Der Famila-Markt auf Sylt hat eine Wursttheke. Dort bietet man dem Kunden nicht nur Fleisch in allen möglichen Erscheinungsformen sondern auch „Hackfleisch-TV“.

Was zum Teufel ist das? Auf den ersten Blick scheint es sich dabei um eine sonderbare Ausdifferenzierung des althergebrachten Fernsehens zu handeln. Aber es ist mehr. Es ist die Liebeserklärung des Fernsehens an die Schlachtkammer. Es ist eine Art Liveübertragung genau jenes Geschehens, das sich abspielt, wenn das Hackebeil zum Einsatz kommt.

Da der normale Fleischfresser genau dieses Geschehen gar nicht mitansehen will bzw. kann, belästigt Hackfleisch-TV seine Zuschauer nicht mit Blutbächen und Knochenknacken, sondern zeigt nur und immer wieder, aber vor allem live, wie frisch doch alles ist – bei Famila. Dem erstaunten Kunden bleibt nur die mittlerweile fast alltägliche Frage: In was für einer Gesellschaft leben wir hier eigentlich?

Es ist also geschehen: Das Fernsehen hat sich in die letzte und intimste Zone der deutschen Gesellschaft vorgewurschelt: hinter die Fleischtheke. Diese ist nun live verbunden mit dem nicht minder heiligen Ort unseres ganzen großen Wurstlandes. Gemeint ist jene geheime Welt, die hinter den wurstverhangenen Kachelwänden liegt. Eine Welt, die dem Fleischlüsternen bisher nur durch seine eigene schmutzige Phantasie zugänglich war und durch die eine oder andere versteckte Kamera.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Nach den erschreckenden Bildern von essenden Fernseh-Reportern, die jeden Tag die gleiche Mahlzeit bestellten, um die am Tag zuvor mühselig in die nicht geschafften Steaks eingearbeiteten Holzstäbchen wiederzufinden. Und das nach all den Gammelfleischskandalen, deren Nachgeschmack kaum erst einem sauren Aufstoßen gewichen ist. Nach allen Querelen, die das Deutsche Fernsehen dem Deutschen Fleisch gemacht hat, hat es nun bei Famila beschlossen, dem Hackepeter die Haxe zu reichen.

Und das Produkt dieser jungen Liebe trägt den wohlklingenden Namen Hackfleisch-TV. Dass die Wahl nicht auf Wurst-TV fiel, liegt auf der Hand. Salami-TV klang derweil zu undeutsch für eine so deutsche Sache, wie die Wurst. Und da es bei Fleisch nicht nur um die Wurst geht, entschied man sich bei Famila nach langen Abstimmungsrunden für Hackfleisch-TV. Dann schickte man noch schnell einen Azubi in die Elektrogeräteabteilung, um den allergrößten Flachbildfernseher zu holen und schwuppdiwupp gab’s Hackfleisch-TV.

Seitdem leistet dieser merkwürdige Sender die Überzeugungsarbeit bezüglich Frische und Qualität. Hackfleisch-TV schafft Vertrauen, weil es auf einem Flachbildschirm erscheint. Überall gibt es sie schon, diese Riesen-Flachbildschirme, die Vertrauen schaffen. Der Bürger kennt das sehr gut, der Bürger vertraut dem Fernsehen. Darum sieht der Bürger ja durchschnittlich dreieinhalb Stunden am Tag fern. Das Fernsehen kümmert sich um die Talente, um die Sozialfälle, um die Bildung und um Kochrezepte. Der Bürger weiß das zu schätzen, dass sich jemand kümmert. Der Bürger vertraut dem Fernsehen und nun vertraut er zumindest bei Famila auch der Wurst.

Diese Art des Vertrauens zu schaffen, war den unterbezahlten Kräften – von Wurstfachkräften kann ja keine Rede mehr sein – schon lange nicht mehr möglich. Diese armen Würstchen werden nämlich so schlecht bezahlt, dass sie kaum mehr verantwortlich zu machen sind für ihrer Hände Arbeit. Ohne Verantwortung lässt sich aber kaum das bei Famila so dringend benötigte Vertrauen gewinnen. Vertrauen hat man hierzulande nur in jene, denen diese Verantwortung auch bezahlt wird. Diese Leute arbeiten übrigens nicht hinter der Theke oder in den Lokomotiven, sondern die sitzen auf Stühlen in Räumen, in denen man sich noch nicht einmal das Mittagessen selber holen, geschweige denn bezahlen muss.

Kurzum man hat auch hinter der Wursttheke erkannt, wozu das Fernsehen in der Lage ist. Den von ihrer fleischlichen Verantwortung enthobenen Mitarbeitern bleibt nur das Abwiegen und die ewig gleichen Fragen „Geschnitten oder am Stück“ oder „Darf es ein bisschen mehr sein?“.

Manchmal aber, wenn wieder mal jemand ganz und gar gefesselt vor dieser Theke steht und nicht glauben kann, dass es Hackfleisch-TV tatsächlich gibt; wenn er sieht, wie das nur mit den saubersten Geräten gehandhabte Gehackte gerührt wird und wie ihn, den Käufer, dieses Gehackte dann selber ganz tief drinnen rührt und bewegt; dann kommt es vor, dass dieser Mensch ein Foto machen möchte, nur um später zu Hause begreifen zu können. Und genau dann sagt die Verkäuferin ihren dritten Standardsatz. Jenen Satz, der ihr erst vor kurzem vom Management empfohlen wurde auswendig zu lernen: „Fotografieren ist hier verboten!“

Und spätestens dann weiß man auch, was man bei Famila wirklich unter Transparenz versteht.

Autor: EdeWalletzky

Link: Hack-TV