Tourismusentwicklung in Brandenburg und das ?Bombodrom?

„Am Sonntag sind wieder 10.000 Bürger in der Ruppiner Heide auf die Straße gegangen, um gegen einen Bombenabwurfplatz der Bundeswehr zwischen Wittstock, Rheinsberg und Neuruppin zu demonstrieren“, tönt eine sonore, wertfreie Stimme in der Tagesschau.


Es ist nur eine kleine Meldung nach der Nachricht, dass in Afghanistan wieder unzählige Menschen einem Selbstmordattentat zum Opfer gefallen sind. In Zeiten, wo wieder einmal deutsche Soldaten in Särgen aus Afghanistan nach Deutschland verschickt werden, bleibt die Frage diskutabel, inwieweit eine deutsche Beteiligung sinnvoll ist. Genau zwischen diesen beiden Extremen Krieg und Natur bewegte sich die Tagung zur „Tourismusentwicklung in Nordostdeutschland“, die vom Deutschen Verband für angewandte Geographie (DVAG) in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert wurde.
Als Veranstaltungsort wählten die Organisatoren die etwa 9.000 Einwohner starke nordbrandenburgische Stadt Rheinsberg.
 
Tourismus als Tagungsthema

Unter den unzähligen Teilnehmern referierte als erster Manfred Richter, der Bürgermeister Rheinsbergs. Er illustrierte die Entwicklung der Stadt, wobei er deutlich auf die große Bedeutung des Tourismus verwies.
Einen weiteren Beitrag zur Tourismusentwicklung bot Professor Klaus Günther, der den fatalen Zusammenhang zwischen einem möglichen Bombenabwurfplatz und der Tourismusentwicklung im Ruppiner Land erläuterte. Er bewies wissenschaftlich, dass Besucher von Naturparks durch die Anwesenheit von technischen, „unnatürlichen“ Einflüssen negativ beeinflusst werden. Wenn ein technisches Geräusch mit einer Lautstärke von 50 Dezibel in einem Touristengebiet ertönt, empfinden das die Hälfte der Besucher als Ärgernis. Die Grundaussage des Professors lautete, dass ein Bombenabwurfplatz in der Region absolut kontraproduktiv für die touristische Entwicklung wäre.

Busexkursion durch das Brandenburger Land

Am zweiten Exkursionstag durch das Ruppiner Land fasste Klaus Günther auf dem Weg zum Bombenabwurfplatz über 30 Minuten die Entwicklung des „Bombodroms“ zusammen.
Der Professor berichtete, dass die Bundeswehr im Herbst 1992 den Plan verkündete, das Areal als einzigen Bombenabwurfplatz in Deutschland zu nutzen. Nur einen Monat später gründete sich die Iniative „Freie Heide“. Er selbst ist Gründungsmitglied und auch im Vorstand des Vereins „Pro Heide“. Diese Bürgeriniative setzt sich nicht nur vehement gegen einen Bombenabwurfplatz im Nordosten Brandenburgs, sondern auch in der gesamten Bundesrepublik ein.
Seit über zehn Jahren liefern sich nun schon die Bürgeriniativen und die Bundeswehr einen komplizierten juristischen Streit. Interessanterweise haben die ehrenamtlichen Vereine bisher erfolgreich die Bundeswehr an der Durchsetzung ihrer Pläne gehindert.

Bombodrom vs. Tourismus

Der geplante Bombenabwurfplatz ist 144 Quadratkilometer groß. Zum Vergleich: Die Gesamtfläche des Stadtgebietes Greifswalds beträgt nur 58 Quadratkilometer. Die Bundeswehr kämpft um ihr Recht, da in deren Augen der Platz am besten geeignet scheint. Für die Flieger wäre es sogar erlaubt nur 30 Meter über dem Boden in das Militärgelände einzufliegen. Die Flugzeuge würden ihre Einflugschneisen über den Naturpark Ruppiner Land tätigen und diese Idylle mit Kriegstechnik zerstören.
Radfahrer, Wanderer und vor allem die Tierwelt würden in ihrem Lebens- und Erholungsraum bedroht. Rheinsberg ist der touristische Vorzeigeort in diesem Gebiet und bietet kulturelle sowie touristische Anziehungspunkte. Und dabei ist die Stadt nur 15 Kilometer von der Bombenabwurfstelle entfernt. Der Tourismus entwickelt sich hier erstaunlich gut und hat mittlerweile eine große Bedeutung erlangt.
Am späten Abend kam es nochmal zu Gesprächen mit dem Vorstandsmitglied Klaus Günther. Erstaunlicherweise begründete er den Kampf gegen den Bombenabwurfplatz nicht aus rational-betroffener Sicht, sondern aus ethischen Gründen. Er prangerte die Sinnlosigkeit von Fliegerbomben, die über „feindlichen“ Zielen abgeworfen werden, an. Er sagte mit warmer Stimme-völlig pathosfrei: „Wir können uns nicht in fremde Kulturen einmischen und vorschreiben, wie diese zu leben haben.“ Und dann lächelt er mit seinem grau-dunklen Vollbart und sagt freundlich: „Das wird nicht funktionieren.“

Geschrieben von Christian Willy Bülow