Das in verschiedenen Medien großspurig als „Demonstration“ angekündigt worden war, scheint doch nur eine gesittete Kundgebung zu werden: Am kommenden Freitag will der Unternehmerverband Vorpommern mit einer Veranstaltung seine Meinung zum geplanten Kohlekraftwerk in Lubmin (bei Greifswald) kundtun.
Und auch die Kraftwerksgegner rufen dazu auf die Veranstaltung zu besuchen.
In einem Brief an Unternehmer in der Region schreibt Verbandspräsident Gerold Jürgens:
„Gemeinsam […] wollen wir ein Zeichen zur Unterstützung des geplanten Steinkohlekraftwerkes setzen. Daher bitten wir Sie, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und Ihren Mitarbeitern die Teilnahme zu ermöglichen und informieren Sie bitte auch Ihre Freunde und Bekannten über diese so wichtige Veranstaltung.“
Die Veranstaltung beginnt um 13 Uhr an der Sporthalle des BiG in der Feldstraße 85. Die Veranstalter rechnen mit großem Andrang (von 1000 Menschen war die Rede) und werden eigens für diesen Zweck ein Zelt vor der Halle aufbauen. Auf der Rednerliste stehen Vertreter des Unternehmerverbands, der Industriegewerkschaft IG BCE, des Wirtschaftsrats und des Technologiezentrums Vorpommern. Nach Angaben des Unternehmerverbands ist auch für das leibliche Wohl gesorgt.
Kraftwerk-Gegner wollen kommen
Auch die Kraftwerks-Gegner rufen – satirisch überspitzt – auf, zur Demonstration zu gehen. Der Sprecher der Initiative Pro Treibnetz (IPT) Julian Sermon, äußerte sich gegenüber dem webMoritz wie folgt:
„Die Natur braucht Energie aus Steinkohle. Denn ohne menschliche Hilfe wäre ein Klimawandel wie wir ihn derzeit durchführen nicht denkbar. Wenn wir durch die Lubminer Heide spazieren und auf das zugehörige Industrieidyll blicken, wird uns Menschen klar, wie gut die Symbiose unserer Produktionsanlagen mit der Natur funktionieren kann. Keine Heringslarve der Welt hat sich jemals beschwert – Warum wohl?!
Nun hat die Stunde der Steinkohle geschlagen – auf keinen Fall aber die Letzte! Lassen Sie sich nicht beirren von der unreflektierten Ökopropaganda gewisser naturterroristischer Eiferer. Denken sie an die Wirtschaft! – Besonders an die dänische!
Es ist bekannt: Geht es der Wirtschaft gut, blüht und frohlockt die Natur ebenfalls. Kommen sie daher alle am 21.11. um 13. Uhr in die Sporthalle des BiG, Feldstraße 85.“
Außerdem gab Julian Sermon unseren Kollegen von radio 98eins ein Interview das ihr euch hier anhören könnt:
Weitere Infos:
- Webmoritz-Artikel zum Thema
- Seite des Kraftwerks-Betreibers
- Flyer der Initiative Pro Treibnetz zum Kraftwerk Lubmin
- Seite des Unternehmerverbands Vorpommern
Autoren: Gabriel Kords & Henning Hurtz
Bildquelle: Webmoritz-Archiv
Von wegen „Demonstration“ – es handelte sich lediglich um eine Kundgebung im BIG (mit vorgelagertem Zeltanbau, Glühweinstein und Gratis-Bockwurst). Kurzfristig hatten die OrganisatorInnen eine sowieso geplante Veranstaltung des Unternehmerverbandes für ihre Pro-Steinkohlekraftwerks-Kundgebung umgewandelt. Nur so war es überhaupt möglich, daß die die als Saal genutzte Turnhalle nicht völlig leer wirkte. 250-300 Leute, schätze ich mal, waren da – vom Podium wurde von 1.000 Leuten, die sich angekündigt hatten und jetzt noch im Stau auf der Umgehungsstraße stünden, fabuliert. Eingetroffen sind die jedenfalls auch nach 1 Stunde nicht mehr. Anzumerken bleibt auch noch, daß ein nicht geringer Teil der Anwesenden offenbar Azubis der entsprechenden Handwerks- und Indutriebetriebe waren, die dorthin mitgeschleppt wurden – gut erkennbar an den überall präsenten blauen Latzhosen.
Ich habe mir die Veranstaltung im Saal eine Stunde lang angetan und kam aus dem Schmunzeln nicht heraus ob der abstrusen Argumente. Am besten hat mir noch der Vertreter aus Rügen gefallen, der meinte, die Fernwärme des Kraftwerks müsse auch unbedingt genutzt werden; er plädierte – offenbar ganz ernsthaft – dafür, in Lubmin Treibhäuser aufzustellen, um dort Zitrusfrüchte und Schnittblumen produzieren zu können, das würde dann auch viel Kerosin sparen, der sonst beim Transport aus Kolumbien etc. entstünde. 😆
Sprechen durften am Mikrofon bis 14:00h folgende Pro-Steinkohle-RednerInnen:
1. Unternehmerverbandsvertreter :sleeping:
2. ehem. Bürgermeister von Wolgast :blink:
3. Vertreter der EWN :blink:
4. Sprecherin der gelben Gewerkschaft IG BCE (eine Schande für den DGB!) :sick:
5. Vertreter von der Kreishandwerkskammer aus Rügen :biggrin:
Während der Rede des EWN-Vertreters entrollte etwa ein Dutzend Leute 3 Transparente gegen das Steinkohlekraftwerk im Saal, die sie am Saalschutz (GSD Sicherheitsdienst Stralsund) vorbei mitgebracht hatten. Teils durch den Saalschutz, teils durch höchst erregte TeilnehmerInnen der Versammlung wurden ihnen die Transparente entrissen, und sie des Saales verwiesen. Ein älterer Herr wollte sogar noch eine Schlägerei mit einem der Transparentehalter anfangen und schlug mehrmal vehement mit seiner Mütze auf den jungen Mann ein. Ein von der JU-Abordnung, die zur Anhebung der TeilnehmerInnenzahl ebenfalls ins BIG gekarrt worden war, intoniertes „Rauswerfen! Rauswerfen!“ wurde im Saal von vielen lautstark aufgegriffen. – Absurde Szenen! :happy: Allein dafür hat sich der Besuch gelohnt! (Und natürlich wegen der kostenlosen Bockwurst.)
Wie gesagt, länger als eine Stunde habe ich diese (indirekte?) DONG-Werbeveranstaltung nicht ausgehalten und bin dann im ersten Greifswalder Schnee diesen Jahres nach Hause. 😎
Das Spaßigste waren noch vor Beginn der Veranstaltung zwei Hanseln, die mit satirischen Plakaten die SteinkohlekraftwerksbefürworterInnen mächtig auf die Schippe genommen haben. Da hieß es (ich hab’s mir extra notiert): „Für mehr Boddenheizung! – Initiative PRO Steinkohlekraftwerk“, „Tourismus stört nur!“, „Blühende Landschaften dank Steinkohle!“ und „Steinkohle ist Zukunft! Windenergie ist Kommunismus!“ 😆 😆 😆
Fazit: Selbst bei einer solch inszenierten Veranstaltung wie heute im BIG kriegen die BefürworterInnen keine Massenveranstaltung hin. Kein Wunder, daß sie sich nicht auf die Straße getraut haben und es lieber beim Glühweinchen in der Sporthalle beließen.
Das Interview ist ja unglaublich…. *sprachlos bin*
Es ist schade, dass manche Menschen wirklich solche Ansichten vertreten !
Initiative gegen Ignoranz und Lobbyfreaks.
nicht gerafft? :biggrin:
sweet irony – der interviewte student ist offensichtlich gegen das kohlekraftwerk lubmin, nimmt aber die sichtweise der kraftwerksbefürworter gekonnt und überspitzt auf die schippe. tolles engagement, gutes interview!
geniales interview. „die natur ist kein ponyhof“ haha!