Erstes europäisches Weltraumwetter-Teleskop in Greifswald

Zwei mal zwei Meter groß und über zwei Tonnen schwer ist das neue Teleskop in den Räumen des Greifswalder Instituts für Physik. Beeindruckend wirkt das Gestell, das den üblichen Vorstellungen von einem Teleskop nicht entsprechen will. Glänzende Eisenplatten und Blöcke aus Acrylglas bilden die Ebenen dieses sperrigen Gerüstes, das über zwei Meter in die Höhe ragt.


Grüne Fasern durchziehen die Konstruktion. Kabel ragen heraus, die in technischen Geräten enden. Angeschlossen ist ein Computer, der eingehende Daten erfasst und auf dessen Bildschirm lange Zahlenkolonnen blinken.

Technik schafft Wissen

Lächelnd blickt Professor Rainer Hippler auf das erste europäische Weltraumwetter-Teleskop. „Mit diesem Gerät ist es möglich, Daten über Sonnenwinde und solare kosmische Strahlung zu erfassen”, erklärt der Lehrstuhlinhaber für Experimentalphysik.
Schon seit September 2001 beschäftigt sich die Greifswalder WeltraumWetterWarte (www) mit der Analyse von Sonnenstürmen, doch durch den Einsatz des neuen „Muon Spaceweather Telescope for Anisotropy at Greifswald“, kurz „MuSTAnG“, erreicht die wissenschaftliche Arbeit eine neue Qualität. Die Analyse der Sonnentätigkeit ist wichtig. „Denn die Sonne ist eine Quelle von Auswirkungen, die menschliches Leben stärker prägt als bisher angenommen“, sagt Hippler. Nicht nur lebensspendende Wärmestrahlen, sondern auch lebensbedrohende Gefahren gehen von dem gelb leuchtenden Stern aus.

Der rund 150 Millionen Kilometer entfernte Himmelskörper, der Sonnenwinde und Plasmawolken gigantischen Ausmaßes ausstößt, ist die primäre Quelle des Weltraumwetters. Das Weltraumwetter definiert sich durch verschiedene Wechselwirkungen zwischen der Sonne, dem interplanetaren Raum und der Erde. Hoch energetische kosmische Teilchen treffen auf den Planeten des Menschen. Die Auswirkungen dieses Phänomens sind vielfältig. Sie reichen von Elektronikpannen, Unterbrechungen im Nachrichten- und Navigationsbereich bis zu Stromausfällen und Störungen im Bahnverkehr.
Greifswalder Wissenschaftler wollen das Weltraumwetter, das solch immensen Einfluss auf menschliches Leben haben kann, mit Hilfe des neuen, rund 300.000 Euro teuren Teleskops beobachten. Über zwei Jahre dauerte der Aufbau, der Ende 2004 von der europäischen Weltraumorganisation ESA initiiert wurde. Finanzielle Unterstützung leisteten die ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Am Aufbau waren die Firmen HTS GmbH in Coswig und 1A Greifswald, die Fachhochschule Stralsund, die Universität Bern und das Institute of Experimental Physics der Slowakischen Akademie der Wissenschaften in Košice beteiligt. Mitte April begann in Greifswald die Probephase der neuen technischen Errungenschaft, die noch bis Ende des Jahres laufen wird.

Rund um die Erde

Bisher konnten die unsichtbaren Strahlen im All von den ESA-Satelliten nur eingeschränkt gesehen werden. „Durch den MuSTAnG ist es nun möglich, die energetischen Teilchen, die von der Sonne ausgehen, zu messen und mit der üblichen Teilchenanzahl zu vergleichen”, sagt Hippler. Mit Hilfe der Daten, die das Teleskop täglich liefert, kann die Geschwindigkeit und Richtung einer solaren Materiewolke bestimmt werden. „Unser Ziel ist, das Weltraumwetter rund um die Erde kontinuierlich zu beobachten, zu analysieren und die Ankunft der Plasmawolken an der Erde bis zu 24 Stunden vor dem Eintreffen zu bestimmen.” Interessant sind diese Voraussagen vor allem für Satellitenbetreiber, Fluggesellschaften und Kommunikationsunternehmen. „Im Falle einer großen Teilchenanzahl, die sich der Erde nähert, könnten Satellitenbetreiber ihre Geräte kurzzeitig außer Betrieb nehmen, um langfristige Störungen und Ausfälle zu verhindern“, erklärt Hippler.
Das Teleskop, dessen Beobachtungsfeld vom Ural bis zur amerikanischen Ostküste reicht, wird Mitglied eines globalen Netzwerkes von Weltraumwetter-Teleskopen sein. In Australien, Japan und Brasilien stehen bereits MuSTAnG-ähnliche Apparaturen, wobei Greifswald als Ort des ersten europäischen Weltraumwetter-Teleskops zukünftig eine wichtige Rolle spielen wird.

Geschrieben von Grit Preibisch