„Gold und Silber“ von Lars Brandt
„Ich bin Lancelot. Der heilige Gral, vielleicht geht er vorüber, und dafür muß gezahlt werden. Aber dann… Es gibt das goldene Vlies. Die Blaue Blume.“ Ja, das klingt nach König Artus und seinen Rittern der Tafelrunde, nach tapferen Helden und mystischen Begebenheiten im nebligen Mittelalter.
Doch weit gefehlt: Lars Brandts Romandebüt „Gold und Silber“ spielt nicht an einem Fürstenhof im zwölften Jahrhundert, sondern im Bonn des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Dort hat sich in der Hitze des Nachsommers eine lockere Gemeinschaft von männlichen Künstlern zusammengefunden. Bei mäßigem Erfolg und nicht ganz so gemäßigtem Drogenkonsum schleudern sie sich Philosophiebrocken entgegen, um die Angst vor der Jahrtausendwende und dem Abstieg der Stadt in die Bedeutungslosigkeit zu verdrängen. Natürlich gibt es in dem wilden Männerhaufen, zwischen Rittern und ihren Knappen, auch ein edles Fräulein. Ginevra heißt die Auserwählte des Erzählers Rudi. Sie ist mit dem Filmemacher Jarl verheiratet. Aber Rudi alias Lancelot hat trotz des wochenlangen Minnedienstes unter dem Balkon keine Chance ihr Herz zu erobern.
Die Idee einen modernen Artusroman zu schaffen, ist nicht schlecht. Doch auf die Abenteuer eines tapferen Recken wartet man vergeblich. Mit einem Angelschein hofft Rudi Ginevra zu beeindrucken. Seine Künstlerkumpanen müssen höchstens gegen Hitze und Regen bestehen. Die 300 Seiten füllt der Sohn Willy Brandts nicht damit, seinen Charakteren Gesichter und Gefühle zu geben, sondern mit immer wiederkehrenden Beschreibungen von Flüssen, Wetter und alltäglichen Supermarktbeobachtungen. Dazwischen blitzen philosophische Metaphernkonstruktionen auf, die wie eine Selbstinszenierung des Autors wirken. Er kratzt an der Oberfläche und es blinkt auch etwas Silber hervor, aber den heiligen Gral hat Lars Brandt mit seinem Roman nicht gefunden.
Geschrieben von Alina Herbing