Aus dem Schatten des Vaters herausgetreten

Mit der Pulle in der Hand ist er immer da, wo diskutiert wird oder was los ist. … als Deutschlands bekanntester Obdachloser, denn wer kennt die „Lindenstraße“ nicht! In einem Interview auf die Frage, was sein Leben denn von seiner Fernsehrolle unterscheide, antwortete der 62-Jährige „Eine 6-Zimmer-Eigentumswohnung mit Zentralheizung, fließendem Warm- und Kaltwasser, Vor- und Hintergarten.“ Mehr scheint es wohl nicht zu sein, was sein wahres Leben von der Rolle unterscheidet.

Denn nicht nur in der ARD, auch außerhalb der Fernsehkiste trifft man Rowohlt oft dort an, wo was los ist und der Alkohol nicht weit. Das sind dann meistens seine eigenen Lesungen. Eigentlich nämlich ist Rowohlt in seinem echten Leben Übersetzer und Schriftsteller und das ist es wohl vor allen Dingen, was ihn von der Fernsehrolle unterscheidet. Zumal er bei seiner Arbeit keinen einzigen Tropfen Alkohol trinkt, dafür aber literweise Tee.

Die Last des Familiennames

Übersetzen, schreiben, schauspielern, Hörbücher sprechen, Lesungen halten. Der Mann ist ziemlich aktiv und hat in (P)Kennerkreisen dem Namen Rowohlt schon längst eine zweite Bedeutung gegeben.
Dennoch, die Frage, ob er etwas mit dem gleichnamigen Verlag zu tun habe, wird immer wieder gestellt. Ja, der gebürtige Hamburger hat auch etwas mit dem Rowohlt-Verlag zu tun. Wenn doch nur soviel wie „Bobby Fischer mit dem S. Fischer-Verlag“, wie er sagt.
Als Sohn der Schauspielerin Maria Pierenkämper und dem Verlagsgründer Ernst Rowohlt hat er sich mit dem berühmten Namen wirklich etwas eingebrockt: einen Ruf, den man nie mehr los wird. Sicherlich aber war der bereits besetzte Name auch Ansporn, sich durch eigenes Talent und Auffallen vom Familienunternehmen abzugrenzen. Als sein Bruder „Die grüne Wolke“ von A.S. Neill für unübersetzbar erklärte, hat er sich prompt an die Übersetzung des Buches gemacht – mit Erfolg.
Aber wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass Rowohlt nicht in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist, sondern Übersetzer wurde? Immerhin hat er in jungen Jahren eine Ausbildung im Suhrkamp-Verlag absolviert und danach tatsächlich im Unternehmen des Vaters angefangen. Gefallen hat es ihm dort aber nicht. Über den Verlag sagt er: „Ich kannte den ja damals vorher nicht. Da hab ich ihn dann kennen gelernt und gedacht: Womit habe ich dieses Straflager verdient? Ich hab doch niemanden umgebracht.“ Er berichtet von wilhelmischen Strukturen, dass Frauen keine Hosen tragen durften, nach oben gesiezt und nach unten geduzt wurden. Hätte er ja besser machen können als Nachfolger des Vaters. Oder auch nicht? Als Begründung dafür, dass er den Verlag nicht übernommen hat, gibt er an: „Mein Vater ist ja fünfmal Pleite gegangen mit seinem Scheißladen. Wenn ich den Rowohlt-Verlag übernommen hätte, wäre das die erste Tradition gewesen, die ich wieder hätte aufleben lassen.“ Zudem war ihm seine Freiheit wichtig. Er wollte niemandes Herr sein, aber auch niemanden über sich haben.

Bärenstimme – Löwenmähne

Nonkonformistisch mit üppiger Mähne und ungezähmtem Bart schreitet er durch die Welt. Paradoxerweise beschränkt aber genau das mitunter seine Freiheit. Durchaus ist es schon vorgekommen, dass ihn Taxifahrer nicht mitnehmen wollten – deswegen meidet er jetzt auch Mannheim. Auch zu seinen eigenen Lesungen wurde er schon zunächst nicht eingelassen. Was sich da wohl dann im Zuschauerraum abgespielt hat? Immerhin zahlt man nicht für nichts den Eintritt zu einer Lesung.
Zumal es gar keine richtigen Lesungen sind, die Rowohlt da veranstaltet. Man wird sich also höchstwahrscheinlich sogar amüsieren können. Sich auf einen Abend mit Rowohlt junior einzulassen bedeutet, einen waschechten 68er zu erleben, der sich hinter Whiskeyflasche, Bier und Aschenbecher aufgebaut hat. Er selbst nennt seine Auftritte „Schausaufen mit Betonung“. Die Lesung selbst findet eigentlich immer nur drei bis vier Sätze lang statt. Soviel liest er nämlich immer ungefähr vor, bis ihm wieder irgendeine Anekdote aus seinem Leben oder ein Kommentar zu irgendetwas einfällt. Manchmal singt er auch eine Hymne. Gerne würde er auch die des jeweiligen Ortes zum Besten geben, doch die meisten Käffer, über die er tingelt, haben leider keine, sagt er. Na, bleibt mehr Zeit, Witze zum Besten zu geben. Denn darüber kann er lachen, über die an die 2500 Witze, die er aus dem Stand erzählen könnte, wenn man ihn ließe. Man lässt ihn besser nicht, er hat ja schließlich noch mehr zu bieten. Aber man lässt ihn trinken, sonst müsste er`s vorher tun und das ist seiner Meinung nach „Beschiss am Publikum“. „Das Publikum hat ein Anrecht darauf mitzuerleben, wie der Referent sich zugrunde richtet.“

Geschrieben von Uta-Caecilia Nabert