Ein Kommentar von Eric Wallis –
Letzte Woche führte die Polizei auf der italienischen Burg Klaus Zumwinkels eine Razzia durch. Dabei leisteten die Italiener Amtshilfe im Rechtsfall der Telekomspionage, die Zumwinkel als damaliger Aufsichtsratschef mit zu verantworten habe. Die Telekom soll Mitarbeiter und Journalisten bespitzelt haben.
Noch interessanter als die Razzia ist die Tatsache der Burg. Die Burg Zumwinkel thront sicher auf einem Berg über dem Gardasee. Zumwinkel ist neben seinen Rollen als Spitzel, Steuerhinterzieher und Millionengehaltsempfänger also auch Burgherr. Das ist nicht erstaunlich, sondern folgerichtig. Denn wer spionieren lässt, den Fiskus beraubt und sich auf Kosten der Gemeinschaft ein viel zu hohes Gehalt bewilligt, nun ja, der braucht auch eine Burg.
Wo soll er sich schließlich verschanzen, wenn die Ausspionierten und Betrogenen Rechenschaft verlangen? Wo soll er schließlich den angehamsterten Reichtum verstecken? Nur eine Burg vermag jene Sicherheit zu geben, der ein so unedler Ritter wie der Ritter Zumwinkel bedarf. Der Raubritter Zumwinkel hat wieder zugeschlagen. Zur Urlaubszeit verschanzt er sich auf seiner Raubritterburg, verbarrikadiert sich hinter meterdicken Mauern, die auch schon das betrogene Volk des Mittelalters nicht bezwingen konnte.
Das Raubrittertum ist heute so verbreitet wie dazumal. Und wenn damals das Volk zum Sturm auf die Burg gerüstet vor den hohen Mauern stand, dann schüttete auch der Burgherr selbst mal einen Eimer heißes Pech auf den aufgebrachten Pöbel. Zur Abschreckung. Dementsprechend war die mittelalterliche Staatsgewalt auch nicht zimperlich, wenn sie diesen oder jenen Raubritter mal dingfest machen konnte. Selbst nach Geständnis und Gnadenbitte wurde 1490 der Raubritter Fritz von Gich vom Stadtgericht Nürnberg zum Tode durch das Schwert verurteilt. Das heißt Kopf ab.
Auch Zumwinkel hat derweil schon Geständnis und Gnadenbitte abgeliefert – und da nun einmal klar ist, dass wir eigentlich noch im Mittelalter leben, wäre es vielleicht sinnvoll auch unsere Strafmethoden zu überdenken.
Bild:
Burg Eltz an der Mosel – davipt via flickr
nice
Sehr schön 🙂
nein, leider nicht. Ganz im Gegenteil: die Kritik ist sehr stark verkürzt.
Zumwinkel, Ackermann, die ganzen Leute, die jetzt vom tumben Volkszorn heimgesucht werden, sind doch nur ersetzbare Charaktermasken. Es hat wenig Sinn zwischen "anständigen" Managern mit Millionengehältern und "unanständigen" zu unterscheiden. So wird verkannt, dass die alle auf Umstände reagieren, die als "äußerlich" wahrgenommen werden. Und die Reaktion wird nach einer bestimmten, nämlich ökonomischen, Rationalität vorgenommen. Es bringt sehr wenig, sich einfach nur an Gesetze – hier z.B. das Datenschutz- oder Steuerstrafrecht – zu halten, weil sie als äußerlicher Umstand da sind. Daran hält man sich nur, wenn es auch ökonomisch rational ist, also eine Kosten-Nutzen-Abwägung ergibt, dass es was bringt, weil etwa das Entdeckungs-Risiko zu gering ist.
Wer diese strukturellen Ursachen für solche Sachen, wie sie Ackermann oder Zumwinkel oder Mehdorn sich geleistet haben, nicht thematisiert, und sie einzelnen Personen als "schwarzen Schafen" unter einer ansonsten ehrbaren Manager-Schar zuschreibt, der verschleiert das zu Grunde liegende, eben strukturelle, Problem. Mehdorn, Ackermann und Zumwinkel haben ja nicht so gehandelt, weil sie perfide, bösartige Menschen sind, sondern weil es ökonomisch rational war, genau so zu handeln. So ist das nunmal im Kapitalismus.
Deshalb sollte nicht Zumwinkel geköpft werden, sondern ein Wirtschaftssystem, für das es rational ist, so viele Kosten wie möglich Dritten (dem Staat, den Konsument_innen, den Beschäftigten, der Bevölkerung im globalen Süden, den kommenden Generationen, der Umwelt etc.) auf zu drücken, sie zu externalisieren. Ein Wirtschaftssystem der organisierten Verantwortungslosigkeit.
Man könnte ja erstmal die schwarzen schafe köpfen, dann wird sich das system schon von selber regulieren. denn wer von den anderen will schon geköpft werden. verantwortung soll bezahlt werden, dann darf man sich aber eben auch wahrnehmen, wenn man ihr nicht gerecht wird.