Engagierte Greifswalder starten Hilfsprojekt realCITY

Wie viel Zeit er früher am Computer verbracht hat, ist nicht zu erfahren, doch klar ist, dass es Peter Eitel irgendwann nicht mehr reichte, nur in der virtuellen Welt von „SimCity“ Straßen, Häuser und Flughäufen zu bauen.

Er wollte wirklich etwas tun. So kam ihm im Sommer 2005 die Idee, ein Projekt ins Leben zu rufen, bei dem Studenten das theoretische Wissen, das sie in Vorlesungen und Seminaren erworben haben, in der Praxis anwenden konnten.
Dass Entwicklungszusammenarbeit einen hierfür geeigneten Rahmen bieten könnte, war dem Politikstudenten schnell klar, da er vor dem Beginn seines Studiums selbst ein Jahr als freiwilliger Entwicklungshelfer in Guatemala gearbeitet hatte. Ein Name war schnell gefunden und so konnte „realCITY“ starten. „Am Anfang waren wir nur zu siebt“, erinnert sich Peter Eitel heute. Ein Verein wurde dennoch bald darauf gegründet und die Fühler nach Partnerprojekten in einem Entwicklungsland ausgestreckt. Nach langer, nicht immer einfacher Suche, fanden Peter und seine Hand voll Mitstreiter schließlich mit der Hilfsorganisation „Mayan Hope“ in Nebaj in Guatemala einen noch jungen Partner, der die Vorstellungen der Greifswalder teilte.

Mit Interesse und Begeisterung

Nun, es war bereits Winter geworden, hieß es auch diesseits des Ozeans Mitstreiter für das Projekt zu gewinnen. Studenten und Professoren sollten es sein, so viel war sicher. Und interdisziplinär sollte das Projekt ja auch angelegt sein. Doch wen konnte man ansprechen? Wer würde Interesse haben? Studenten und Professoren aller Fachrichtungen ein Projekt anzubieten, das ihren fachlichen und persönlichen Interessen entspricht und für das sie sich begeistern können, kommt einer Quadratur des Kreises recht nahe.
Um dem hohen akademischen Anspruch gerecht zu werden und Professoren verschiedener Institute zu gewinnen, musste die Idee der hilfsbereiten Studenten zunächst zu Papier gebracht werden. Es entstand eine 25 Seiten starke Projektbeschreibung, die Idee, Ablauf und Struktur von realCITY enthielt. Diese im Gepäck, wurden Kontakte geknüpft, und schließlich akademische Unterstützung gefunden.
Doch im Mittelpunkt des Projektes standen und stehen natürlich die Studenten. Eine Informationsveranstaltung im Frühjahr 2006, in der das Projekt interessierten Studiosi vorgestellt wurde, war ein voller Erfolg: Von 50 Zuhörern wurden noch am selben Abend 30 von ihnen zu Projektteilnehmern. realCITY konnte starten.

Über Grenzen hinaus

Im Sommersemester 2006 nahmen 32 Studenten der Greifswalder Universität ihre Arbeit in verschiedenen Projektgruppen auf. Gegliedert in die drei Arbeitsgruppen Geschichte/Politik, Medizin und Wirtschaft setzten sich die Experten, also Studenten der jeweiligen Fachrichtung, mit Guatemala auseinander. Die Gruppe „Public Relations“ kümmerte sich parallel um die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins um ihm auch über die Grenzen Greifswalds hinaus zu Bekanntheit zu verhelfen. So entstanden während des Sommersemesters 2006 bereits konkrete Ideen, wie die Menschen in Nebaj ihr Leben verbessern könnten – immer in enger Abstimmung mit der Hilfsorganisation Mayan Hope, die die Menschen vor Ort betreut.
Um sich ein eigenes Bild von „ihrem“ Projekt zu machen, reiste schließlich im August 2006 eine Gruppe von elf Greifswaldern auf eigene Kosten nach Nebaj und kehrte tief beeindruckt zurück. So trauten die beteiligten Medizinstudenten ihren Ohren kaum als sie erfuhren, dass für die etwa 250.000 Menschen der Region nur ein einziges Krankenhaus mit 35 Betten zu Verfügung steht.
Die unglaublichen Erfahrungen sowie intensive persönliche Gespräche mit den Menschen vor Ort inspirierten die Greifswalder zu neuen Projekten, die sie mit großem Enthusiasmus im vergangenen Wintersemester vorantrieben. So wollen sie zum einen das örtliche Krankenhaus finanziell und materiell unterstützen. Zum anderen planen die angehenden Ärzte einen Austausch von deutschen und guatemaltekischen Medizinstudenten mit jeweiliger Famulatur im anderen Land.
Auch die anderen Projektgruppen stehen dem in nichts nach. Während sich die Gruppe Geschichte/Politik mit den Wahlen in Guatemala im kommenden Jahr beschäftigt, möchte die Wirtschaftsgruppe ein Internetcafé in Nebaj einrichten und fair gehandelter Kaffee aus der Region in Greifswald verkauften. Jeder macht das, was er am besten kann zum Wohle aller. Auf diesen Nenner könnte man das Konzept von realCITY bringen. Der Verein selbst sieht sich dabei als unentgeltlicher Dienstleister für kleinere Entwicklunsghilfsorganisationen wie eben Mayan Hope, als Bindeglied und Koordinationsstelle zugleich.

Knappe Kasse

Natürlich kann dies nur mit der tatkräftigen Unterstützung vieler geschehen. Geld ist knapp und realCITY ist auf Spenden angewiesen. „Der Schritt an andere Universitäten, die sich dann mit anderen Projekten in anderen Ländern beschäftigen, ist leider noch nicht gelungen“, beschreibt Peter einen Traum, der jedoch bald wahr werden könnte. Kontakte nach Augsburg bestehen bereits. Für diejenigen, die die Reise nach Guatemala selbst scheuen, aber trotzdem sehen möchten, wie es dort aussieht, hat der Verein am 21. September im Amtsgericht die Ausstellung „Kulturelle Vielfalt in Guatemala“ von Diego Molina vorbereitet. Dafür lohnt es sich doch, den Platz vor dem Computer zu verlassen.

Geschrieben von Kai Doering