moritz stellte Fragen – Harry Rowohlt anwortete
Vor der Lesung von Harry Rowohlt traf moritz den Hamburger Übersetzer, Schriftsteller und Schauspieler im Park und redete mit ihm über Whiskey, Katzen und das Lesen.
moritz: Sie sind Ambassador of Irish Whiskey. Wohl zu Recht, denn auch für die Lesung musste es unbedingt irischer Whiskey sein. Zum Einen gibt es den orthographischen Unterschied zu schottischem Whisky. Aber wo ist der geschmackliche?
Harry Rowohlt: Das weiß ich eigentlich kaum noch. Seit mir der Dachverband der irischen Brennereien diesen Ehrentitel verliehen hat, habe ich keinen Tropfen Scotch mehr angerührt. In Schottland selbst war ich noch nicht, aber ich habe mal gehört, dass die Menschen dort am liebsten Fanta zum Whisky trinken und das sagt ja wohl alles. Aber egal wie preisgünstig, irischer Whiskey ist mindestens dreimal gebrannt und deshalb völlig unschädlich.
moritz: Sie spielen in der Lindenstraße mit.
Rowohlt: Mein dicker Freund Hermes Phettberg aus Wien hat die Theorie aufgestellt, dass die Lindenstraßen-Drehbuchautoren nur dann ihr 13. Monatsgehalt bekommen, wenn sie nachweisen können, pro Jahr mindestens hundert Probleme in der Lindenstraße aufgegriffen zu haben. Und in einem Jahr haben sie nur 99 Probleme aufgegriffen. Da kamen sie auf die Idee, zu thematisieren, dass man sich die Ohren nicht mir Q-Tips reinigen darf, weil sonst die Watte abgeht und man dann zum Ohrenarzt muss.
moritz: Workaholic oder Work-Life-Balancer?
Rowohlt: Ich bin leider, muss ich gestehen, eher der Workaholic.
moritz: Haben Sie Haustiere?
Rowohlt: Ich habe vor vielen Jahren mal von meiner ersten Liebe Petra zwei Kater aufs Auge gedrückt bekommen. Und die sind uns dann sehr ans Herz gewachsen. Unsere Wohnung ist ein sogenannter Eppendorfer Knochen, das heißt, vorne ist was, hinten ist was und dazwischen ein endlos langer Gang. Und wenn es dann Erdnüsse gab, dann rief man die beiden Burschen. Es passierte erst einmal gar nichts, aber dann machten sie aus dem langen Korridor das Tal der donnernden Hufe.
Weil wir mitten in der Stadt wohnen, ist es aber eher ungünstig mit Haustieren und so haben wir seitdem keine mehr gehabt.
Katzen fressen ja ihr ganzes Leben nur das, was sie in ihren ersten Lebenswochen kennengelernt haben. Ich kenne zum Beispiel Katzen, die sind neben einem Lachs eingeschlafen.
moritz: Was verbindet Sie mit Hamburg?
Rowohlt: Im Augenblick Heimweh.
moritz: Greifswald kann auch sehr schön sein.
Rowohlt: Ja, ja unbedingt. „Cool“ ist das erste gewesen, das mir einfiel, als ich hier ankam. Die Bevölkerung hier sieht jedenfalls geschlossen so aus, als hätte sie eben gerade erst Abitur gemacht. Was macht ihr mit euren Alten?
Ihr habt ja sogar ein Übergewichtigen-Ghetto, wie ich gesehen habe: Dieser Stadtteil, der Fettenvorstadt heißt.
moritz: Fällt Ihnen noch was zu Hamburg ein?
Rowohlt: Ich bin so selten da, aber ich freue mich immer, wenn ich zurückkomme, obwohl ich viel zu wenig Gebrauch von Hamburg mache.
Und jetzt, wo die Bild-Redaktion wegzieht… Gerhard Henschel von der taz hat dazu eine Blitzumfrage beim geistigen Hamburg und Berlin gemacht: Was wir davon halten, dass 700 Bild-Mitarbeiter von Hamburg nach Berlin ziehen. Ich habe geantwortet: „Als ich einmal – unter welchen Umständen ist absolut unerheblich – im Wald meine Armbanduhr verloren hatte, hat eine BamS-Redakteurin sie wiedergefunden. Insofern sehe ich den Umzug mit einem weinenden und 699 lachenden Augen.“
moritz: Was sehen Sie, wenn Sie durch die Straßen gehen?
Rowohlt: Z.B. vorhin das Ehepaar, das versucht hat, seinen Hund anzuleinen und das ich später wiedererkannt habe vor dem Theater, wo es vergeblich versucht hat, eine Karte für meine Lesung zu bekommen. Mir fallen immer herzlich unwichtige Sachen auf.
moritz: Was machen Sie für die Umwelt?
Rowohlt: Ich bin ein großer Mülltrenner. Wenn sich jemand die Mühe gemacht hätte, zu beobachten, wie ich in Stralsund auf dem Bahnhof meinen Bockwurst-Abfall entsorgt habe, streng nach Plastik und Papier, der hätte schon annehmen müssen, dass ich ganz schön den Arsch offen habe. Ansonsten ist das ökologischste, das ich je gemacht hab, dass ich keine Filterzigaretten rauche.
moritz: Sie sind mit der Bahn nach Greifswald gekommen. Haben Sie überhaupt ein Auto bzw. einen Führerschein?
Rowohlt: Ich habe einen Führerschein, aber kein Auto. Ich brauche keines. Unser Korridor ist zwar elend lang, aber so lang nun auch wieder nicht.
moritz: Sie haben keinen Computer, haben Sie ein Handy?
Rowohlt: Für den Computer bin ich zu doof, damit kann ich nicht arbeiten. Ein Handy habe ich auch nicht, aber nicht, weil ich zu doof dafür bin, sondern aus ideologischen Gründen. Meine Frau, die nicht zu blöd ist für den Computer, hat entsprechend darunter zu leiden. Wegen der ständigen Penisverlängerungen, die man ihr andient. Einmal hat sie auch eine fehlgeleitete Mail von einer Frauke bekommen. Die hat mit der falschen Adresse einer Dagmar gemailt, dass ihr Rolf doch tatsächlich diese Schlampe im Park anschließend noch flachgelegt hat.
Nein, das muss alles nicht sein.
Ich bin schon froh, wenn ich nicht ständig Manuskripte von Autoren zugeschickt bekomme. Ich habe drei Rundschreiben. Rundschreiben I lautet: „Ich bin ja schon froh, dass ich nicht Kiepenheuer und Witsch heiße. Wenn sie was vom Rowohlt-Verlag wollen, wenden Sie sich an den Rowohlt-Verlag und nicht an mich. Weitersagen!“.
moritz: Welche Position hatten Sie in der Schule? Die des Außenseiters, oder die des voll Integrierten?
Rowohlt: Ich bin sowieso ein ziemlich angepasstes Lämmerschwänzchen. Außerdem war ich auf so vielen verschiedenen Schulen, was durch den ständigen Engagement-Wechsel meiner schauspielenden Mutter und die späteren Umzüge meiner Eltern bedingt war.
Ich bin immer wieder zum Klassensprecher gewählt worden, weil ich der Einzige war, der von einer Schülerratsversammlung, die zehn Minuten gedauert hatte, 40 Minuten berichten konnte.
moritz: Sie haben damals in München diese vier Stunden studiert…
Rowohlt: Zweieinhalb! Das ist ja wirklich Rufmord. Ich war doch kein Langzeitstudent, kein Bummelstudent.
moritz: Verzeihung. Welches Studium würde Sie heute noch einmal reizen?
Rowohlt: Ich bin jetzt 62. Ich habe auch einfach viel zu viel zu tun, um noch mal das Studieren anzufangen. Ich habe mal in Schleswig eine Lesung gehabt und da bin ich vom Hotel zu Fuß zur Veranstaltung gegangen und habe da gefragt, ob ich vielleicht einen Föhn haben könnte, weil ich nass geregnet war. Die Buchhändlerin, so Anfang 70, sagte zu mir: „Da gehen sie mal zu meinem Mann zwei Häuser weiter. Der büffelt gerade fürs Abitur und freut sich über jede Ablenkung. Da bin ich hingegangen und hab mir den Kopf geföhnt – damals war so was noch nötig. Dabei habe ich ihn unregelmäßige lateinische Verben abgehört. Da habe ich gemerkt, dass von meinem großen Latinum doch noch einiges übrig ist. Ich konnte ihn schön demütigen.
moritz: Was liegt auf Ihrem Nachttisch?
Rowohlt: Bücher. Die sehen aus wie die alte Skyline von Manhattan, als es das World Trade Centre noch gab.
moritz: Was lesen Sie außer den Büchern, die sie übersetzen?
Rowohlt: Ich bin „NewYorker“-Abonnent. Den lese ich praktisch nur in der Eisenbahn. Und das ist das Dritt-Status-Förderlichste, das man machen kann. Das Zweit-Status-Förderlichste ist, mit Rotstift Korrektur zu lesen und das Förderlichste ist, Partituren zu lesen und sich dabei leicht zu wiegen. Das kann ich aber leider nicht.
moritz: Gibt es ab und zu noch Pooh´s Corner (Kolumne von Harry Rowohlt in der „Zeit“, Anm. der Redaktion)
Rowohlt: Ab und zu.
moritz: Lesen sie manchmal die Kolumnen von Harald Martenstein in der „Zeit“?
Rowohlt: Schreibt der jetzt auch? Das wusste ich gar nicht.
moritz: Ich dachte, man kennt sich unter Kolumnenschreiber-Kollegen.
Rowohlt: Ich war ja nur freier freier Mitarbeiter. Ich habe immer davon geträumt, einmal fester freier zu werden, um bei der sogenannten Käsekonferenz teilnehmen zu können.
moritz: Es gibt also einen Unterschied bei der „Zeit“ zwischen den freien freien, den festen freien und den festen Mitarbeitern. Und die freien freien werden unregelmäßig angerufen, die festen freien regelmäßig und die festen Mitarbeiter gehen jeden Morgen in die Redaktion?
Rowohlt: Genau so.
moritz: Warum sind Sie nie fester freier geworden? Wollten Sie nicht, oder wollten die nicht?
Rowohlt: Das hat sich nie ergeben. Ich hab ja auch so ganz gut zu tun.
moritz: Wollten Sie jemals einen anderen Beruf haben?
Rowohlt: Ich habe doch fast alle Berufe.
Geschrieben von Uta-Caecilia Nabert und Alexander janke