Am Dienstag dem 29.04.2008 wurde im Ramen der Veranstaltungsreihe der Friedrich-Naumann-Stiftung darüber diskutiert, ob die NPD verboten werden soll. Behandelt wurden die Vor- und Nachteile eines Verbotes, die Bedeutung verdeckter Ermittler und die Frage, warum sich 63 Jahre nach Kriegsende weiterhin Menschen der nationalsozialistischen Richtung zuwenden.
18:00 Uhr, kleiner Saal der Mensa: Jörg Stiegmann vom liberalen Gesprächsforum Greifswald beginnt mit einer kurzen Begrüßungsrede die Veranstaltung „Soll die NPD verboten werden?“. Der Moderator, Sebastian Ratjen, eröffnet die Vorträge mit einer kurzen Vorstellung der geladenen Gäste: Walter Rotholz, Professor für Politikwissenschaft an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Jörg van Essen, parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion FDP, Christian Utpadel, Geschäftsführer der RAA¹ Mecklenburg-Vorpommern, und Christian Pegel, ehemaliger AStA-Referent und abgeschlossener Jura-Student an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, momentan Kreisvorsitzender der SPD.
Professor Walter Rotholz spricht sich ausdrücklich gegen ein Verbot jeglicher Parteien, also auch der NPD, aus. Die NPD, so Rotholz, sei eine sozialrevolutionäre Erscheinung, die aus der Mitte der Gesellschaft entspringe. Sie sei entstanden, weil den neuen Bundesländern ein vollständig neues, fremdes politisch-ökonomisches System übergestülpt wurde, ohne dass die betroffenen Menschen darüber informiert wurden, wohin dieses System führen soll. Rotholz bescheibt den Rechtsextremismus aus eine Dauererscheinung, mit der die Gesellschaft leben müsse.
Die Lösung aus der Erscheinung Rechtsextremismus sieht Rotholz in der Bildungspolitik und fordert die Politiker auf, endlich in dieser Richtung tätig zu werden, nachdem die Ursachen der Entstehung rechtsextremer Tendenzen scheinbar allgegenwärtig und bekannt seien.
Jörg van Essen spricht sich ebenfalls ausdrücklich gegen ein Verbot der NPD aus. Van Essen begründet diesen Standpunkt im Wesentlichen auf zwei Ebenen: Zum Einen seien zu viele verdeckte Ermittler der Bundesrepublik in der Partei integriert, um gewährleisten zu können, dass die Anklagepunkte, die zu einem Verbot führen könnten, ausschließlich von der NPD verursacht sind. Es wäre nicht sicher, so van Essen, ob die NPD nicht möglicherweise von den verdeckten Ermittlern zu den verfassungswidrigen Aktionen instrumentalisiert wurden.
Zum Anderen wäre ein Verbot die „ultima ratio“, die letzte Entscheidungsmöglichkeit der Bundesregierung im Kampf gegen die NPD. Van Essen erklärt, dass es stets Bestandteil einer Demokratie gewesen sei, alle extremen Seiten in sich zu vereinen und diese auszuhalten. Deutschland müsse und könne, so van Essen, mit der NPD leben, solange man sie kontrolliere und bewache. Diesen Standpunkt macht er an den Ländern Belgien, Dänemark und Italien deutlich, die seit längerer Zeit mit rechtsorientierten Parteien leben, ohne dass ihre demokratische Grundordnung gefährdet sei.
Van Essen beschreibt indirekt einen Ausweg aus dem Rechtsextremismus, indem er aufzeigt, aus welchen Gründen Menschen die NPD wählen. Jeweils dort, wo die Demokratie es nicht schafft, notwendige Strukturen zu errichten, springe die NPD in die entstehende Lücke des Interessensausgleichs und sorge für die Befriedigung der wesentlichen Bedürfnisse. In dieser Konsequenz müsse die Bundesregierung für mehr soziale Strukturen in den Regionen und Kommunen sorgen, in denen die NPD hohe Wählerzahlen besitzt. Ebenso sei die Regierung verpflichtet, für mehr Jugendhilfe zu sorgen.
Christian Utpadel vertritt einen anderen Standpunkt und stellt fest, dass die NPD sofort verboten werden müsse, sobald festgestellt werden könne, dass sie verfassungsfeindlich ist.
Utpadel sieht die Lösung aus dem Rechtsextremismus in der Grundlagenbildung der Lehrer und Pädagogen. Diese seien, so Utpadel, die ersten und wesentlichen Personen, die die potentielle NPD-Wählerschaft außerhalb der Familie intellektuell formen könnten. Auf dieser Grundlage hätten diese einen Multiplikatoreffekt, da sie ihre Werte und ihr Wissen an viele Menschen weitergeben können. Durch diesen Effekt seien Lehrer und Pädagogen prädestiniert und gefordert zugleich, ihren Schülern die Grundzüge, Vorteile und Möglichkeiten der Demokratie nahezubringen. Der Staat wiederum solle alle Anstrengungen unternehmen, den Lehrern und Pädagogen zur Hand zu gehen und sie zu unterstützen.
Utpadel sieht einen weiteren Schritt zur Lösung ebenfalls darin, die Jugendarbeit zu stärken, merkt aber an, dass die Kommunen ihr Interesse eher in den Ausbau der Infrastruktur setzen würden, beispielsweise in den Bau neuer Straßenbeleuchtung, als in die Stärkung von Jugendklubs oder Streetworkern.
Christian Pegel vertritt einen ählichen Grundsatz und spricht sich für ein Verbot der NPD aus. Pegel warnt aber davor, das Verbot überzubewerten, da dieses den Rechtsextremismus nicht verhindere, es würde nur eine Äußerungsform beschnitten. Es sei nur ein einziger, notwendiger Schritt von vielen, die in letzter Instanz zum Verschwinden des Rechtsextremismus führen würden. Der Vorteil eines Verbotes bestünde in der Symbolik der Tat: Ein Verbot setze ein klares Zeichen. Es zeige, dass sich die Wählerschaft der NPD in einem Rahmen bewegt, der sich klar gegen die demokratische Grundordnung richtet, und dass sich die Regierung klar von der NPD distanziert.
Pegel sieht, ebenso wie die anderen Redner, einen möglichen Ausweg in der Ausarbeitung und Stärkung der Jugendklubs und der Jugendarbeit. Er beschreibt die Wählerschaft der NPD als Amalgam eines harten Kerns, der für die Demokratie weitestgehend verloren sei, und einen sehr ausgeprägten äußeren Bereich von potentiellen NPD-Wählern. Letztere wären, so Pegel, im demokratischen Sinne formbar. Auf diese Menschen müsse verstärkt zugegangen werden.
Nach den Vorträgen der Gäste wechselte Ratjen in den Diskussionsteil über. Aus dem Publikum gab es eine Reihe von Beiträgen und Fragestellungen, die von den Gästen beantwortet wurden.
So wurde unter Anderem kritisch hinterfragt, warum es nicht möglich sei, die NDP zu verbieten. Nachdem van Essen diese Frage mit dem Hinweis auf die große Zahl der verdeckten Ermittler beantwortete, wurde aus den Seiten des Publikums festgestellt, dass es möglicherweise innerhalb der Regierung das Bestreben gebe, die NPD als Gegenpol zur Linkspartei zu behalten. Möglicherweise, um beide Parteien einander aufreiben zu lassen. Diese Beiträge blieben weitestgehend unkommentiert. Andere Hinweise und Fragen des Publikums wurden dagegen gerne aufgenommen und ausführlich beantwortet.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Vortrags- und Diskussionsthema sehr ausgewogen und informativ behandelt wurde. Die Gäste haben sehr diszipliniert und offen über ihre Anliegen gesprochen und sind auch ebenso offen mit den Fragen des Publikums umgegangen.
Es bleibt zu wünschen, dass diese Veranstaltung einen ersten von vielen Schritten darstellt in der von den Gästen genannten Notwendigkeit, die Weiterbildung der Jugendlichen zu stärken.
¹ Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie Mecklenburg-Vorpommern e.V.