„Polarkreis 18“ von Polarkreis 18 (Motor)
Das Beeindruckende dieser Musik ist ihre Frische. Ein Bündel aus Klängen treibt den Hörer in genau eine Richtung: vorwärts. Perlende Gitarren, giftige Synthesizerfragmente und entgiftende E-Pianos, melodramatisch ausgeführte Streicherpassagen und brilliante Pop-Rhythmen. Unverwechselbarkeit entsteht jedoch vor allem durch das Phänomen der Polarkreis-18-Stimme Felix Räuber, denn da kommt man ins Rätselraten: Ist’s Mann, Frau, Kind oder einprogrammierte Vokalhysterie?
Das Songwriting und eine teilweise unkonventionelle Spurabmischung machen sich diese große Wandelbarkeit zunutze, setzten freundliche und träumerische Melodien gegen Passagen des emotionalen Ausbruchs. Eine stellenweise kindliche Aggressivität tritt in den Vordergrund, als gäbe es keine Grenze zwischen Unterbewusstsein und Kehlkopf, zwischen Bestürzung und Trotz. Und prompt überdeckt das dichte Netz kluger Arrangements die wieder in Traum gesunkene Stimme – alles muss vorwärts. Die zehn eigenständigen Songs geben erst nach und nach das Geheimnis preis, wo sie zusammengeräubert wurden. Mars Volta, Björk, Radiohead. Alles richtig, alles falsch. Entstanden ist diese Musik in Dresden in den letzten vier Jahren – und deshalb sei es erst am Ende verraten – in einer „Nachwuchsband“ starrsinniger Anfang-20Jähriger, die ihr Ding durchgezogen haben. Das Ding selbst produzierten. Das Ding zu einem Deal machten. Das Konzentrat des Albums lässt befürchten, dass das Ding jetzt ausgequetscht ist. Seine schöpferische Qualität lässt hoffen, dass es vorwärts geht.
Geschrieben von Robert Tremmel