Kaum sind die offiziellen Erörterungstermine um das geplante Kohlekraftwerk in Lubmin vorüber, werden die politischen Befürworter des Kraftwerks unruhig.
Vor wenigen Tagen behauptete der Landtagsabgeordnete und Präsident der Greifswalder Bürgerschaft Egbert Liskow (CDU) noch öffentlichkeitswirksam, die Erörterung hätte keinerlei neue Erkenntnisse gebracht, die gegen den Bau des Milliardenprojekts sprächen. Peinlich für ihn, dass kurz darauf durch einen Leserbrief in der Ostseezeitung, bekannt wurde, dass Liskow an dem mehrwöchigen Verfahren lediglich für wenige Stunden teilgenommen hatte. Weitergehend informiert hatte er sich wohl auch nicht, denn reihenweise waren neue Studien und Erkenntnisse eingebracht worden. Das nun folgende Genehmigungsverfahren muss sich mit 9000 (sic!) Einwendungen beschäftigen.
Nach dem auch Naturschutzorganisationen und Bürgerinitiativen eine abschließende Erklärung herausgaben und darin (sicherlich erwartungsgemäß) das Kraftwerk als „nicht genehmigungsfähig“ einstuften, wird die Luft für die Kraftwerksbefürworter immer dünner.
Und wieder ist es Liskow der sich am vergangenen Montag mit überbordender Demokratiekompetenz ins Rampenlicht spielt. Der OZ gegenüber äußert er: „Sollten die Behörden (…) die Genehmigung im Frühjahr versagen, wäre das Klima in der Koalition unwiderruflich vergiftet“. Dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD), der dem Kraftwerk eher skeptisch gegenübersteht, wirft er unsauberes Spiel vor und übt sich in weiteren Drohgebärden, indem er anmerkt, dass der Zeitpunkt für Neuwahlen für die CDU denkbar günstig sei.
Auch wenn der CDU-Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Jürgen Seidel tags darauf ein Machtwort sprach und seine Parteifreunde aufrief sich mit öffentlichen Ratschlägen zurückzuhalten: Man darf und (leider wohl auch: muss) Liskow so verstehen: Wenn das juristisches Verfahren nicht zu seinen Gunsten endet, will er einen Bruch des Regierungsbündnisses herbeiführen.
Ob Neuwahlen für die CDU tatsächliche eine gute Option sind, sei allein bei den vielen Kraftwerksgegnern dahingestellt. Mit dieser Aussage gebührt Liskow aber auf alle Fälle ein Preis für den aufrichtigsten Volksvertreter des Monats. Selten gehen Politiker so offen mit der möglichen Beeinflussung von behördlichen Vorgägen um. Hoffen wir auf der anderen Seite, dass die Beamten, die sich mit dem Verfahren befassen, sich von Menschen wie Egbert Liskow nicht unter Druck setzen lassen.
Bild auf der Startseite: saturn via flickr
Update: Offener Brief an Liskow der Bürgerinitiative
11. Dezember 2008
Dieser offene Brief wurde uns gerade mit der Bitte um Veröffentlichung zugeschickt. Er stammt von der Bürgerinitiative Greifswald gegen das Steinkohlekraftwerk Lubmin e.V.
Darin heißt es unter anderem:
„Mit Unverständnis und Verärgerung haben wir, die Mitglieder der Bürgerinitiative Greifswald gegen das Steinkohlekraftwerk Lubmin e. V., die in der „Ostsee-Zeitung“ am 8. Dezember wiedergegebenen Äußerungen des Landtagsabgeordneten und Greifswalder Bürgerschaftspräsidenten Egbert Liskow aufgenommen. […]
[…] fällt Herr Liskow wiederholt durch eine der sachlichen Auseinandersetzung nicht dienliche Polemik auf. Wir sind jedoch weder über Wortwahl noch über die offen gezeigte Unsachlichkeit überrascht, da Herr Liskow in der Vergangenheit mehrfach und insbesondere im Zusammenhang mit dem geplanten Steinkohlekraftwerk in Lubmin mit einer beleidigenden Polemik und durch Teilnahme an anderen Veranstaltungen aufgefallen ist, während zeitgleich ein sachlicher Austausch im Rahmen eines rechtstaatlichen Verfahrens stattgefunden hat, an dem auch er hätte teilnehmen können. So hat Herr Liskow an der Kundgebung „Pro-Steinkohlekraftwerk“ teilgenommen, trotzdem zeitgleich die langfristig terminierte Fortsetzung der Erörterung der Verfahren zum wasserrechtlichen Erlaubnisantrag abgehalten wurde. Wäre Herr Liskow ein dem Land Mecklenburg-Vorpommern verpflichteter und verantwortungsbewusster Politiker, so hätte er zweifellos an der Erörterung teilnehmen müssen, um sich nach der Aneignung von Kenntnissen differenziert und sachbezogen zu dem geplanten Projekt zu äußern.
Wir missbilligen die von Herrn Liskow praktizierte Art und Weise der Auseinandersetzung zutiefst und verurteilen die ausgesprochenen Drohungen, da sie dem Bestreben, die strukturelle Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns nachhaltig, verantwortungsvoll und demokratisch voranzutreiben, zuwider läuft. Durch seine Aktivitäten wirft Herr Liskow auch ein schlechtes Licht auf die demokratische Kultur und die Art und Weise der Auseinandersetzung im Landtag.
Es muß die Frage erlaubt sein, ob Herr Liskow überhaupt in der Lage ist, den Anforderungen gerecht zu werden, die an einen Landtagsabgeordneten heutzutage gestellt werden. Auch müssen sich die Greifswalder Politiker die Frage stellen, ob die Universitäts- und Hansestadt sich einen Bürgerschaftspräsidenten mit diesem Politikverständnis leisten kann, ohne dass Greifswald eine Beschädigung erfährt.“
Der ganze offene Brief, findet sich hier.
[Das Update passt nur thematisch. Es ist keine Ergänzung des Kommentars des webMoritz.]
Ob für das hier zu Tage tretende Demokratiedefizit der CDU die Verflechtung ihrer Mitglieder bei der Auftragsvergabe ausschlaggebend ist? Zumeist tritt sie ja als Interessenvertreter der Handwerker auf.
Das Demokratiedefizit befindet sich wohl eher bei der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei „Die Linke“
Hey Hey, Mir gehört der halbe Markt.. der halbe Fischmarkt dazu..! Ich bin Bürgerschaftspräsident und habe alle meine Freunde, egal welcher Partei, in die Bürgerschaft geholt… Gestern habe wir zum Bsp. beschlossen, dass die Bestattungskosten in Greifswald steigen werden. Von 1194,80€ auf 2880,25€ für die Erdparkstelle. Weiterhin habe wir die Müllgebühren angehoben und die Reinigung der Strassen halbiert, bei steigenden Kosten versteht sich. Bitte liebe Bürger, hören SIe mir zu, schauen Sie auf meine Taten. Ich bin nicht an Sozialem Quatsch interessiert. Leider klappt die Zusammenarbeit auf Landesebene mit der CDU nicht so gut wie hier in der Bürgerschaft. Deswegen muss ich ein bischen drohen, verstehen sie das..? Klappt ja auch immer ganz gut. Wissen Sie ich bin es gewohnt Gegner zu haben… Und genauso bin ich es gewohnt meine Gegener zu besiegen, mit allen Mitteln. Egal ob rechtstaatlich oder nicht.
Viele Grüsse noch an Ulrich A. Mach weiter so. Die Leute hier merken doch nichts. Hab denen gerade gesagt das der Zeitpunkt für Neuwahlen günstig für uns ist. Zahlt sich doch aus das wir Freunde bei der Zeitung haben. Die meisten wissen nur wie gut wir sind. Alles Gute für 2009
Euer Eggi
*auszeichnung verleih*
Bester bisher auf webmoritz veröffentlichter Kommentar
*applaus*
Bei 9000 Einwänden bleibt zu hoffen, daß die Genehmigung nicht allzu schell erteilt wird (und so vielleicht doch noch auf den Bau verzichtet wird). Sollte daraufhin ein Bruch der Koalition herbeigeführt werden, sind solche Aussagen, wie sie Herr Liskow hier tätigt, sicherlich nicht der CDU nützlich.
kleine Zwischenfrage an die Redaktion: Das Anhörungsverfahren diente doch dem Zweck die 9000 Einwendungen zu erörtern? Also wird im Frühjahr entschieden ob genehmigt wird oder nicht…
naja – erstmal wurde nur angehört. Jetzt müssen die Behören alle Einwendungen prüfen. Auch Dong hat meines Wissens nach eine Liste mit Hausaufgaben mitbekommen. Also offene Fragen, die sie beantworten müssen…
Wann entschieden wird, steht meines Wissens nach nicht fest.
Habs gefunden, kommt von Herrn L. selbst…
„Sollten die Behörden der 2,3-Milliarden-Investition die Genehmigung im Frühjahr versagen, wäre das Klima in der Koalition unwiderruflich vergiftet“
hab ich mir gerade selbst ausgedacht:
„Sollten die Behörden der 2,3-Milliarden-Investition die Genehmigung im Frühjahr erteilen, würde das Klima des Planeten fortschreitend und unwiderruflich vergiftet“
Koalition oder Erde?
Ein Teufelskreis 😀
Das ist ja eine verheerende Drohung, die Liskow da aüßert! Neuwahlen! (Es gehen doch sowieso bloß 20-30% zur Wahl…)
Da bekommt man als Behörde gleich panische Angst!
Ist Herr Liskow noch im Kindergarten???
Bezüglich des Themas SKW oder kein SKW scheint es mir so…
vom mangelnden Demokratieverständnis mal ganz abgesehen…
ZITAT: „fällt Herr Liskow wiederholt durch eine der sachlichen Auseinandersetzung nicht dienliche Polemik auf. Wir sind jedoch weder über Wortwahl noch über die offen gezeigte Unsachlichkeit überrascht“
Das ist ja nun auch an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten — wer polemisiert denn hier permanent? Das sind ja wohl gerade die Anti-Leute die gegen alles sind. Nicht jedenfalls die Leute die sich für die wirtschaftlich stabile Zukunft der Region einsetzen wie Herr Liskow.
Fortschrittsfeindliche Kommunisten sind das. Da zeigt sich wieder das wahre Gesicht des Bolschewiks, als Menschenfeind.
@FJS:
Natürlich, alle die gegen das SKW sind, sind Kommunisten!!!
Und überhaupt sind alle, die gegen etwas demonstrieren oder die Bürgerinitiativen (z.B.: gegen Schäubles Gesetze) gründen alles Kommunisten!!!
😆 😆 😆
Ich liebe deine Kommentare, die vor Sinnfreiheit nur so strotzen!
Wäre ja super, wenn es hier in Greifswald so viele KommunistInnen gäbe. 😉 Aber bekanntlich fallen die nicht wie Manna vom Himmel und werden auch nicht aus Edmunds Rippe geschnitzt. Um ein bißchen Lesestudium von Marx und Engels Schriften und der Aneignung des wissenschaftlichen Sozialismus (Politische Ökonomie, Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, historisch-dialektischer Materialismus) kommt mensch da nicht herum.
Aber Spaß beiseite: Die Bewegung gegen das Steinkohlekraftwerk lebt von der Breite des gemeinsamen Bündnisses, also Naturschutzverbände, Tourismusbranche, GewerkschafterInnen, StudentInnen, Umweltbewegte, SozialistInnen, besorgte AnwohnerInnen … Vielleicht hat ja die CDU hier einfach Angst, daß sie die politische Kontrolle über die dummgehaltene Provinz verliert, so wie es ihr schon mal im Wendland passiert ist. 8)
Immer diese Hellseher, die meinen, mit Kohlekraftwerk würde alles toll. Ist das empirisch zu belegen? Oder hat irgend ein großer Konzern oder reicher Unternehmer gesagt, „wenn in Lubmin ein Kohlekraftwerk steht, bau ich gleich mal meine Fabrik daneben und stell Leute aus Ostvorpommern ein“? Wenn nicht, sind solche Behauptungen mit „wirtschaftlich stablier Zukunft“ doch Kaffeesatzleserei – und somit auch ziemlich polemisch…