Das Schickal eines Greifswalder Hartz-IV-Empfängers hat in der letzten Woche für bundesweite Resonanz in den Medien gesorgt. Das öffentlich-rechtliche Politmagazin „Report Mainz“ (SWR) hatte die Geschichte des Greifswalders erzählt, dem die Arge die finanziellen Mittel so lange gekürzt hat, dass er obdachl0s wurde.
Der 53-Jährige hat nie eine ordentliche Ausbildung absolviert und ist seit der Wende arbeitslos. Einer der Gründe: Er kann nicht richtig lesen und so gut wie gar nicht schreiben. Aus diesem Grund hat er sich auch mit Forderungen von der Arge, die unter anderem für die Auszahlung des Hartz-IV-Geldes zuständig ist, schwergetan, monatlich mindestens zwei Bewerbungen herzustellen. Insbesondere, weil er das nicht getan hat, hat ihm die Arge die Geldzahlungen immer weiter sanktioniert. Vorletzte Woche wurde seine Wohnung aufgrund der angefallenen Mietschulden von über 1000 Euro zwangsgeräumt. Seitdem lebt er im städtischen Obdachlosenheim – in dem die Zustände wie meistens in diesen Heimen weit unterhalb dessen sind, was man als menschenwürdiges Leben bezeichnen kann.
Details zur Geschichte des Greifswalders gehen aus dem Beitrag bei Report Mainz und einem Artikel in der Ostsee-Zeitung hervor.
Arge: Wir konnten nicht anders.
Insgesamt weicht die Darstellung des Hartz-IV-Empfängers ganz erheblich von den Behauptungen der Arge ab. Der Greifswalder sagt, die Forderungen der Arge habe er aufgrund seiner Fähigkeiten nicht erfüllen können und beschwert sich ganz besonders über unwürdige Behandlung durch seine zuständige Fallmanagerin. Er hat inzwischen eine Anwältin gefunden, die ihn eine Klage gegen die Arge eingeleitet hat.
Seitens der Arge heißt es, der Mann habe sich in hohem Maße unkooperativ gezeigt, weshalb man nach geltenden Vorschriften keine Alternative zu den Mittelkürzungen gehabt habe.
Im November hatte die hiesige Arge den Negativpreis „Verbogener Paragraph“ der Evangelischen Obdachlosenhilfe erhalten, der jährlich bundesweit an einen „Sozialleistungsträger mit kritikwürdiger Rechtsvollzugspraxis“ vergeben wird. In der „Laudatio“ der Obdachlosenhilfe heißt es unter anderem, die Arge lege systematisch „Richtwerte als Obergrenze“ aus.
Grüne: Stadt muss Stellung nehmen
Inzwischen haben sich verschiedene Mitarbeiter städtischer Ämter des Falles angenommen. Das Sozialamt in Greifswald hat eine freiwillige Betreuung des Mannes angeboten. Die Grünen kritisieren hingegen die Stadt und vermissen klare Reaktionen. In einer Pressemeldung heißt es unter anderem:
„Die Stadt Greifswald steht als einer der beiden Träger der ARGE und als zuständige Ordnungsbehörde bei Obdachlosigkeit in besonderer Verantwortung. „Welche Schritte wird die Stadt in dem konkreten Fall unternehmen?“, fragt der sozialpolitische Sprecher der GRÜNEN, Gregor Kochhan. „Wird es Konsequenzen geben und wenn ja, welche?“ […]
Die massive Kritik des Bundessozialgerichtes an der Arbeit der ARGEn, insbesondere hinsichtlich der Qualifizierung der Mitarbeiter und der mangelhaften Rechtsumsetzung, muss gerade in Greifswald ernst genommen werden. Der traurige Fall des durch die ARGE in die Obdachlosigkeit Getriebenen beweist dies einmal mehr.“
An der mangelnden Qualifikation der Fallmanagerin des betroffenen Greifswalders hatten bereits verschiedene Medien indirekt gezweifelt. Die Arge-Mitarbeiterin ist ehemalige Kinderheimerzieherin.
Diakonie ruft zu Spenden auf
Ende letzter Woche rief das kreisdiakonische Werk in Greifswald zu Spenden für den obdachlos gewordenen Greifswalder auf. Zweck des Spendenaufrufs sei, dass der Greifswalder, dem nun ein Neuanfang ermöglicht werden soll, vorher seine Schulden abbezahlen kann. Die Diakonie will für den zweckgemäßen Einsatz der Spenden sorgen. Spenden sollen auf das Konto 150 266, BLZ 210 602 37 (EDG Kiel) überwiesen werden. In der Pressemeldung der Diakonie heißt es zu dem Spendenafuruf:
„Unabhängig davon, ob die Sanktionen zu Recht erfolgten oder nicht, sehen wir es aus diakonischer Sicht als unsere Aufgabe, Menschen in Not zu helfen. Wir bitten diejenigen, die Herrn Dinse in dieser für ihn nicht einfachen Lebenssituation unterstützen wollen, um eine Spende […].
Das Kreisdiakonische Werk Greifswald-Ostvorpommern e. V. als Träger einer Beratungsstelle für Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten – u. a. Obdachlosigkeit – wird für eine zweckgerichtete Verwendung der Spenden sorgen. Spenden, die über das hinausgehen, was zur Überwindung der aktuellen Notlage von Herrn Dinse benötigt wird, kommen unmittelbar der Beratungsarbeit für Menschen zugute, die von Obdachlosigkeit bedroht sind.“
Bildquelle: Motivbild auf der Startseite: „debagel“ & „Allie_Caulfield“ via flickr.
In der Ostseezeitung stand zu den geforderten zwei schriftlichen Bewerbungen pro Monat, dass sie in diesem Fall auch mündlich möglich sind, solange die vom angerufenen Betrieb bestätigt werden..
weist du noch wann das in der OZ stand?
Das müsste gleich der erste erschienene Artikel zum Thema gewesen sein, zitiert wurde eine ARGE-Mitarbeiterin. Den genauen Tag weiß ich nicht mehr.
Hatte es mir gemerkt, weil das eine stimmige Erwiderung auf den Vorwurf war, einen halben Analphabeten Briefe schreiben zu lassen.
hmm Beitrag weg hatte es rausgesucht etc. bin wohl gleich im Spam Filter gelandet
zumindest wird in der OZ Herr Bartels Zitiert das die Arge nur einen schriftlichen Nachweiß haben wollte es gibt wohl Formulare für Firmen die diese ausfüllen "dürfen" das sich ein Bewerber Vorgestellt hat
ich finde es nur Komisch das Herr Bartels in Report Mainz kein Wort darüber verliert mir kommen beide Seiten Komisch vor
Das es nicht im Beitrag vorkam, kann unter anderem auch am Schnitt liegen.
In jedem Fall hat das Thema genug emotionalen Zündstoff für endlose webmoritz-Debatten.
Stehe diesmal klausurbedingt leider nicht zur Verfügung, sorry 😉
Die OZ zitierte am 21.1. (oben verlinkter Artikel, leider nur für Abonnenten zugänglich) den Arge-Geschäftsführer zu diesem Thema: „Dafür gibt es Formulare, die auch von den Firmen ausgefüllt werden können.“
hab es mal rausgesucht
Komisch finde ich aber das im Report Mainz der Herr Bartels darüber kein Wort verliert für mich sind beide Parteien nicht gerade sehr Vertrauenswürdig
Quelle: http://www.ostsee-zeitung.de/archiv/index.phtml?Param=DB...target=“_blank“>https://http://www.ostsee-zeitung.de/archiv/index.phtml?Param=DB...
"Die Arge begründete ihre Sanktionen mit fehlender Kooperation durch Dinse. Sie forderte von ihm die „Erstellung von mindestens zwei Bewerbungsunterlagen pro Monat mit schriftlicher Nachweisführung.“ So steht es in einer Eingliederungsvereinbarung."…
…
"Seine Behörde hätte keine Alternative gehabt, sagte Arge-Geschäftsführer Erich Bartels. Dinse habe jede Mitwirkung vermissen lassen. Die Fallmanagerin habe keine schriftlichen Bewerbungen von ihm verlangt,
sondern nur Nachweise, dass er sich um Arbeit bemüht. Bartels: „Dafür gibt es Formulare, die auch von den Firmen ausgefüllt werden können.“…
Die ARGE Greifswald gehört zu den schlimmsten und unmenschlichtsen Arbeitsverweigern die ich kenne. Das ist das typisch deutsche Beamtentum.
Ich könnte mich stundenlang über diese Leute aufregen
Dieses Thema hat doch eher rationalen Zündstoff, in der Hinsicht, dass man sich fragen kann, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen?
Ich werfe mal ein paar weitere (realitätsferne) Fragen in den Diskussionsraum:
-Ist Lohnarbeit die einzige wertvolle Arbeit?
-Ist Arbeit nicht eher jegliche Auseinandersetzung eines Individuums mit seiner Umwelt und so gesehen ein menschliches Grundbedürfnis?
-Wieso schaffen wir dann ein Heer von "überflüssigen" Arbeitskräften, deren Potential wir mittels bewusster Verdummung soweit verkümmern lassen, dass sie sich nur noch um rein existentielle Probleme kümmern können?
-Sollte es nicht eigentlich Ziel einer gerechten Gesellschaft.sein, mittels Arbeitsteilung alle Subjekte dieser Gesellschaft von existentiellen Sorgen zu befreien, um sich konstruktiv beteiligen zu können?
-Wieso schaffen wir dann ein Heer von "überflüssigen" Arbeitskräften, deren Potential wir mittels bewusster Verdummung soweit verkümmern lassen, dass sie sich nur noch um rein existentielle Probleme kümmern können?
Damit die Unternehmen den Lohndruck auf die noch Arbeitenden weiter aufrecht erhalten können und so die Löhne schön niedrig gehalten werden.
Es ist traurig, dass aus der Sicht der breiten Bevölkerung dieser Mann als alleinschuldig an seiner Situation betrachtet wird. Viele Leserbriefe in der OZ zu dem Thema sollen wohl unsere Stadt besser da stehen lassen. Ich habe mal einen Bekannten bei einem Problem in die Arge begleitet. Der Sachbearbeiter stellte sich stur, ein Herr B. (früher Leiter des Sozialamtes) wollte nur nach Terminvergabe über den Vorfall reden und jetzt der Hammer. Wir wollten ein Gespräch mit dem Chef der Arge führen. Seine Vorzimmerdame teilte uns mit, dass der Herr sein Hörgerät vergessen hatte oder die Batterien alle waren. Deswegen waren alle Anrufe ins Vorzimmer umgeleitet und der Herr war an diesem Tag nicht erreichbar. Mein arbeitsloser Bekannter kam übrigens gerade aus einer Haftanstalt und hatte sich bereits obdachlos gemeldet um schnellstmöglich eine Wohnung zu erhalten. Diese Wohnung war in der fünften Etage eines völlig unsanierten Neubaus. Der Block war zum Abriss vorgesehen und der Mietvertrag daher nur befristet. Es war die BILLIGSTE und KLEINSTE Wohnung im Angebot der WVG. Der Mietzins betrug 284,- € oder so.
Der Sachbearbeiter lehnte einen Einzug dort ab. Bei einem Termin mit Herrn Brader wurde die Wohnung ebenfalls abgelehnt. Herr B. war nicht erfreut. Ich unterbrach diesen Herren mehrfach während er versuchte sich hinter seinen Paragraphen zu verstecken. Ich stellte immer nur die eine Frage. Wo soll der Betroffene dann wohnen. Ist der Arge eine Wohnungslosigkeit egal. Irgendwann beantwortete Herr B. dann genervt diese Frage: “ Der Betroffene muss nicht obdachlos sein. Wir können jederzeit eine Aufnahme im Obdachlosenheim verfügen.“ Diese Worte waren dann genug für uns. Wir beendeten das Gespräch mit der Bitte diese Einweisung in das Obdachlosenasyl zu bekommen. Das widerum war dann auch nicht so möglich und wir gingen. In Zusammenarbeit mit der Obdachlosenhilfe in der Wollweberstrasse und einem netten Anwalt haben wir dann einen anderen Weg gewählt. Der Betroffene sollte seine Wohnung beziehen und dann , quasi in der Wohnung wohnend, gegen evtll. abgelehnte Bescheide prozessieren. Das hat dann auch so geklappt. Unterm Strich wären die Kosten für den Anwalt, die Beratungshilfe der Obdachlosenhilfe und die Prozesskosten vermeidbar gewesen. Diese Kosten hat natürlich der Staat getragen. Aber die Arge denkt nur an die eigenen Konten. Der Widerspruch in diesem Land wird immer deutlicher. Das ein Herr Zumwinkel erhebliche Gelder unterschlägt fällt angeblich niemandem auf. Ein ALG II Empfänger wird bis unter die Bettdecke kontrolliert. Am Besten finde ich jedoch die Geschichte um den Erdenker dieser Reformen. Peter Hartz – Wasser predigen und Wein saufen – oder wie war das ..?
Nur zur Info: …Am 17. Januar 2007 gestand Hartz in der auf lediglich zwei Verhandlungstage angesetzten Gerichtsverhandlung alle 44 Klagepunkte ein. Der Gesamtschaden dieser Schmiergeld-Affäre beträgt 2,6 Millionen Euro…
…Das Landgericht Braunschweig verurteilte Hartz am 25. Januar 2007 wegen Untreue und Begünstigung des VW-Betriebsratschefs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Er gilt damit als vorbestraft….(Wikipedia) Ein Hartz IV Empfänger wäre wohl nicht so glimpflich davongekommen…
ARMES DEUTSCHLAND!
Anmerkung webMoritz Moderator: Bitte die Namen von Beamen abkürzen! Wir – die Kommentarmoderatoren – können diese Geschichte nicht prüfen und bitten daher auf die Ausschreibung der Namen zu verzichten.
die kleinen Zahnrädchen in den Ämtern kommen sich viel zu oft vor, wie Leute, die ihr eigenes Geld an Bedürftige rausgeben würden. Es ist aber nicht deren Geld sondern das Geld von uns allen, dass wir dafür bezahlen, dass es an Bedürftige gegeben wird. Die Sachbearbeiterin sollte entlassen werden, damit ihr die gleichen Erfahurngen zuteil werden können, wie diesem Mann. Dieses von-Oben-herab gepaart mit dem Verlangen nach Bittstellertum ist ekelhaft und entwürdigend (für beide Seiten)
Vielleicht denken diese Arge Leute doch wirklich in diesem Länd gäbe es zu wenig Geld. Das dem nicht so ist zeigt der Fall Hartz, der Fall Zumwinkel, der Fall Esser, der Fall Ackermann und und und.
Die Verhältnisse sind aus den Fugen geraten. Aber dieses Land will sich eben kein echtes Sozialsystem mehr leisten.
Dann mal Butter bei die Fische: Das Problem sind nicht einzelne ARGE-MitarbeiterInnen, sondern das SGB III (siehe hier: http://bundesrecht.juris.de/sgb_3/index.html). Das schreibt solche Maßnahmen der ARGEn sogar vor. Z.B. ist dort zwingend vorgesehen, daß Arbeitslosgemeldete bei dreimaliger "Verfehlung" (Terminen nicht nachgekommen, keine oder zu wenige Bewerbungen geschrieben, Arbeitsangebote oder die üblen 1-Euro-Jobs nicht angenommen) das Arbeitslosengeld auf 0 gekürzt wird. Die Betroffenen erhalten dann lediglich Lebensmittelgutscheine, die Miete wird nicht mehr von der ARGE übernommen, es droht Einweisung ins Obdachlosenasyl.
Was linke Gruppen (u.a. die Linkspartei im Bundestag), Erwerbslosengruppen und Wohlfahrtsverbände schon vor Einführung des ALG II (01.01.2005) kritisiert haben, wird jetzt offenbar immer mehr Menschen anhand solcher Fälle klar: Hartz IV ist ein Programm, um Sozialleistungen auf ein Minimum zu kürzen und den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen. Es ist ja sehr gut, wenn die Grünen das jetzt kritisieren, aber letztlich war es die rot-grüne Bundesregierung, die Hartz IV – gegen Proteste der Betroffenen – eingeführt hat.
Mit Hartz IV wird nicht der Kampf gegen Arbeitslosigkeit geführt, sondern gegen Arbeitslose. Schon jetzt wird die Arbeitslosenstatistik dadurch geschönt, daß Erwerbslose in 1-Euro-Jobs und in sog. Bildungsmaßnahmen (Bewerbungstrainings und anderer Humbug) nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik geführt werden.
Mit Hartz IV und der Zusammenlegung vom ehemaligen Arbeitsamt mit den kommunalen Sozialämterm ist es zudem gelungen, die Kosten für die Betreuung von Arbeitslosen auf die sowieso schon überschuldeten Kommunen abzuwälzen.
Letztlich ist auch klar, daß das Gros der Arbeitslosen als Langzeitarbeitslose (in Greifswald übrigens 48% aller Arbeitslosen) keinerlei Aussicht hat, überhaupt irgendwann mal wieder ins Erwerbsleben zurückkehren zu können. Diese Leute sind als "Menschenmüll" von Politik und Wirtschaft längst abgeschrieben. Daher wird versucht, diesen Kostenfaktor (in Form von gekürten/eingestellten ALG II-Zahlungen) weiter zu senken, um das Steuersäckel zu entlasten – zu ungunsten der Menschen, die sowieso schon in Arbeitslosigkeit leben müssen.
Arbeitslose dienen, das darf nicht vergessen werden, stets als Druckmittel gegen lohnabhängig Beschäftigte, v.a. im Bereich der prekären Beschäftigung. So gesehen, freut sich die Unternehmerseite natürlich über eine stattliche Arbeitslosenquote, die bei Tarifverhandlungen und betrieblichen Abschlüssen als "unsichtbarer Dritter" mit am Verhandlungstisch sitzt. Karl Marx nannte die Arbeitslosen zurecht die moderne "industrielle Reservearmee" des Kapitals.
Und: Arbeitslosigkeit fällt nicht vom Himmel. Durch die ständige Erhöhung der Arbeitsproduktivität (neue Maschinenparks, effektivere Produktionsverfahren) braucht es weniger menschliche Arbeitskraft im Produktionsprozeß. Statt nun mit Verkürzung der Wochenarbeitszeit – Arbeitszeitverkürzungen (mit vollem Lohnausgleich) – zu reagieren, wird das Arbeitsvolumen sogar noch verdichtet (sprich: die Leute müssen mehr und schneller arbeiten) und gleichzeitig überflüssiggemachtes Personal entlassen, das sich dann in das Heer der Arbeitslosen einreihen darf.
Die wirksamsten Methoden gegen Arbeitslosigkeit sind daher a) eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung, b) ein gesetzlicher Mindestlohn und c) ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor. Nichts wirklich Neues, aber sowas sollte bei der gegenwärtigen Debatte nicht vergessen werden.
"b) ein gesetzlicher Mindestlohn"
Wie soll ein gesetzlicher Mindestlohn gegen Arbeitslosigkeit eingesetzt werden? Entstehen deiner Meinung nach dadurch mehr Jobs?
@ Fred: Ein nicht geringer Teil der prekär Beschäftigten gehört zu den working poor, d.h. sie arbeiten Vollzeit und haben dennoch kein existenzsicherndes Einkommen. Dieser Personenkreis ist darauf angewiesen, den Lohn mit ALG II aufzustocken (sog. "Aufstocker"). Durch einen gesetzlichen, allgemeinen Mindestlohn würdes dieses wegfallen.
Damit würde übrigens auch dem Lohndumping im prekären Beschäftigungssektor ein wirksamer Riegel vorgeschoben.
Die drei von mir genannten Maßnahmen sind daher auch eher als Paket denn als Einzelmaßnahmen zu betrachten, da sie sich gegenseitig verstärken.
Aber glaubst du nicht, dass viele dieser Jobs dann wegfallen würden und viele dieser Menschen dann arbeitslos werden? Haben sie dann etwas gewonnen? Sind Niedriglohnjobs nicht besser als keine Jobs?
@ Fred: Wir entfernen uns jetzt schon sehr weit vom eigentlichen Thema, denke ich. Will Dir aber dennoch nicht die Antwort schuldig bleiben:
Prekäre Arbeit (Niedriglohnjobs) zeichnet sich doch gerade dadurch aus, daß dort Menschen zu Dumpinglöhnen arbeiten (müssen). Diese Jobs sind im allgemeinen nicht existenzsichernd; prekär Beschäftigte zählen (laut Armut-Reichtumsbericht der Bundesregierung) auf jeden Fall zu den rund 34% der Bevölkerung, die akut von Armut bedroht sind.
Prekäre Beschäftigungsverhältnisse dienen zwei konkreten Zwecken: 1. ökonomisch der dauerhaften Senkung der durchschnittlichen Lohnquote der arbeitenen Bevölkerung, 2. politisch der rein formalen Absenkung der Arbeitslosenstatistik.
Menschen, die ihre Arbeitskraft zu Niedrigstlöhnen verkaufen müssen stehen genau so schlecht da, wie diejenigen, deren Arbeitskraft nicht mehr gekauft wird. Die einen müssen also quasi für die Hand in den Mund malochen, die anderen werden von der ARGE mit minimalsten sozialen Leistungen und dauernder Schikane verwaltet. Beide haben keine wirkliche Perspektive auf ein würdevolles Leben mit entsprechendem Einkommen, um mehr als existenzsichernde Bedürfnisse zu erfüllen.
Die Frage ist ergo nicht: prekär oder arbeitslos, sondern vielmehr arbeitslos versus tariflicher Vollzeitarbeit. Und in dem Feld muß entsprechend gehandelt werden. Daß das von staatlicher Seite nicht gemacht wird, hängt mit unserem Wirtschaftssystem zusammen, das darauf ausgelegt ist, der kleinen bourgeoisen Klasse (dort insb. dem Großkapital) Profit zu bringen, während das Gros der Bevölkerung (gemeinhin die proletarische Klasse) von ihrem erwirtschafteten Reichtum nichts oder nur einen unwesentlichen Teil erhält. Unter hochentwickelter Produktivität geht die Tendenz auch immer hin zu einer dauerhaften Arbeitslosigkeit. – Leider haben auch die legitimen ökonomischen VertreterInnen der arbeitenden Klasse, unsere Gewerkschaften, hier noch arge hausgemachte Probleme in Theorie und Praxis; aber sie sehen ja auch, wie durch die prekären Jobs und Zeitarbeitsfirmen ihr eigener Handlungsspielraum massiv beschnitten wird. Veränderungen werden also nicht von oben kommen (Regierung, "die Politik"), sondern nur durch organisierten Druck von unten (Belegschaften, Erwerbslosenbewegung, Gewerkschaften). Entsprechend gilt es, (weiterhin) in die Gewerkschaften hineinzuwirken und entsprechende Vernetzungen (auf praktischem wie theoretischem Feld) vorzunehmen. In den letzten Jahren sind da schon einige (meiner Meinung nach wichtige) Schritte getan worden.
Beim vorliegenden Fall der ARGE Greifswald, wo es ja vordergründig um moralische Fragen geht, wollte ich indes nur aufzeigen, daß die Arbeits- und Funktionsweise der ARGE und ihrer MitarbeiterInnen per Gesetz vorgegeben wurde, daß Hartz IV (und entsprechende Änderungen im SGB III) ansich moralisch (aber v.a. auch ökonomisch und politisch!) zu verurteilen sind.
Gern, ich achte beim nächsten Mal darauf. kleine Anmerkung:
Herr B. der frühere Leiter des Solzialamtes ist jetzt stellvertretender Leiter der Arge.
OZ Leserbrief
sehr geehrte damen und herren,
mit entsetzen habe ich die sendung im ndr über herrn dinse ge-
sehen. bei einem telefonat mit meinen greifswalder verwandten
hörte ich die meinung, daß der mann selbst schuld hat.
dieser eindruck kann entstehen, wenn man hört, wie die verantwortlichen ihre getroffenen maßnahmen aufzählen.
ich melde mich zu wort, weil ich mit herrn dinse mehrere jahre auf
der baustelle kkw nord und anderen baustellen im norden gearbeitet
habe. herr dinse war als fleißig und zuverlässig bekannt und suchte
aber auch den rat seiner kollegen bei privaten problemen (er brauchte die gemeinschaft seiner kollegen).
bei solcher massiven ablehnung der gesellschaftlichen normen sollte man sich eigentlich fragen, ob der mann nicht außer vorschriften auch seelische hilfe braucht.
wie ich in der oz im internet heute lese, nimmt sich die diakonie seiner an. ich wünsche den zuständigen mitarbeitern der
diakonie viel erfolg beim finden und beseitigen der wahren probleme des herrn dinse.
klaus huppertz aus l.wittenberg
Für den Sachbearbeiter der Arge sei noch einmal an das Grundgesetz erinnert:
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und SOZIALER Bundesstaat. Mit Hartz IV wurde das Wort sozial schon arg strapaziert (wie es ja auch das Bundessozialgericht im Zsh. mit Kindern feststellte).
Die Arge hat den Hartz IV Empfänger meines Erachtens schikaniert und sich nicht im geringsten bemüht, ihm eine Arbeitsstelle zu beschaffen. Dieser Mann scheint fast- Analphabet zu sein. Anstatt ihm mit einer Förderung seiner Leistungen im Lesen und Schreiben zu helfen, hat man ihn in die Obdachlosigkeit getrieben. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit ihm Arbeit zu verschaffen, in der lesen und schreiben nicht vordergründig notwendig ist (im Gärtnereiwesen zum Beispiel). Die Arge hatte sehr wohl Alternativen. Nur sind Arge- Beamte ja scheinbar keine frei denkenden Menschen mehr, sondern Menschen, die von Paragraphen abhängig sind und denken, dass diese Paragraphen Gesetz sind und soziales Denken in einer Behörde wie dieser ja fehl am Platz ist. Ich denke, dass der Arge- Beamte einfach keine Lust hatte sich mit diesem Arbeitslosen zu befassen und ihn daher in die Obdachlosigkeit getrieben hat.
Diese Paragraphen sind aber nun mal Gesetz und die Beamten haben sich daran zu halten, ob sie wohlen oder nicht.
Das die ganze Hartz IV Sache – was für ein scheußlicher Name, zumal der Namensgeber selber verurteilt ist – aber handwerklich als Gesetz einfach nur schlecht und zu unrealistisch für die Praxisuntauglichkeit gemacht ist und manchmal ruhig etwas menschlicher ausgeführt werden können, da stimme ich dir zu.
Diese Paragraphen sind aber nun mal Gesetz und die Beamten haben sich daran zu halten, ob sie wohlen oder nicht.
Das die ganze Hartz IV Sache – was für ein scheußlicher Name, zumal der Namensgeber selber verurteilt ist – aber handwerklich als Gesetz einfach nur schlecht und zu unrealistisch für die Praxisuntauglichkeit gemacht ist und manchmal ruhig etwas menschlicher ausgeführt werden können, da stimme ich dir zu.
Trotz der vielen Widersprüche zum Thema, der Herr Dinse ist sicher nicht unschuldig sanktioniert worden, darf eine Sozialbehörde der Stadt Greifswald nicht einfach eine drohende Obdachlosigkeit in Kauf nehmen. Die WVG schliesst seit einiger Zeit nur noch Mietverträge mit Empfängern von Sozialleistungen ab wenn die Miete direkt von der Arge an die WVG geht. Im konkreten Fall hätte die Arge also alles streichen und den Mietzins direkt an die WVG überweisen können. Aber das alles lag im Ermessensbereich einer Kinderheimerzieherin aus der ehemaligen DDR. Diesen Zusatz finde ich hier wichtig weil das sozialistische Prinzip in diesem Zusammenhang jedem klar sein dürfte…wir alle wissen wie diese Dame entschieden hat…
(artour:)…Zur gleichen Zeit befand man sich in der DDR "auf dem Weg zum neuen Menschen". Wer als Kind oder Heranwachsender nicht linientreu mitgehen wollte oder konnte, der landete im Kinderheim und war unausweichlich der sozialistischen Heimerziehung ausgeliefert. "artour" geht der Frage nach, wie sich die Zustände in den DDR-Kinderheimen gestalteten und spricht mit dem Berliner Wissenschaftler Hans-Ullrich Krause über sein Buch "Fazit einer Utopie – Heimerziehung in der DDR – eine Rekonstruktion". Außerdem kommen im Beitrag ehemalige Heimkinder zu Wort, die zum ersten Mal vor einer Fernsehkamera ihre sehr unterschiedlichen Erfahrungen aus der Zeit in den DDR-Kinderheimen schildern…
Ich wollt nur mal sagen das scheint kein Einzelfall gewesen zu sein, denn die Greifswalder Arge wurde glaub ich bundesweit zum gnadenlosesten Arbeitsamt gewählt. Was das mit der DDR zu tun hat würde ich mal gern wissen!Ich glaub das ist eine ganz klar politische Ausrichtung hier in Greifswald.Frag mal lieber den Oberbürgermeister anstatt die DDR…
Wie auch im Artikel steht, hat die Arge hat vor zwei Monaten den bundesweiten Negativpreis “Verbogener Paragraph” der Evangelischen Obdachlosenhilfe erhalten. Meintest du das? Oder gab's da noch 'nen weiteren Preis?
Übrigens sind Arge und Arbeitsamt nicht so ohne Weiteres gleichzusetzen.
Wer kam denn auf die Idee für das Galeriebild zum Thema..? Es ruft ein fieses Schmunzeln in mir hervor 🙂