Gestern kam der Grünen- Bundesvorsitzende Reinhard Bütikofer zum extra nach Greifswald verlegten Landesparteitag der Grünen. Dabei bezog er klare Position gegen das Kohlekraftwerk. „Das was Ihr hier kämpft, ist Teil eines internationalen Kampfes, bei dem es um nicht weniger als die Selbstrettung der Menschheit […]“, so Bütikofer. Er unterstützte zudem die grünen Bürgermeisterkandidaten in Greifswald und Stralsund und hofft über das Thema Kohlekraftwerk die dünne Basis der Partei in M-V (nur 300 Mitglieder) auszubauen.
DONG Energie (Baut das Kohlekraftwerk) hingegen hat gestern die Samstag-Ausgabe der Ostseezeitung einen vierseitigen Newsletter beigelegt. Darin wirft der Konzern der Bürgerinitiative „Kein Steinkohlekraftwerk in Lubmin e.V.“ vor, die Bürger zu täuschen, indem die optische Störung des Lubminer Strandes durch das Kohlekraftwerks übertrieben werde.
Meine Meinung:
Während die SPD das Kohlekraftwerk nutzt, um einen langjährigen Ministerpräsidenten in einem internen Machtkampf loszuwerden (Archiv), versuchen die Grünen mit Hilfe des Protestes ihre Basis auszubauen. Schöne Welt.
Wahrscheinlich ist die Darstellung der Bürgerinitiative übertrieben. Aber es sind eben auch nur wütende Bürger und kein Ingenieurbüro. Erstaunlich ist jedoch, dass Dong behauptet sein Kraftwerk wäre vom Strand gar nicht mehr zu sehen. Auch dieser Darstellung gegenüber wäre ich skeptisch. Schließlich sieht man in Lubmin fast aus jedem Winkel die Türme des alten Atomkraftwerkes. Und Blöcke & Schornstein des Kohlekraftwerkes sollen noch höher werden als die alten.
Viel spannender als diese Diskussion ist jedoch, dass alle inhaltlichen Vorwürfen (Verbrennung von Braunkohle, Fehlen der Kraftwärmekopplung etc.) vom Dong-Flyer nicht thematisiert werden.
Bildquelle: reinhard-buetikofer.de // eigener Scan
Wieviel CO2 wird durch einen längeren Weiterbetrieb veralteter Kraftwerke mehr ausgestoßen im Verhältnis zu dem geplanten DONG-Kraftwerk?
An sich ein gutes Argument, dass auch immer von DONG vorgebracht wird.
Jedoch:
a) Welches Kohlekraftwerk wird denn genau abgeschaltet? Ich kenne keins.
b) Warum baut man das Kohlekraftwerk nicht dort, wo man die Abwärme des Kraftwerks noch nutzen kann, um Häuser zu erwärmen (sogenannte „Kraft-Wärme-Kopplung“)? Das erhöht die Effizienz des Kraftwerks extrem und fehlt hier im gering besiedelten Lubmin völlig. Man hat schon überlegt eine Fernwärmeleitung nach Greifswald zu legen. Dann müsste man jedoch die wesentlich umweltfreundlicheren Gasblockheizkraftwerke in Greifswald abschalten. Ebenfalls ökologisch ein Rückschritt.
c) Wenn es DONG wirklich darum ginge alte durch neue Kraftwerke zu ersetzen:
c1.) Warum macht man das nicht dort wo die alten Kraftwerke stehen?
c2.) Warum Kohle? Es gibt viel umweltverträglichere Kraftwerke (einen konkreten Alternativvorschlag haben Lubminer Ingeneure sogar schon erarbeitet – findest du auf der Homepage der BI)…
Summe: Die „wahren“ Motive sind:
– (Import-)Kohle ist billig
– Die Energiepreise in Deutschland sind durch die Preisabsprachen und die Manipulation am Energiemarkt in Deutschland extrem hoch
– Ergo: Man kann hier richtig „Kohle“ verdienen…
– Umwelt und lokale Anliegern sind den Betreibern egal.
„b) Warum baut man das Kohlekraftwerk nicht dort, wo man die Abwärme des Kraftwerks noch nutzen kann, um Häuser zu erwärmen (sogenannte „Kraft-Wärme-Kopplung“)? Das erhöht die Effizienz des Kraftwerks extrem und fehlt hier im gering besiedelten Lubmin völlig. Man hat schon überlegt eine Fernwärmeleitung nach Greifswald zu legen. Dann müsste man jedoch die wesentlich umweltfreundlicheren Gasblockheizkraftwerke in Greifswald abschalten. Ebenfalls ökologisch ein Rückschritt.“
Also mir war der Bodden immer schon zu kalt ;-).
Zurück zum Ernst der Diskussion: In Deutschland werden Kraftwerke abgeschaltet, aber nicht von heut auf morgen und nicht von Dong. Klimapolitik und Klimaethik sind nicht die Sache der Wirtschaft, sondern der Bundes-, bzw. Landespolitik. Bei diesen lagenfristigen Abwägungen scheint es mir bei den hier vorgestellten Argumenten langsam verständlich, dass die Politik bisweilen zum Wohle des Volkes temporär gegen dieses regieren muss. Letztendlich wird so die Grundversorgung für MV sicher gestellt, das bislang von anderen Bundesländern abhängig ist. Aus meiner Sicht spricht das für einen verantwortungsvollen Umgang des Bundeslandes mit dem eigenen Energiebedarf und seinen Folgen. Dies betrifft unter anderem auch die Hochschulen im Land, die sich an der weltweiten Technologieentwicklung zur Abscheidung und Lagerung von CO2 beteiligen könnten.
Die Frage warum das Kraftwerk nicht an einem bestehenden Kraftwerksstandort erbaut wird erübrigt sich, da dort bereits ein Atom- und eine Solarkraftwerk stehen. Warum sich die Lubminer nach der Wende der Illusion hingegeben haben ein industriefreies Seebad zu sein ist mir schleierhaft, war aber wohl gut für die Immobilienpreise. Natürlich will niemand vor seiner Tür ein Kraftwerk stehen haben, wohl aber Strom aus der Steckdose.
Zu guter Letzt einmal mehr die Frage nach dem Themenfokus, was hat diese Diskussion mit den eigentlichen Interessen der Studierendenschaft, bzw. des ursprünglich angedachten Fokus dieses Blogs zu tun?
„Letztendlich wird so die Grundversorgung für MV sicher gestellt“
Bisher versorgen uns die anderen Länder völlig ausreichend mit Strom. Diese Versorgung ist nicht Gefahr. Im Gegenteil: Durch die hohe Abwanderung und Energie-Effizienzbestrebungen wird der Strombedarf in M-V sogar noch sinken.
„verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Energiebedarf und seinen Folgen“
Gerade wenn es um den verantwortungsvollen Umgang mit Stormbedarf den Folgen geht, sehe ich Probleme für das Kohlekraftwerk. Das Kraftwerk wird Strom liefern, der weder im Land allgemein noch speziell in der Region gebraucht wird. Großstromabnehmer, wie Strahlherstellung haben wir nicht. Und die „Folgen“ sind natürlich hart: Das Kohlekraftwerk wird den CO2 Ausstoß des Landes fast verdoppeln! (Die Liste der anderen Gifte spar ich mir mal)
„Dies betrifft unter anderem auch die Hochschulen im Land, die sich an der weltweiten Technologieentwicklung zur Abscheidung und Lagerung von CO2 beteiligen könnten.“
Eine solche Technologie ist für dieses Kraftwerk nicht geplant (tatsächlich haben sowohl Kanada und auch die USA diese Technologie im Jahr 2007 eingestellt. (Sie sei zu teuer!) Nur Australien hat derzeit noch ein Kraftwerk in Planung). Zudem fehlt in MV auch die geologische Voraussetzung.
„Die Frage warum das Kraftwerk nicht an einem bestehenden Kraftwerksstandort erbaut wird erübrigt sich, da dort bereits ein Atom- und eine Solarkraftwerk stehen.“
Nein – das hast du mich falsch verstanden. Ich meinte, dass das neue Kohlekraftwerk dort gebaut werden soll, wo das alte Kohlekraftwerk abgeschaltet wird. Im Grunde genommen könnte man auch die alten einfach umbauen. In Lubmin stand nie ein Kohlekraftwerk (auf so eine Idee wäre wohl selbst die DDR nie gekommen).
„Warum sich die Lubminer nach der Wende der Illusion hingegeben haben ein industriefreies Seebad zu sein ist mir schleierhaft“
Leider so nicht ganz richtig: Sowohl die Bürgerinitiative und auch der Bürgermeister setzen sich aktiv für die Ansiedelung von Betrieben auf dem ehemaligen AKW-Gelände ein. Aber sie wollen saubere / moderne oder wenigstens arbeitsintensive Industrie, die sich in den Standort eingliedert. Das größte Kohlekraftwerk Deutschlands ist so ziemlich das Gegenteil von all dem.
„Zu guter Letzt einmal mehr die Frage nach dem Themenfokus, was hat diese Diskussion mit den eigentlichen Interessen der Studierendenschaft, bzw. des ursprünglich angedachten Fokus dieses Blogs zu tun?“
<< Nun – ich glaube das die Ansiedelung eines so großen Kohlekraftwerks sehr wohl die Studenten interessiert (bzw. sollte). Immerhin machen wir inzwischen 1/5 aller Einwohner Greifswalds aus. Wer wenn nicht wir als „intellektuelle Elite“ sollte sich denn hier sonst einmischen? Das Gleiche gilt für die Bürgermeisterwahl. Zudem: Auch Deine Antwort zeigt ja ein gewisses Interesse. Langfristig wird der Fokus aber wieder auf speziell studentischen Themen zurückkehren. Sind halt gerade Semesterferien…