inspirierende Frühlingsboten. Im 2. und 3. Bild entwickelt sich Sibelius‘ Naturliebe zur Ausfllucht vor dem eigenen Versagen. In der Traumszene des 4. Bildes pervertieren die Zugvögel zu Bombenflugzeugen des Zweiten Weltkriegs. Im Epilog sprechen sie zu ihm als Todesboten.
Mehr Infos zur Inszenierung und Besetzung gibt es beim Theater Vorpommern. Dort können auch Karten für die weiteren Vorstellungen gekauft werden:
25. März, 19:30 Uhr, Stralsund, Großes Haus
4. April, 19:30 Uhr, Stralsund, Großes Haus
19. April, 16:00 Uhr, Greifswald, Großes Haus
26. April, 16:00 Uhr, Stralsund, Großes Haus