Wohltemperierte Register zieht Robert Schneider mit seinem jüngsten Roman „Die Offenbarung“. Nicht allein für Johann Sebastian Bach.

Für Jakob Kemper gerät der Heiligabend des Jahres 1992 zur Passion. Erst verstimmt der gesundheitlich angeschlagene Naumburger Organist den Weihnachtsgottesdienst der geschrumpften Gemeinde kräftig mit Dissonanzen, dann bringt ihn ein zufällig aufgestöbertes Notenkonvolut im Gehäuse seines Instruments an den Rand seiner Kräfte. Denn der Papierstapel in der alten Reisetasche enthält ein bisher unbekanntes Spätwerk Johann Sebastian Bachs. Mit dem wiederentdeckten Opus Magnum in den Händen steht der schrullige Musikforscher vor einem Wendepunkte. Denn die renommierte Bachgesellschaft schickt sich an, die bereits seit Jahren ausstehende Restauration der Naumburger Domorgel in Kürze fachmännisch zu begleiten. Ungewiss bleibt deren Offenheit für diesen überraschenden Fund.

„Die Offenbarung“ ist ein bewegendes Stück Literatur aus der Feder Robert Schneiders. Das in die neunziger Jahre platzierte Geschehen zeigt augenzwinkernd historische und persönliche Altlasten der Umbruchsphase der liebenswürdig karikierten Naumburger Figuren auf und fügt die gewordenen Lebensläufe zu einem griffigen Musikroman zusammen. Nach dem Achtungserfolg von Werner Bräunigs „Rummelplatz“ zur Leipziger Buchmesse stiftet der Aufbau Verlag mit Robert Schneiders „Die Offenbarung“ einen bemerkenswerten Leseanstoß zu den frühen neunziger Jahren in Gesellschaft, Kultur und Forschung der wiedervereinigten Bundesrepublik.

Geschrieben von Uwe Roßner