Greifswalder Projekt Ökosystemdynamik forscht in Finnland
Willy Brandt konnte noch nicht wissen, dass Klimaschutz einmal solch ein heiß diskutiertes Thema werden würde, als er sagte: „Ich warne davor, zu glauben, dass der Markt die Umwelt alleine in den Griff bekommt – dies ist geradezu ein Paradebeispiel für öffentliche Verantwortung.“ Und dieser Verantwortung werden sich die Regierungen dieser Welt langsam bewusst.
Obwohl die Beschlüsse von Nairobi für viele Experten nicht ausreichend sind, scheint der Kurs für die nächsten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte klar abgesteckt.
50 Prozent der Emission senken
So verpflichteten sich die Industrieländer jener 170 Staaten, die auch schon dem Kyoto-Protokoll zugestimmt hatten, verschärfte Verpflichtungen hinsichtlich der Reduktion von Kohlendioxid auf sich zu nehmen. Bis 2050 soll die globale Emission um fünfzig Prozent gesenkt werden und bis dahin sind noch locker über vierzig Jahre Zeit! Der Aufsehen erregende Stern-Report vom November des vergangenen Jahres warnt hingegen, dass innerhalb der nächsten zehn bis zwanzig Jahre reagiert werden müsse. Kein Wunder also, dass man langsam unruhig wird – jedenfalls in den Regionen, in denen sich Naturkatastrophen wie Dürren oder Überflutungen häufen. Prompt verabschiedete die Europäische Union nach einer Hitzewelle in Rumänien im Jahr 2000 und dem Schneechaos in Mittel- und Südeuropa im Jahr 2001, ihr 6. Rahmenprogramm zur Unterstützung von Grundlagen- und angewandter Forschung, um unter anderem jene Vorhaben zu unterstützen, die ganz im Sinne der europäischen Politik sind. Und dazu gehört auch das Projekt „Ökosystemdynamik“ an der Universität Greifswald.
Ein Teil der insgesamt 17,5 Milliarden Euro fließt somit auch in die Hansestadt. Dort beschäftigt sich ein internationales Team aus jungen Forschern mit der Frage, wie die nördlichen, borealen Torfmoore auf die Klimaerwärmung reagieren werden. Bleiben sie jene Kohlenstoffsenken oder werden sie zu einer positiven Resonanz auf die globale Erwärmung? So werden Boden, Vegetation und atmosphärische Grenzfläche analysiert. Im Moment auch im borealen Sumpf „Salmisuo“ in Finnland. Vor rund einem Jahr war Peter Schreiber auch dort vor Ort, um die Schneeschmelze und den Beginn der Vegetationsperiode hinsichtlich der Methanemission zu beobachten. Der Diplomand und einstige Geografiestudent aus Dresden kam extra wegen dieses Projekts in die Hansestadt. „Interessiert haben mich an dem Thema die vielfältigen Dynamiken, welche während der Schneeschmelze anzutreffen sind. Nachdem ich mich in meinem Studium vor allem mit den großräumigeren Klimazyklen, Global Change und Paläoklimarekonstruktion beschäftigt habe, habe ich mit der mikroklimatischen Messung klimarelevanter Gase eine neue Herausforderung gefunden, die mein Wissen in den kleinräumigen Bereich abrundet.“ Und nach seinen bisherigen Messungen kann er sich einen Anstieg der Methanemissionen während der Winterperiode in den borealen Mooren Nordkareliens vorstellen. Das bedeutet, dass Schnee und Eis viel schneller auftauen und so Methan rascher als bisher angenommen freigesetzt wird. Damit würde eines der wichtigsten Treibhausgase eher in die Atmosphäre gelangen und erheblich mit zum Klimawandel beitragen.
Baumringe als Parameter
Daneben widmet sich das Team der Projektgruppe Ökosystemdynamik auch den Baumringen, denn jene zeichnen die Umweltparameter wie Temperatur, Wasserverfügbarkeit und Erdbewegung auf. Diese Parameter sind gleichzeitig auch für das Baumwachstum wichtig. Keimt ein Samen auf dem Moor und wächst das Pflänzchen schneller als das Moor, so wird es gedeihen und kann zum Beispiel von Dürren berichten. Die Forscher haben die Hypothese entwickelt, dass Bäume in trockenen Gebieten während feuchtigkeitsarmer Jahre weniger wachsen werden, als Bäume im Sumpf.
Das Wasser wird ebenfalls genauer beleuchtet. Durch die räumliche und zeitliche Erfassung der Variation von gelöstem organischen Kohlenstoff (DOC) als auch von gelöstem anorganischen Kohlenstoff (DIC) können so genannte DOC- und DIC-Flüsse rekonstruiert werden, wodurch ein direkter Bezug zur Hydrologie des Moorgebietes hergestellt wird. Für die gesamte DOC-Bilanz müssen so eine Wasserbilanz des Moores und mehrere Zeitserien von DOC- und DIC-Flüssen erstellt werden, um Einsicht in den Wasserhaushalt und die DOC-Flüsse eines borealen Moores zu gewinnen.
So grenzt es schon an ein kleines Wunder, dass das Team nur über Drittmittel finanziert wird. Neben EU-Geldern fließen auch 30.000 Euro des Emmy-Noether-Programms des DFG wie auch eine Million Euro von der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Das Thema Klimaschutz ist anscheinend in der Wissenschaftswelt angekommen. So konnten Forscher den World Overshoot Day bis zurück ins Jahr 1961 berechnen. Dieser Tag gibt an, wann die Menschen in einem Jahr alles verbraucht haben, was ihnen eine sich selbst erhaltende Natur erst bis zum Ende des Jahres liefern kann. Am 19.Dezember 1987 hatte die Menschheit zum ersten Mal die Ressourcen zu früh verbraucht. Im vergangenen Jahr fand er be-reits am 9. Oktober statt.
Lässt sich nur hoffen, dass sich weitere Untersuchungen dem Klimaschutz oder der Entwicklung neuer regenerativer Energien widmen. Aber nicht zuletzt muss dieser Fortschritt auch von der Industrie getragen werden, denn wie Willy Brandt schon sagte, Klimaschutz ist ein „Paradebeispiel für öffentliche Verantwortung.“
Geschrieben von Anke Harnisch