Wie viel Aufregung gab es nur um diesen Film: Ein Scientologe in Wehrmachts-Kluft spielt einen deutschen Widerstandskämpfer in einer amerikanischen Blockbuster-Produktion – genug Sprengstoff für einen Kassenschlager. Doch was ist nun aus dem Film geworden dessen Dreharbeiten die deutsche Medienlandschaft beschäftigte, wie kaum ein anderer?
Ein Film, der auf einer wahren Geschichte beruht, besonders wenn es auch noch eine sehr bekannte Geschichte ist, steht meist in Spannungen zwischen Authentizität und Dramaturgie. So natürlich auch „Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat“. Doch Regisseur Bryan Singer und sein Team haben nie den Anspruch erhoben, hundertprozentig an den Geschichtsbüchern zu kleben. Falls es in diesem Projekt idealistische Motive gab, so doch wohl eher den deutschen Widerstand im dritten Reich überhaupt bekannt zu machen. Ob Stauffenberg nun Wagner-Fan war oder nicht, spielt dafür keine Rolle – in dieser Geschichte geht es um wichtigeres als den Musikgeschmack des Hitler-Attentäters.
Sicher: Authentizität ist eine sichere Bank. Der Film als solcher kann noch so schlecht sein, wenn man nur jede verschossene Patronenhülse original nachgebaut und abgezählt ist, hat man wenig zu befürchten – siehe „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Ginge es hier um die reine Geschichte, hätte man statt Tom Cruise vielleicht doch eher Guido Knopp verpflichten sollen.
Tatsächlich aber, ist es gelungen ohne jede grobe Verfälschung einen spannenden Thriller zu drehen, der trotz des allseits bekannten Endes bis zum Schluss spannend bleibt. Leider ist damit das Wichtigste zu „Operation Walküre“ schon gesagt, denn es ist ohne Zweifel ein Film der verpassten Chancen – vielleicht die wahre Parallele zwischen Stauffenberg und Cruise.
Keine einzige wirklich dramatische Szene
Verkrüppelter Familienvater und Offizier mit preußischer Erziehung beschließt, aus moralischen Bedenken, mitten in einem Weltkrieg den politischen und zumindest teilweise auch geistigen Führer seiner Nation zu töten. Wer daraus in über zwei Stunden keine einzige wirklich dramatische Szene bauen kann, muss sich vorwerfen lassen über ein handwerkliches „Gut“ nicht hinausgekommen zu sein. Mit Kunst hat das wenig zu tun. Angst, Misstrauen und Bedenken der Attentäter spielen in „Operation Walküre“ kaum eine Rolle.
Darstellerisch ist Tom Cruises Prestigeprojekt genau so enttäuschend. Der Protagonist, ohne den fast keine Szene auskommt, bleibt unspektakulär und reduziert Stauffenberg zu einem übermenschlichen Superhelden ohne Fragen und Zweifel. Bill Nighly als General Olbricht versucht genau umgekehrt, krampfhaft menschlich und zweifelnd zu wirken, bleibt dabei aber nur blass. Komisch-obskure Rollen, die ihm den großen Durchbruch brachten („Tatsächlich Liebe“, „Per Anhalter durch die Galaxis“), liegen ihm eindeutig mehr. Hitler selber ist nur in wenigen Szenen zu sehen, dennoch ist er offenkundig eine Hauptfigur der Geschichte, aber wer den „Untergang“ kennt, wird enttäuscht sein von David Bamber – Ausstrahlung gleich null.
Viel Lärm um nichts.
Einziger Lichtblick im insgesamt blassen Ensemble ist der Nordire Kenneth Branagh – bekannt als Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller verschiedenster preisgekrönter Verfilmungen klassicher Literatur – und aus Harry Potter. Leider bekommt „sein“ General von Tresckow nur wenig Screentime. In diesen wenigen Minuten schafft er es anzudeuten, was aus dem Film hätte werden können, hätte das Produktionsteam aus „Filmemachen für Dummies“ aufgeschaut und sich mit den Charakteren beschäftigt.
Fazit: Viel Lärm um nichts – „Operation Walküre“ ist ein spannender Hollywood-Thriller ohne jeden Tiefgang. Wer sich für das Thema interessiert, ist mit 15 Minuten Wikipedia besser beraten. Wer nett unterhalten sein will – für den gibt es 1000 andere Möglichkeiten.
genau.."ohne jeden Tiefgang"!
Ausgerechnet das Aushängeschild einer Faschosekte möchte der Welt zeigen, dass es im Dritten Reich auch Widerstand gab.
dann legt doch gottverdammt ne Kategorie namens Kino an… als Top Thema würde ich diese ganzen überflüssigen Berichte nämlich nicht betrachten…
Ich bin mir nicht sicher, ob es nötig ist, deine Kritik in derartige Kraftausdrücke zu verpacken…
Und im Übrigen steht es dir schließlich frei, nur die Artikel zu lesen, die dich interessieren.
Hey, Du hast völlig Recht… wie konnte ich es nur wagen mit solch bösen Worten um mich zu werfen… schliesslich ist die Kategorie Top Themen genau richtig… wobei ich immer noch auf die Topmeldung zum aktuellen Wettergeschehen warte 🙂 In Fortsetzung der Reihe: Schneefälle in Greifswald…
Am Rande bemerkt möchte ich nur kurz auf eine Erschwerung der Archivsuche hinweisen. Es gibt Browser die stürzen einfach mal ab wenn man den Webmoritz durchsuchen möchte und zuviele Treffer angezeigt werden. Um sie Suche einfacher zu gestalten kann man sie auf bestimmte Kategorien beschränken. Ich bin fast sicher, zukünftige Redaktionen wären von der Ordnung begeistert… Bei gefühlten 8 Kinobeiträgen in den letzten 2 Monaten, Tendenz steigend sollte die richtige Kategorie eigentlich von allein eingerichtet werden. Aber Moment, der blöde Martin hat ja mit achso bösen Kraftausdrücken danach verlaNGT. Deswegen können wir uns dem nicht beugen, wäre ja wie damals in Mogadischu… 😉
Interessant, dass die lautesten Kritiker immer am empfindlichsten reagieren, wenn man zurückritisiert.
Ansonsten darf ich dir versichern, dass ich bisher durchaus den Eindruck hatte, die webMoritz-Redaktion setze sich gewissenhaft mit Kritik ihrer Leser in den Kommentaren auseinander. Um es nochmal zu wiederholen: Was mich störte, war der unangemessene Ton. Man sollte vor Begriffen wie "gottverdammt" ein bisschen Respekt zeigen. Und vor denen, die man damit belegt, erst recht.
Und man sollte nicht alles, vor allem nicht sich selbst allzu ernst nehmen… 🙂
Ich habe selber schon andere Äusserungen, vom Chefredakteur persönlich, über mich gelesen…
Naja, wo findest Du das ich empfindlich reagiert habe..? Ich habe doch nur wie allzu oft mit spitzer Zunge und übertriebenem Sarkasmus gepaart mit einer Prise Ironie auf Deinen empfindsamen Kommentar geantwortet…
mir fällt nur auf, dass Du inhaltlich meiner Kritik wenig beiträgst 🙂
Spät aber doch noch mein Senf zu dem Thema: wenn ich es korrekt in Erinnerung habe sind seit Anfang des Semesters fünf Filmkritiken erschienen… das find ich persönlich nicht zu viel. Drei davon fielen auch eher negativ aus – nicht unbedingt eine tatsache die für Schleichwerbung spricht… Ich sehe auch nicht warum man Kulturbeiträge nicht auch als "Top-Thema" setzen sollte – im Gegenteil finde ich es gelegentlich ganz entspannend mal was anderes als Politik dort zu sehen.
ich finde es geschichtsklitterisch, dass deutsche nazis jetzt als deutscher widerstand gegen das dritte reich in szene gesetzt werden. stauffenberg war kein antifaschist!
Der Film paßt ganz gut in die geschichtsrelativierenden Kino- und Fernsehproduktionen der letzten Jahre: „Der Untergang“, „Die Flucht“, „Die Gustloff“ und die verschiedenen Guido-Knopp-Verwurstungen. Während KZ-Gedenkstätten im Zeichen der Totalitarismusdoktrin historisch umgemodelt werden (beispielsweise das KZ Buchenwald in Thüringen). In Sachsen wurde es von der CDU-Landesregierung sogar so weit getrieben mit ihrem Totalitarismus, daß mittlerweile Opferverbände wie die VVN und der Zentralrat der Juden in Deutschland die Stiftung Sächsischer Gedenkstätten verlassen haben. (siehe Erklärung des Zentralrates: http://www.zentralratdjuden.de/de/article/1443.html
Vergessen werden darf bei Stauffenberg und den übrigen Putschmilitärs, daß sie a) die ganzen Jahre über keinerlei Protest gegen die Shoa oder auch die Kriegsverbrechen der Wehrmacht geleistet hatten und b) den Krieg gegen die Sowjetunion auch (nach Abschluß eines Separatfriedens mit den Westalliierten) weitersetzen wollten.
Wenn schon ein Hitler-Attentäter öffentlich geehrt werden sollte, dann der Arbeiter Georg Elser, der kurz nach Kriegsbeginn am 08.11.1939 im Münchner Bürgerbräukeller einen Bombenanschlag gegen Hitler durchführte, der leider mißlang. (siehe auch http://www.georg-elser.de/dok/index.html )
Dass Guido Knopp ein Geschichtsverwurster ist, darüber scheinen sich also rechts und links einig zu sein.
Interessant.
Wenigstens etwas.
Was ist jetzt an "Der Untergang", "Die Flucht" und "Die Gustloff" geschichtsrelativierend, das erschliest sich mir nicht sofort.
Dass "Operation Walküre" ein Film mit mangelnden oder fehlenden Tiefgang wird, habe ich erwartet. Klar kamen von Hollywood auch sehr ernste sehr gut gelungene Produktionen mit Tiefgang, aber der überwiegende Teil der Filme, die dann auch noch Oskars bekamen, war doch wohl eher an der Oberfläche gekratzt. Ansehen kann man sich fast alle Hollywoodstreifen und schön sind sie in der Regel auch. Aber besonderen Tiefgang haben sie selten. Im übrigen nervt mich diese Stauffenberg-Hysterie. Wer leistete Widerstand gegen Hitler? Nahezu alle würden sofort antworten: Stauffenberg. Aber die, die von Anfang an gegen die Nazis waren, die von Anfang an gegen Hitler kämpften, wie Georg Elser, bekennende Kirche, Rote Kapelle, die Widerstandskreise von SPD+KPD, die geraten immer mehr in Vergessenheit. Genau so, wie die Weiße Rose allmählich aus dem Gedächtnis verschwindet. Hauptsache Stauffenberg, alles andere ist ja egal…
Wieso Eisler, Weiße Rose, Bekennende Kirche, Rote Kapelle, etc haben doch alle (teilweise richtig gute) Verfilmungen bekommen. Die sind zwar alle schon etwas älter aber sicher künstlerisch wertvoller als eine Hollywoodverfilmung. Eine solche für diese ist wohl eher nicht zu erwarten, warum sollten die Amis auch aus solchen deutschen Themen einen Unterhaltungsfilm machen wollen? History-Channel Dokus drüber gibt es auch genug *gähn*
Das Staufenberg und der Kreisauer Kreis Mitte der 50er Jahre auf einmal deutlich 'neu bewertet' wurden, ist auch ein offenes Geheimnis. Wiederbewaffnung und so. Das habe ich sogar so in der Schule gelernt.
Ich bin eh der Meinung, dass wenn es ein Generalstäbler oder Offizier es wirklich gewollt hätte, dann hätte er mit einer Pistole dafür gesorgt, dass die Sache mit Herrn Hitler endgültig vorbei ist. Andererseits haben sie mehr gemacht als andere, was man auch nicht verkennen darf.
In einem Spiegel, war letztens eine sehr kritischer, aber guter Artikel zu dem Thema. Was das denn für eine effektiv verplante Verschwörung sei, wo der Anführer nach Ostpreußen fliegt und das Attentat selber ausführt, er keinen Platz in der geplanten Regierung bekommt, der seiner angeblichen Rolle entspricht und die es noch nicht einmal schaffen Goebbels und die SS-Spitze festzusetzen.
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Wo das aus dem Gedächtnis verschwindet, nur weil es keine bunten Filmchen mit Amerikanischen Megaschauspielern drüber gibt, verstehe ich nicht. Es wird sehr ausführlich in der Schule gelehrt und beim gebildeten Bürger ist dieses Wissen auch entsprechend verankert. Das Ronny Müller und Bianca Lieschen aus Neu-Ruppin oder Thießow wohl eher keine fundierten Spezialisten auf diesen Gebiet sind, ergibt sich leider.
Den Widerstand der KPD betrachte ich auch eher 'zwiegespalten', immerhin haben die genauso das labile demokratische System weiter torpediert und den Kampf um die Straße geführt. Die lupenreine demokratische Widerstandsmacht ist das sicher nicht, zumal man bis 1933 mehr mit der SPD, als mit der NSDAP beschäftigt war…
@ Karl Karlson: "Den Widerstand der KPD betrachte ich auch eher 'zwiegespalten', immerhin haben die genauso das labile demokratische System weiter torpediert und den Kampf um die Straße geführt. Die lupenreine demokratische Widerstandsmacht ist das sicher nicht, zumal man bis 1933 mehr mit der SPD, als mit der NSDAP beschäftigt war…"
Ja, leider haben sich die beiden Hauptströmungen der ArbeiterInnenbewegung viel zu lange selbst bekriegt. Das war ein Fehler, der letztlich auch erst das Feld für die Nazis geöffnet hat – wohl das größte Scheitern der deutschen ArbeiterInnenbewegung überhaupt. Bei den Auseinandersetzungen zwischen sozialdemokratischer und kommunistischer Bewegung in der Weimarer Republik halte ich aber einseitige "Schuldzuweisungen" für falsch. Schließlich war es die SPD, die 1919 ff. GenossInnen niedermetzeln ließ (Bayrische Räterepublik, Bremer Räterepublik, "Spartakusaufstand" Berlin, "Mitteldeutscher Aufstand" in Thüringen und Sachsen, Rote Ruhr Armee, Berliner Blutmai 1929 etc.). Viele AktivistInnen aus den beiden Lagern haben ja daraus auch gelernt und nach 1945 versucht, den Bruch zwischen diesen beiden Richtungen zu kitten und Gräben zuzuschaufeln. (In einer der vier Besatzungszonen wurde ja aus dieser Erfahrung heraus auch die SED gebildet, in den anderen 3 Zonen wurde eine solche Vereinigung durch die Besatzungsmächte und den rechten Flügel der SPD verhindert.)
Das System der Weimarer Republik ist ja nicht am Protest KPD (und überhaupt der revolutionären ArbeiterInnenbewegung) kaputtgegangen, sondern an der inneren Zersetzung der bürgerlichen Parteien, die letztlich fast nur noch mit autoritären Notverordnungen regierten, dann 1933 freiwillig die Macht an die NSDAP übertragen haben.
Schade an dem Stauffenbergfilm bzw. seiner Rezeption in der US-Öffentlichkeit ist, daß die ZuschauerInnen dort jetzt ein sehr schräges Bild vom deutschen, antifaschistischen Widerstand erhalten. Ein Hollywoodfilm über Georg Elser wäre sicher nicht weniger spannend und informativ – kämen aber auch weniger Wehrmachtsoldaten und Panzer drin vor. 😉
Ist der "Operation Walküre"-Film eigentlich in der BRD gefloppt? Als er anlief waren die ZuschauerInnenzahlen ja nicht so gut. Weiß jemand von euch, wieviel Leute den Film in der BRD bisher im Kino angeschaut haben?