Eine Reportage über die erste StuPa-Sitzung
Am 15. April dieses Jahres war es mal wieder soweit: das Studentenparlament (StuPa) der Uni Greifswald konstituierte sich auf ein Neues. Dieses Ritual findet jedes Jahr statt. Dieses Jahr zum zweiten Mal im Konferenzsaal des Hauptgebäudes der Universität. Nach sterilen bis heruntergekommenen Sitzungssälen in den Jahren davor wird nunmehr also ein Ambiente geboten, das im Vergleich mit den vorigen Räumen vor akademischer Würde fast schon trieft.
Säulen umlaufen das Plenum, es gibt so etwas wie einen Eingangsbereich und von den Wänden sowie von drögen Stellwänden hängen historische Teppiche „aus der Region“, wie der Einzelhandel so schön sagen würde. Unbeeindruckt davon, wo das StuPa gerade tagt, hat das Ganze aber etwas von einem eingeübten Ritual. Dieses Jahr ist zwar ein großer Anteil an Neuzugängen im StuPa vertreten, doch die redseligsten Wortführer sind dieselben wie immer. Es handelt sich hierbei um eine bestimmte Spezies im StuPa: Die Wiedergewählten. Mit einer Ausnahme.
Ein Populist im Parlament
Sebastian Jabbusch, der im StuPa-Wahlkampf mit markigen Sprüchen („Ich hasse Hochschulpolitiker!“) auf sich aufmerksam machte, wurde mit überwältigender Stimmenanzahl ins StuPa gewählt (moritz 69). Nun sitzt er dort und schwankt zwischen ganz still und ganz laut sein. Seine Arbeitseinstellung lässt sich somit auf der ersten Sitzung nur schwer einschätzen, bei kontroversen Themen gibt er sich jedoch kämpferisch. Spannend wird hier in der kommenden Legislatur sein, ob das StuPa und Jabbusch es hinbekommen, sich auf einer kommunikativen Ebene zusammen zu finden. Immerhin reagieren jetzt schon viele der Alteingesessenen gereizt auf ihn, was an seinem StuPa-kritischen Blog auf uni-greifswald-blog.de (inzwischen ryck-blick.de) liegen mag (moritz 69).
Animierte Ohnmacht
Sowieso ist es schwer, dieser Sitzung eines der beiden Siegel „Diskussionsfreudig“ und „Völlig lethargisch“ aufzudrücken. Grundsätzlich durchzieht eine gelangweilte Trägheit die konstituierende Sitzung, die leider per se lethargisch sein muss, da eine umfangreiche Liste an Formalia abgearbeitet werden will. Nur vereinzelte StuPa-Mitglieder, die gehyped scheinen von ihrer Überzeugung etwas Wichtiges zu tun und wie angestachelt einherlächeln, scheinen das anders zu sehen. Der Rest unterhält sich doch des öfteren. Nachdem Philosophiestudent Frederic Beeskow erneut zum Präsidenten des Parlamentes gewählt wird, weht wenigstens der Hauch einer Struktur durch den Rest der Sitzung. Aber der routinierte Schneid der letzten Jahre ist raus. Selbst das Schreiben von Abstimmungszetteln kann hier zu einer echten Herausforderung werden. Die Gäste, die sich tatsächlich relativ zahlreich hergetraut haben, werden währenddessen auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Zu selten dürfte es für ihren Geschmack die eine oder andere aufflammende Diskussion zu einem schwierigen Thema geben. Meistens bleibt es dabei, dass Florian Bonn, augenscheinlich bekennender Chefermittler mit enervierendem Grinsen, hinter jeder Wolke einen Hundehaufen zu erkennen meint. Meistens findet er nichts.
Skandal!
Doch was jeder mit Spannung erwartet kommt fast einem Eklat gleich. Sebastian Jabbusch spielt auf ein Fass an, dass man Alexander Schulz-Klingauf zufolge „heute nicht aufmachen“ wollte. Da wird vorgetragen, dass sich einige Studenten auf den Schlips getreten fühlten, weil im aktuellen Sommermoritz ein Comic abgedruckt ist, den man als antisemitisch auslegen könnte. Der wiedergewählte StuPa-Präsident Beeskow hatte im Vorfeld schon eine E-Mail von einem Studenten erhalten, der sich darin wohl recht bitterlich über diesen Umstand beschwerte. Kaum ist das Fass geöffnet, wird auch schon scharf geschossen. Björn Buß, moritz-Chefredakteur, ist der Meinung, man bräuchte doch schon ziemlich viel guten Willen, um den angesprochenen Comic antisemitisch zu verstehen. Der Autor habe sich zudem schon diverse Male auf politisch unkorrekte Weise über „Randgruppen“, beziehungsweise über den Umgang mit diesen lustig gemacht, ohne, dass sich jemand daran gestört hätte. Daraufhin murmelt Schulz-Klingauf nur: „Schlimm genug, dass der sich mit solchen Themen beschäftigt.“ Sebastian Jabbusch sekundiert sofort: „Antisemitismus hat in Deutschland eine besondere Dimension.“ Außerdem sei „so etwas gerade in Zeiten so viel antisemitischer Propaganda gefährlich.“ Letztlich hält Jabbusch das Ganze sogar für „rechtlich problematisch“. Hört, hört! Da hat der moritz auf einmal einen ausgewachsenen Karikaturenstreit am Hals! Aber er freut sich darüber. Ehrlich.
Back to the roots
Was danach folgt, ist die große Ernüchterung. Die restlichen Tagesordnungspunkte diktieren den Fortlauf der Sitzung. Es werden Ämter wie die Kassenprüfung per Wahl gefüllt. Der Haushaltsausschuss wird tatsächlich fast vollständig besetzt, was auf konstituierenden Sitzungen eher eine Seltenheit ist. Hin und wieder sorgt einzig Kim, der Hund der stellvertretenden Chefredakteurin des moritz, Maria Trixa, für Erheiterung. Er geht dann auf nur schwer kontrollierbare Streifzüge durchs Plenum. Martin Hackober, StuPist und Mitlied des „Rings Christlich-Demokratischer Studenten“, trägt dem Präsidenten seine Bedenken vor, dass dieser Umstand die Ernsthaftigkeit der Sitzung unterminieren könnte. Dieser setzt dem anarchistischen Treiben bald darauf durch einen Ordnungsruf ein Ende. Ein Finanzantrag des Jurastudenten Philip Rusche, der einen kritischen rechtstheoretischen Kongress in Greifswald organisiert und noch ein wenig finanzielle Unterstützung dafür braucht, wird ein wenig zusammengestrichen und dann angenommen. Man hat Zeit, sich die Teppiche an den Wänden ein wenig anzuschauen. Es werden AGs eingerichtet. Um 0 Uhr wird die Veranstaltung satzungsgemäß beendet und wenigstens die wichtigsten Punkte sind von der Tagesordnung bearbeitet. An Produktivität mangelte es dieser Sitzung nicht, an Inspirationen schon eher.
Geschrieben von Stephan Kosa