Oberbürgermeister Dr. Arthur König im Gespräch
Der Physiker Dr. Arthur König ist seit dem 2001 Oberbürgermeister der Hansestadt Greifswald. moritz sprach mit ihm über die Symbiose zwischen Stadt und Universität und die Zukunftsaussichten beider.
moritz: 2007 ist für die Stadt Greifswald ein gutes Jahr. In der Prognos-Studie hat die Hansestadt den größten Sprung aller ostdeutschen Städte geschafft. Zudem gab es die Auszeichnung als wirtschaftsfreundlichste Kommune. Woran liegt das?
Dr. Arthur König: Wir haben in der schweizerischen Prognos-Studie einen Satz um 224 Plätze nach vorn gemacht. Die Bereiche Wissenschaft, Forschung und die Vernetzung mit der Wirtschaft wurden besonders gewichtet. Die Universität ist dabei der Entwicklungsmotor. Hinzu kommen das Friedrich Loeffler-Institut auf der Insel Riems, das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und weitere wissenschaftliche Einrichtungen Wir besitzen auch für Firmengründer hervorragende Bedingungen im Biotechnikum und im Technologiezentrum Vorpommern und innovationsorientierte Unternehmen wie die Hanse-Yacht-AG und die Braun-Gruppe, ein bekanntes Pharma-Unternehme. Damit sind wir gut aufgestellt.
moritz: Hätte die Hansestadt genauso gut abgeschnitten, wenn es die hiesige Hochschule nicht gäbe?
König: Das mit Sicherheit nicht! Die Universität ist die wesentliche Lebensader der Stadt und der Region.
moritz: Welche Maßnahmen tätigt die Hansestadt um die Zusammenarbeit mit der Hochschule zu verbessern?
König: Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Universität ist sehr gut und sehr eng. Sie basiert auf einem Kooperationsvertrag, der 2002 abgeschlossen wurde. Nur wenige Hochschulstädte haben einen solchen Vertrag.
moritz: Wie wichtig sind die über 11.000 Studenten für die Bevölkerungsstruktur der Hansestadt?
König: Wir sind, wenn man das Durchschnittsalter der Greifswalder betrachtet, die „jüngste Stadt“ in Mecklenburg-Vorpommern. Und ich freue mich, wenn sich noch mehr Studierende ihren Hauptwohnsitz in Greifswald nehmen würden. Sie können damit nicht nur Hanseatin oder Hanseat werden – was an sich schon etwas Gutes ist! – sondern sie tun damit auch in finanzieller Hinsicht der Stadt etwas Gutes. Wir bekommen dann mehr Schlüsselzuweisungen vom Land. Dies stärkt unsere Finanzkraft und damit auch die Handlungsmöglichkeiten für weitere Investitionen.
moritz: Greifswald ist eine Fahrradstadt. Sie selbst, aber auch die meisten Studenten nutzen das Velo für die Wege zur Arbeit oder zur Universität. Was tut die Hansestadt in dieser Richtung?
König: Die Entfernungen in der Stadt sind kurz und alle mit dem Fahrrad zu erreichen. In anderen Stadtteilen sieht es nicht ganz so gut aus was den Ausbaugrad der Fahrradwege anbelangt. Ich denke da besonders an die Anklamer Straße. Hier haben wir mit Sicherheit noch Nachholbedarf. Wenn sich aber von den ca. 7000 Nebenwohnsitznehmern nur 5000 zum Schritt der Ummeldung entschließen, würde uns das finanziell sehr entgegen kommen und Investitionsmittel auch für den Fahrradwegebau schaffen.
moritz: Die Bahnparallele wird derzeit gebaut. Die Studentenwohnheime und Institute an der Fleischerwiese sind nur durch die Bahnhofunterführung erreichbar. Inwieweit wird dort etwas geschehen?
König: Da bitte ich um etwas Verständnis und Geduld. Es die Zukunft sind drei Fahrradquerungsmöglichkeiten auch für Fahrradfahrer und Fußgänger geplant. Diese werden in der Grimmer Straße, am Bahnhof und in der Scharnhorststraße sein. Spätestens 2009 sollen diese Querungen benutzbar sein. Was wir zurzeit haben ist eine Ausnahmesituation und sicherlich auch mit Schwierigkeiten bei der Nutzung verbunden. Die Zeit des Baues der Bahnparallele bringt einfach auch temporäre Nachteile und Behinderungen mit sich. Dafür bitte ich nochmal um Nachsicht.
moritz: Mit dem Augenmerk auf Studenten als Mieter der WVG: Welchen Einfluss hat ein möglicher Verkauf auf die Mietpreise?
König: Ich sage unmissverständlich: In Greifswald werden keine Wohnungen verkauft, sondern ein Minderheitsanteil an unserer kommunalen Wohnungsgesellschaft. Wir tun dies vorwiegend aus zwei Gründen. Einmal aus Gründen der Haushaltskonsolidierung – wir müssen unseren Schuldenbetrag abbauen! Und der andere Grund ist die Wiedererlangung der vollen kommunalen Handlungsfähigkeit. Das Innenministerium sieht in der Haushaltssicherung zurzeit die oberste Priorität. Das heißt anders ausgedrückt: Sparen und nicht investieren! Das kann ich nur schwer akzeptieren. Wir in Greifswald müssen und wollen auch in der Gegenwart investieren und damit gestalten – und das geht halt nur mit einem ausgeglichenen Haushalt.
moritz: Sie waren mehrere Jahre im Landtag und haben damit auch Landespolitik mitgestaltet. Welchen Einfluss haben Sie als Kommunalpolitiker auf die Landespolitik, wenn es um Hochschulkürzungen geht?
König: Überzeugungskraft und Motivationsstärke gegenüber den Landtagsabgeordneten ist wohl ein wesentlicher Punkt der Einflussnahme eines Kommunalpolitikers auf die Landespolitik. Darüber hinaus halte ich es für wichtig, Netzwerke hier vor Ort zu bilden. Es erwies sich als besonders fruchtbar, wenn Vertreter von Hochschule, Wirtschaft und Verwaltung gemeinsam agieren. Darüber hinaus nutze ich natürlich auch meine Möglichkeiten, im Rahmen des Städte- und Gemeindetages Einfluss auf Landtag und Landesregierung zu nehmen.
moritz: Seit 1990 ist die Einwohnerzahl sehr stark gesunken, parallel hat sich die Studierendenzahl mehr als verdreifacht. Was wäre, wenn es die Volluniversität mit ihren fünf Fakultäten nicht mehr gäbe und sich die Universität hauptsächlich naturwissenschaftlich und medizinisch ausrichtet?
König: Das wäre doch schlichtweg eine Auszehrung und Verarmung der Hochschullandschaft selbst, als auch natürlich eine wirtschaftliche Schwächung der Stadt und Region und damit wohl auch als leichte bis mittlere Katastrophe einzuschätzen. Als OB freue ich mich über jeden jungen Menschen, der nach Greifswald kommt, um hier zu studieren bzw. seine Ausbildung zu absolvieren. Ich würde mich auch freuen, wenn sich die Zahl der Studierenden noch erhöhen würde und sich vielleicht bei der 13tausender Marke stabilisieren würde. Dies liegt wohl durchaus auch im Bereich des zu Erreichenden. Von Seiten der Stadt werde ich jedenfalls alles dafür tun.
moritz: Rund zwei Drittel der Studierenden kommen aus anderen Bundesländern. Was unternimmt die Hansestadt um diese in Greifswald zu halten?
König: Das ist ein Punkt, der mir sehr am Herzen liegt. Ich freue mich auch, wenn junge Menschen den Mut haben, sich unternehmerisch zu betätigen. Dafür haben wir mit dem Biotechnikum und dem Technologiezentrum hervorragende Bedingungen geschaffen. Ansonsten verweise ich auch auf lokale Unternehmen, die meines Wissens junge, gut ausgebildete Fachkräfte suchen. Gleiches trifft auch auf den Energiestandort Lubmin zu. Auch hier suchen Firmen motivierte Fachkräfte. Und diejenigen, die Greifswald verlassen, haben hoffentlich in Greifswald gute Erfahrungen gemacht und werden dies in die nähere und weitere Umgebung hinaustragen.
moritz: Ein Großraum Südvorpommerns steht in naher Zukunft an. Greifswald wird – zu Beginn jedenfalls – der Kreissitz sein. Welchen Einfluss hätte es, wenn Greifswald nicht mehr der Kreissitz wäre?
König: Greifswald ist als Kreissitz im Gesetzeswerk festgeschrieben. Dies kann der neu zu bildende Kreistag allerdings innerhalb einer Jahresfrist mit einfacher Mehrheit ändern. Allerdings gehe ichdavon aus, dass Greifswald aufgrund seines Potentials Kreissitz in einem möglichen Kreis „Südvorpommern“ wird. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Das Landesverfassungsgericht prüft die Verfassungmäßigkeit des Gesetzeswerkes. Ende Juli soll eine Entscheidung getroffen werden. Danach sehen wir weiter! Mit aller Kraft werde ich mich weiterhin für den Kreissitz Greifswald einsetzen und hoffe dabei auf Unterstützung durch Universität, Wirtschaft und weitere Institutionen und Verbände.
moritz: Sie selbst haben in Greifswald studiert und promoviert. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Studienzeit gesammelt?
König: Ich kam 1969 nach Greifswald, weil hier im Norden der ehemaligen DDR die „Zukunft Wirklichkeit“ werden sollte. Nachrichtenelektronik, Plasmaphysik und Kerntechnik haben mich damals sehr interessiert. Die Landschaft und das Meer üben außerdem einen besonderen Reiz aus, die schönste Insel Deutschlands liegt vor unseren Füßen und Berlin ist auch nicht weit entfernt. Das Studium ist mit dem heutigen wohl nicht mehr zu vergleichen. Nehmen Sie nur die Zahl der Studenten – damals waren wir insgesamt etwa 3000. Die andere Quantität hat auch eine besonderre Qualität – Greifswalds Ruf wird immer besser! Ich glaube, wir spielen gegenwärtig in einer höheren Liga. Betonen möchte ich: Das Studium in Greifswald machte mir Freude. Und nach wie vor sage ich laut und deutllich, dass es sich in Greifswald gut lebte und studierte und so ist es immer noch. Deshalb bin ich gern hier geblieben und bin ein überzeugter Greifswalder.
moritz: Würden Sie auch immer noch promovieren und wenn ja, hilft es bei Ihrer Amtsführung?
König: Bestimmt, diesen Weg würde ich wieder gehen. Ich wüsste nur nicht, ob ich dann in die Politik gegangen wäre, denn das war doch eine Besonderheit in meiner Biographie. Es war damals kein Ziel von mir, OB der Hanse- und Universitätsstadt zu werden. Das waren wohl auch typische Nachwendewege. Meine wissenschaftliche Ausbildung ist allerdings sehr von Vorteil und das sowohl, was die Strukturierung von Abläufen als auch das Arbeiten im Team anbelangt.
moritz: Ihre Amtszeit läuft 2008 ab. Werden Sie sich im nächsten Jahr wieder als Oberbürgermeister zur Wahl stellen?
König: Das ist richtig. Im Jahr 2008 steht eine OB-Wahl bevor. Ich trete auch wieder an, weil ich meine, ein klein wenig auch persönlich in meiner bisherigen Amtszeit zur Entwicklung von Greifswald beigetragen zu haben.
Geschrieben von Judith Küther, Björn Buß