Der praxisorientierte Bachelor – eine Farce?
„Nö, Pech gehabt!“ Schafft es der Bachelorstudent nicht, sein Praktikum so zu organisieren, dass es nicht mit den Prüfungsterminen kollidiert, geht der Freiversuch für die verpassten Prüfungen flöten.
Das bedeutet auch: Der Wiederholungsversuch zur Notenverbesserung entfällt und ein erstes Durchgefallen bleibt auf dem Zeugnis vermerkt. Da hilft auch das Verschieben der Prüfung in den Wiederholungszeitraum nicht. Folglich bleibt Bachelorstudenten nur eines übrig, möchten sie den Freiversuch nicht verschenken: Zum Regelprüfungstermin anwesend sein. Doch ein Praktikum muss mindestens vier Wochen am Stück absolviert werden, vorzugsweise natürlich in den Semesterferien. Das wird anhand der Terminierung der Prüfungszeiträume problematisch.
Prüfung oder Praktikum?
Laut Prüfungsamt sollten die konkreten Prüfungszeiträume der einzelnen Institute für das Sommersemester 2008 schon längst auf der Homepage der Universität erscheinen. „Wir beabsichtigten die Zeiträume bis zum 22. April zu veröffentlichen. Das funktioniert aber nur, wenn bis dahin alle Angaben aus dem Institut vorliegen“, erklärt Steffi Albrecht vom Zentralen Prüfungsamt. Leider sind immer noch nirgends die Zeiträume einsehbar. Gerade bei mündlichen Prüfungen ist die Festsetzung eines Termins schwierig. Diese kann erst nach der Prüfungsanmeldung durch die Studenten erfolgen. Außerdem müssen sich zwei Prüfer auf einen Termin einigen. Hier scheint weder die Kommunikation von Dozent zu Dozent, noch zwischen den Dozenten und dem Prüfungsamt zu funktionieren.
Clemens Reimann kennt genau dieses Problem. Für seine mündliche Geschichtsprüfung im letzten Semester gab es nie einen offiziellen, dem Prüfungsamt bekannten Termin. Den gibt es bis heute nicht. Dadurch konnte Clemens seinen Freiversuch behalten, musste den Praktikumsbeginn aber zweimal verschieben. Das Regionalmuseum Neubrandenburg ging mit den Prüfungsschwierigkeiten sehr locker um. „Die Flexibilität, die mir das Museum entgegen gebracht hat, hätte ich von der Uni erwartet“, merkt Clemens dazu an. Das Entgegenkommen seiner Praktikumsstelle ist in der Tat ein wahrer Glücksfall.
Grundstudium ahoi!
Oft noch werden Diplom- oder Magisterstudenten von potentiellen Arbeigebern vorgezogen. Diese haben ebenfalls alle Hände mit der Organisation und Vereinbarkeit von Prüfung und Praktikum zu tun. Doch können sie nach vier Semestern in der Regel ein Grundstudium vorweisen. Viele große Unternehmen bieten Praktika nur für Studenten mit dieser Qualifikation an. Hinzu kommt der lange Zeitraum: Am liebsten ein halbes Jahr soll die Berufserfahrung andauern. Dafür müsste ein Freisemsester her. Doch das wird von der Studienberatung für viele Fächer nicht empfohlen, denn Veranstaltungen im Bachelorstudium sind modularisiert und bauen aufeinander auf. So werden die meisten Prüfungen nur einmal im Jahr angeboten. Deshalb kann durch ein Urlaubssemester schnell der Anschluss verloren gehen und dadurch verliert der Student unnötig Zeit. Das würde auch den bildungspolitischen Plan, der mit dem Bachelor-Studiengang einen früheren Studienabschluss vorsieht und damit jüngere Hochschulabsolventen hervorbringen soll, durchkreuzen.
Managementprobleme
Der Zeitraum für die Prüfungen darf bis zu sechs Wochen in die vorlesungsfreie Zeit hineinreichen. Dieses Kriterium schränkt die Flexibilität zusätzlich ein. Außerdem überschreiten einige Institute diese sechs Wochen bei Weitem. Besonders im Historischen Institut rief die Prüfungssituation große Unruhen bei den Studenten hervor. „Im Fachschaftsrat sind viele Beschwerden eingegangen“, erzählt Mitglied Martin Haberland. (siehe auch ?Seminarplatz in Sicht?)
Die Prüfungsordnung empfiehlt, das Pflichtpraktikum zwischen dem zweiten und fünften Semester zu tätigen. „Aber gerade in der Zeitspanne ist am meisten zu tun“, klagt Clemens Reimann, der sich während seiner Zeit im Neubrandenburger Museum noch auf eine Prüfung vorbereiten und eine Hausarbeit schreiben musste. „Für das Praktikum bekomme ich keine Note, aber eben für die Prüfungen, die ich dafür in den Sand setze“, fügt Clemens hinzu.
Geschrieben von Isabel Bock