Nach dem Mord der kremlkritischen Journalistin Anna Politkowskaja im Oktober 2006 rückte das Problem der Pressefreiheit in Russland zusehends in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit. Klagen gegen Medien und Angriffe auf Journalisten haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Anzahl der Gerichtsverfahren gegen Medien und Journalisten stieg 2006 auf 240. Gegenüber 2005 ist das eine Zunahme um sieben Verfahren, gegenüber 2004 sogar um 37. Eine Entspannung der Situation bezüglich der Medien in Russland wird nicht erwartet.

Dennoch äußerte sich Wladimir Putin zur Eröffnung des 59. Weltzeitungskongresses im Sommer des vorherigen Jahres in Moskau: „Unser Volk hat sich bewusst für die Demokratie entschieden. Ein wichtiges Unterpfand dafür, dass diese Wahl nicht rückgängig gemacht wird, ist nach wie vor die Freiheit der Massenmedien. Sie ist unsere bedeu-tende Errungenschaft und wird von der Verfassung der Russischen Föderation garantiert.“
 
Wie sieht die Situation in der russischen Medienlandschaft derzeit aus?
Zur Erinnerung: Massenmedien haben bestimmte Leistungen und Funktionen, die ihnen im Hinblick auf den (Fort-) Bestand unseres Gesellschaftssystems attestiert oder auch nur von ihnen gefordert oder als Bringschuld eingeklagt werden.
Die wichtigste aller Funktionen von Massenmedien ist die der Information. Menschen benötigen insbesondere Informationen, um sich ein Bild von der Welt zu machen, zu positionieren, zur Fähigkeit einer Meinungsbildung. Medien dienen der sozialen und politischen Sozialisation und Orientierung der Bürger in komplex organisierten Industriegesellschaften, der Unterhaltung, der Integrationsherstellung- und bewahrung der Gesellschaft. Sie dienen der Herstellung von Öffentlichkeit, sind damit Teil des Politischen. Sprachrohr – nicht nur für Demokraten – und Darstellungsräume können Medien ebenso sein, wie Teil der öffentlichen Konsensbildung und politisches Bildungsorgan. Als eine für das politische System in demokratisch organisierten Gesellschaften ganz wesentliche Leistung ist insbesondere noch die Kritik- und Kontrollfunktion zu nennen. Die Fähigkeit und Möglichkeit von Mitgliedern einer Gesellschaft zur Kritik an politischen Machtträgern muss zweifellos als ein zentrales Kennzeichen von Demokratie gewertet werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Medien ihre politische Kritik- und Kontrollfunktion erfüllen können, ist ihre Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Machteinflüssen jeglicher Art, ihre Freiheit vom staatlichen, aber auch machtvollen gesellschaftlichen Zwang und Druck. Diese Freiheit umfasst auch die Wege zu den Informationen und kann als Recht auf Öffentlichmachen bezeichnet werden. Gerade eine Demokratie lebt schließlich von der Freiheit der Informationen und unabhängige Medien sind Voraussetzungen für die Entstehung und Entwicklung demokratischer Gesellschaften.

Wie erfüllen nun Massenmedien wie das Fernsehen, Zeitungen und Radiosender diese dargestellten Funktionen in einem Land wie Russland, in dem nur noch von einer so genannten „gelenkten“ Demokratie gesprochen werden kann?  
 
Putin nennt es „gelenkte Demokratie“

Jahrzehntelang wurde das russische Mediensystem durch die dominante Kontrolle des Staates beherrscht. Dies gilt bereits für die Zarenzeit, in der das russische Zeitungswesen unter Peter dem Großen begründet wurde, genauso wie für die in der Sowjetepoche entstandenen Medien Hörfunk und Fernsehen. In der Zeit des Kommunismus wurde die Presse in hohem Maße dafür genutzt, die russische Bevölkerung im Sinne der KPDSU zu lenken und zu manipulieren. Im Parteijournalismus waren Propaganda und Zensur keine Seltenheit; Informationen konnten nur aus dem Lehrbuch der Partei gezogen werden.

In den achtziger Jahren entwickelten sich die Medien unter Gorbatschow, wenn auch begrenzt, zu einem Mittel der pluralistischen Meinungsvielfalt. Gorbatschows Leitlinien „Glasnost“ (Transparenz) und „Perestrojka“ (Umgestaltung) führten zu Veränderungen in der Sowjetunion, die vor allem für die Presse und die russische Gesellschaft von großer Bedeutung waren. Auch wenn Gorbatschows Reformierung und Modernisierung nur auf die Erneuerung des kommunistischen Systems ausgerichtet war und eine Demokratisierung des Pressewesens in dem stattfindenden Umfang nicht angestrebt wurde, so löste die teilweise Liberalisierung der Medien und das Recht auf freie Meinungsäußerung eine Bewegung in Presse und Öffentlichkeit aus, die nicht mehr aufzuhalten war. Unter dem Eindruck der Umbrüche in Osteuropa wurden die Medien zu einem wichtigen Sprachrohr für eine konsequentere Liberalisierung und drängten Gorbatschow zu deutlich weitreichenden Reformen. Die zuerst geregelte Erweiterung der Themenvielfalt und die geforderte kritische Berichterstattung der Medien entwickelte eine Dynamik in der Presse, die letztendlich zu der Verabschiedung des ersten Pressegesetzes 1990 in der ehemaligen UdSSR führte, das die Meinungs-  und Informationsfreiheit, die Freiheit der Medien vor staatlicher Einmischung, sowie das Verbot der Vorzensur garantierte.  
Wie das erste Pressegesetz der Sowjetunion, so war auch das folgende Gesetz der Russischen Föderation (GUS) „Über die Massenmedien“ von 1991 eigentlich auch nicht die logische Fortsetzung der bisherigen Reformen. Mit diesem Gesetz wurde die Zensur endgültig abgeschafft, Richtlinien zur Verhinderung der Monopolbildung im Medienmarkt vorgesehen und das Verhältnis zwischen Redaktion und Eigentümer bezüglich der Entscheidungen über die Inhalte zum Vorteil der Redaktionen geändert. Theoretisch wurde damit die Auflösung der staatlichen Kontrolle und die Demokratisierung der Massenmedien gesichert, doch praktisch unterliegt die Presse immer noch den Anweisungen des Staates.  
 
Die heutige Situation

Der nach dem Sieg Jelzins ausgebrochene Kampf der verschiedenen Wirtschafts- und politischen Gruppierungen um die Einflussnahme auf die politischen Entscheidungen im Staat, zeigte, mit welcher Wirkung Massenmedien als politisches Kampfmittel eingesetzt werden können. Vor allem seit dem massiven Medieneinsatz im Präsidentenwahlkampf 1996, als die damals vom Staat noch relativ unabhängigen Medien ihren Einfluss vor dem zweiten Wahlgang für Boris Jelzin gegen den kommunistischen Präsidentenkandidaten Gennadij Sjuganow einsetzten und Jelzin den Wahlsieg ermöglichten, ist den Regierenden die Macht der Medien vollständig bewusst geworden. Die Bedeutung der Medien zeigte sich in den neunziger Jahren demnach vor allem in Wahlkampfzeiten und bei kritischer Berichterstattung. Nachdem etwa der Fernsehsender NTW erschreckende Bilder aus dem ersten Tschetschenienkrieg ausgestrahlt hatte, wuchs die öffentliche Opposition zum Krieg. Präsident Jelzin nutzte administrative Mittel, um kritische Medien zu disziplinieren. So musste etwa NTW Mitte der neunziger Jahre regelmäßig um die Sendelizenz fürchten.

Nach dem Amtsantritt des derzeitigen Präsidenten Putin im Jahr 2000 begann der Staat, die für die Meinungsbildung wichtigen Medien – landesweit ausstrahlende Fernsehsender und auflagenstärkste Zeitungen – unter seine Kontrolle zu bringen.  Vor dem Regierungswechsel Putins gab es sechs landesweit empfangbare Fernsehsender, vier davon waren staatlich und zwei privat organisiert. Inzwischen sind es sechs staatliche Sender. Des weiteren wurden seit dem Regierungsbeginn Putins 49 Gesetzesänderungen eingebracht, die die Presse betrafen: das Gesetz über den Terrorismus, der Steuerkodex, das Gesetz über die Werbung und das Gesetz über Wahlen. Es wird erwartet, dass der Prozess der Zentralisierung der Macht durch den Staat und damit auch die Monopolisierung der Medien sich bis zu den Parlamentswahlen, die im Dezember diesen Jahres stattfinden, und zu den Präsidentenwahlen 2008 noch verstärken wird, da die Bewahrung des gegenwärtigen politischen Status zum Ziel der Präsidentenadministration erklärt worden ist.

Und um diese Politik fortzusetzen, benötigt es einen Wahlsieg der größten Partei Russlands „Einheitliches Russland“ bei den kommenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Diese Partei wird auch regelmäßig als „Beamtenpartei“ oder „administrative Partei“ der Obrigkeit bezeichnet, da ihr die große Mehrheit der Mächtigen in Russland angehört. So werden die wichtigsten Medien für die Mehrheitspartei unter Kontrolle gebracht und jedem Zugriff durch oppositionelle Parteien und deren Anhänger entzogen, um nichts dem Zufall zu überlassen.
 
Das Fernsehen

Das gebührenfreie Fernsehen zählt in der russischen Gesellschaft mit Abstand zur wichtigsten Informationsquelle. In einer Umfrage, die das kremlnahe Meinungsforschungsins-titut WZIOM im Herbst 2006 durchführte, erklärten 85 Prozent der russischen Bevölkerung, dass sie das nationale Fernsehen als vorwiegende Informationsquelle benutzen.

Angesichts der überaus wichtigen Rolle, die das Fernsehen in der Gesellschaft Russlands spielt, überrascht es nicht, dass es eines der ersten Ziele von Putins Kampagnen war, dieses unter seine Kontrolle zu bringen. Seit seinem Amtsantritt wurden etliche Medien von staatlich kontrollierten Holdings oder durch Tochterfirmen von Staatskonzernen übernommen. Die drei wichtigsten Fernsehsender ORT, Rossija und NTW sind verstaatlicht oder werden durch staatliche Konzerne kontrolliert.
Am Anfang seiner Präsidentschaft nahm Putin dem Oligarchen Boris Beresowskij die Kontrolle über ORT (Öffentlich Russisches Fernsehen) ab. Russlands wichtigster Fernsehsender, mit der größten Reichweite, heißt jetzt Kanal Eins heißt und wird von 99,8 Prozent der Bevölkerung empfangen. Offiziell kontrolliert die russische Regierung 51 Prozent der Aktien des Senders, 49 Prozent sind in privatem Besitz.
Rossija (auch RTR) ist der zweitgrößte russische Fernsehsender. Unter Oleg Dobrodejew, dem Generaldirektor dieses russischen Staatsfernsehens, hat Rossija ein Netzwerk von 80 regionalen Radio- und Fernsehsendern errichtet, die einheitliche und damit regierungstreue Botschaften aus Moskau ausstrahlen. Der Vorläufer des Telekanal Rossija existierte bereits zu Zeiten der Sowjetunion als offizieller Staatssender der Russischen Teilrepublik und wurde 1991 in Telekanal Rossija umbenannt. 1998 wurde der Sender in die staatliche Medienholding WGTRK integriert und untersteht seitdem indirekt der Medienaufsicht des Kremls. 96 Prozent der russischen Bevölkerung können Rossija empfangen, über 75 Prozent gaben bei einer Umfrage 2006 an,  den Sender mindestens wöchentlich eingeschaltet, womit der Sender auch in diesen beiden Disziplinen landesweit auf Rang zwei liegt (nach ORT).

Der Sender NTW war einer der Vorläufer der postsowjetischen unabhängigen Medien. Das von Wladimir Gussinski geleitete Unternehmen stellte hohe professionelle Standards für das russische Fernsehen auf, brachte Live-Übertragungen und eine scharfe Analyse der aktuellen Ereignisse. Im April 2001 übernahm der staatliche Energiegigant Gazprom die Kontrolle über den Fernsehsender NTW, den einzigen landesweit zu empfangenden Sender, der kritisch über das Vorgehen der russischen Armee in Tschetschenien berichtete. Offizielle Begründung der Übernahme war, dass Gussinskis Mediengruppe Media-Most, zu der auch NTW gehörte und deren Haupteigentümer die Gazprom war, überschuldet wäre. Dass dies in erster Linie ein Vorwand war, wurde klar, als nach der Übernahme die kritische Berichterstattung augenblicklich aufhörte.

Der russische Staat besitzt oder kontrolliert damit die wichtigsten Fernsehsender: Kanal Eins, Rossija, NTW sowie TV-Zenter und Ren-TV. Von diesen fünf widmen die erstgenannten vier etwa 90 Prozent ihrer politischen Berichterstattung den Aktivitäten von Regierung und Behörden und das fast immer in positiven oder neutralen Wendungen, wie ein Studie des Zentrums für Journalismus im März 2006 zeigte. Diese Sender wandten 4 Prozent oder weniger ihrer politischen Berichterstattung für die Opposition auf, und diese Berichte waren im Allgemeinen negativ. Nur Ren-TV widmete 19 Prozent seiner politischen Berichterstattung der Opposition.

Seit 2003 gehören damit alle landesweit ausstrahlenden Fernsehsender direkt dem Staat oder Unternehmen, an denen der Staat mehrheitlich die Aktien besitzt. Somit hat die Präsidentenadministration die strategischen Medienanstalten, die für den Wahlausgang 2007 und 2008 von Bedeutung sind, in eigenen Besitz gebracht.    
Deren Nachrichtenpolitik wird auf allen Ebenen nicht nur von staatlichen finanziellen Zuschüssen bestimmt, sondern auch von den permanenten, täglich gesendeten Impulsen des Kremls. Die regierende Elite weist die Behauptungen, es gäbe direkte Weisungen der Präsidentenadministration, weit von sich. Das Gegenteil wird von befragten Mitarbeitern bestätigt. Die überwiegende Anzahl der Fernsehsender ist untrennbar mit den Interessen ihrer Eigentümer verbunden, und die Unternehmen ihrerseits werden in Russland immer mehr vom Staat abhängig. Somit kann behauptet werden, dass praktisch die gesamte Fernsehwelt des Landes vom Staat kontrolliert wird. Deshalb bekommt das Bild des Landes, das über die Mattscheiben transportiert wird, recht sonderbare und oft illusorische Züge. Die für die Wahlen weniger wichtigen Medien – regionale private Fernsehkanäle, Presse, Radio – bleiben im Besitz entweder der regionalen Behörden oder der mit ihnen eng verbundenen bzw. von ihnen abhängigen Unternehmern. Obwohl hier die Regierung in Moskau keinen direkten Einfluss ausübt, sind auch diese Medien der Staatslinie hörig. Den wenigen von den regionalen und kommunalen Behörden unabhängigen Fernsehstationen wird vor allem durch wirtschaftliche Instrumente – Subventionen an erwünschte Medien aus dem Haushalt einerseits und steuerrechtliche Verfolgung der ungenehmen andererseits – die eigenverantwortliche Existenzgrundlage entzogen.
 
Die Printmedien

Nachdem die Regierung die Kontrolle über die nationalen Fernsehsender erlangt hatte, galt die nächste Etappe den wichtigsten Printmedien. Nach offiziellen Angaben existieren gegenwärtig über 20.000 Druckschriften in Russland. Deutlich weniger als die Hälfte davon sind gesellschaftspolitische Zeitungen, die die Wählerpräferenzen beeinflussen könnten. Die restlichen Zeitungen verfolgen die Linie der Boulevardzeitschriften, indem sie sich im Wesentlichen auf „leichtere“ Themen konzentrieren bzw. denen nur eingeschränkte Seriosität zugeschrieben werden. Die große Mehrzahl dieser Zeitungen sind die so genannten „Bezirkszeitungen“ mit kleinen Auflagen in Höhe von zwei- bis fünftausend, die hauptsächlich in begrenzten Regionen an einen konservativen, sich an diese Zeitung
gewohnten Leser richten.

Die auflagenstärksten überregionalen Zeitungen gründen Filialen in den Regionen und erscheinen als kombinierte Zeitungen wie Komsomolskaja Prawda in Nowosibirsk oder Moskowskij Komsomolez in Archangelsk. Dank einer gewissen Unabhängigkeit von den Regionalverwaltungen können diese Zeitungen mutiger auftreten, sind aber meistens wirtschaftlich unrentabel.

In diesem Spektrum stellen Moskowskij Komsomolez und die Komsomolskaja Prawda die etablierten Tageszeitungen dar. Die Moskowskij Komsomolez ist mit einer Auflage von 2,25 Millionen – nach eigenen Angaben – die derzeit mit Abstand  am weitesten verbreitete Tageszeitung Moskaus und eine der  meist gelesenen Zeitungen Russlands.

Die Komsomolskaja Prawda, die heute in einer Auflage von über 700.000 Exemplaren erscheint, wird von der Allianz Lukoil-Rosbank finanziert und ist die zweitauflagenstärkste Tageszeitung in der Russischen Föderation nach der Moskowski Komsomolez. Die Iswestija (Nachrichten), mit einer derzeitigen Auflage von 230.000 Exemplaren, wurde nach der Auflösung  UdSSR durch Privatisierung zur Aktiengesellschaft unter dem Dach von Rosbank und Lukoil. Nach der Geiselnahme von Beslan im September 2004 wurde der Chefredakteur der Zeitung, Raf Schakirow, auf politischen Druck hin entlassen, weil die Zeitung zu kritisch über die Ereignisse berichtet habe. Im Sommer 2005 wurden 50,2 Prozent der Iswestija-Aktien an den kremlnahen Medienkonzern Gazprom-Media verkauft. Heute unterscheidet sie sich kaum von anderen staatstreuen Zeitungen und wird ebenfalls eher als Boulevardzeitung denn als unabhängiges Nachrichtenmedium angesehen.  
Das seit 1990 erscheinende Blatt Nesawisimaja Gaseta (Unabhängige Zeitung) ist eine Tageszeitung mit einer Auflage von 35.000 bis 53.000 Exemplaren. Bis zum Jahr 2005 gehörte die Moskauer Zeitung dem im Exil lebenden ehemaligen Oligarchen Boris Beresowski, dann wurde sie von dem ehemaligen Regierungs-Berater Konstantin Remtschukow gekauft.

Moskowskije Nowosti ist eine russische Wochenzeitung, die in russischer und – als Moscow News – auch in englischer Sprache erscheint. Die erste Ausgabe der Zeitung erschien am 5. Oktober 1930. Sie war als sowjetische Propagandaschrift für Ausländer konzipiert und erschien zunächst nur auf Englisch. Im März 2005 verkaufte die Menatep-Bank die ihr gehörende bekannte und seit den Perestrojka-Jahren geschätzte Zeitung an einen ukrainischen Geschäftsmann, der sie kurz danach an einen russischstämmigen israelischen Geschäftsmann weiterverkaufte. Dieser erklärte sofort, die Zeitung werde ab jetzt
regierungsfreundlicher, wie üblich apolitisch.

Im Juni 2006 wurde der Kauf von 49 Prozent der Aktien der bislang einzigen tatsächlich oppositionellen Zeitung Nowaya Gazeta (Neue Zeitung) durch Michail Gorbatschow und den Bankier und Staatsduma-Abgeordneten und Mitglied der Regierungspartei „Einheitliches Russland“ Alexander Lebedew bekannt gegeben. Die restlichen 51 Prozent befinden sich weiterhin in den Händen der Redaktion. Die zweimal wöchentlich erscheinende Zeitung ist ständigem Druck von Seiten der russischen Behörden ausgesetzt. Zu den beliebtesten Mitteln gehören Klagen gegen die Zeitung vor einem Gericht mit nachfolgender Aburteilung, Überprüfungen seitens der russischen Finanzbehörden und der Brandschutz-Behörde. Dazu kommt Druck auf tatsächliche oder potenzielle Anzeigenkunden. Journalisten der Nowaja Gaseta wurden auffallend oft Opfer von Erpressungsversuchen, Überfällen und Morden. Neben den Morden an Igor Domnikow (12. Mai 2000) und Anna Politkowskaja (7. Oktober 2006), kam es zu dem bislang ungeklärten Todesfall des stellvertretenden Chefredakteurs Juri Schtschekotschichin am 3. Juli 2003.

Auf dem russischen Markt gibt es damit nur noch wenige Zeitungen, die nicht vom Staat kontrolliert werden. Dazu gehört die Tageszeitung Wedomosti (Listen) mit einer Auflage von 67.700 Exemplaren, die in ausländischem Besitz ist. Zu den Eigentümern gehören die finnische Firma Independent Media Sanoma Magazines, das Wallstreet Journal und die Financial Times. Die Zeitung konzentriert sich hauptsächlich auf Wirtschaftsnachrichten.

Die Tageszeitung Kommersant (Geschäftsmann), mit einer Auflage von etwa 131.000 Exemplaren, war wegen unabhängiger und kremlkritischer Berichterstattung im postsowjetischen Russland hoch angesehen. Ende September 2006 wurde die Zeitung, die vorher vom Kommersant-Verlag herausgegeben wurde, jedoch von Alischer Usmanow übernommen, dem Besitzer einer Vielzahl von Stahlfirmen und Präsidenten der Gazprom-Invest-Holding, einer 100-prozentigen Tochterfirma von Gazprom. Usmanow ist auf Platz 25 der Forbes-Liste der reichsten Russen. Sein Vermögen wird auf 3,1 Milliarden US-Dollar geschätzt.  
 
Der Rundfunk

Man kann feststellen, und das bestätigen Studien, dass die Berichterstattung der Radiosender deutlich weniger kontrolliert wird als die des Fernsehens oder der Zeitung, da die wenigen Nachrichtensendungen im Radio auf ein Minimum an „neutralen“ Nachrichten reduziert sind und eher unterhaltende Beiträge senden.
Radio Rossii (Radio Russlands) ist genauso wie Radio Majak (Radio Leuchtturm) ein staatlicher russischer Radiosender aus Moskau, der sein Programm landesweit ausstrahlt. Die beiden Sender, die über die größten Marktanteile verfügen, sind im Besitz der staatlichen Russischen Medienholding WGTRK, zu der auch Fernsehsender wie Telekanal Rossija und einige weitere Radiostationen gehören.

Als in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow 1990 erstmals nicht-staatliche Medien zugelassen wurden, gründete eine Gruppe von Journalisten mit einem Startkapital von 150.000 Rubel (umgerechnet etwa 430€) Echo Moskwy (Echo Moskaus). 66 Prozent der Aktienanteile des Radios hält Gazprom, der Rest der Anteile gehört den Redaktionsmitgliedern. Die Zahl der Hörer schätzt man auf 650.000 in der russischen Hauptstadt und eineinhalb Millionen in den Regionen. Unter den Moskauer Sendern ist Echo Moskwy die Nummer Zehn vom Marktanteil mit etwa fünf Prozent, landesweit beträgt der Höreranteil  etwa zwei Prozent (damit Nummer 13 der Radiostationen Russlands).
 
Fazit

Die Entfaltung der freien Medien in Russland wird beeinträchtigt durch zwei Hemmschuhe: Zum Einen sind die Medien zum spekulativen Spielball des Staates geworden und zum Zweiten wird die freie Meinungsäußerung durch immer neue repressive Gesetze im Keim erstickt.

Die russische Medienlandschaft wird auch weiterhin von der Regierung missbraucht, um politische Interessen im Land durchzusetzen und politische Gegner auszuschalten. Auch wenn der Glasnost-Prozess unter Gorbatschow eine pluralistische Meinungsvielfalt hervorgebracht hat, so ist doch die restriktive Informationspolitik Putins beängstigend und hat viele Rückschritte gebracht.
Die Ergebnisse sind offensichtlich: Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2000 sind 21 Journalisten in Russland vor allem aufgrund kremlkritischer Berichte ermordet worden. Auf der Rangliste zur weltweiten Situation der Pressefreiheit belegte das Land im Jahr 2006 anschaulich den erschreckenden 147. Platz von168 erfassten Länder.

Das Verschwinden von unabhängigen Medien, die für eine freie und unabhängige Berichterstattung stehen, sind für einen demokratischen Rechtsstaat, als der sich Russland gern darstellt, von größter Bedeutung. Aber die fast täglichen Angriffe auf Journalisten, die die Öffentlichkeit kritisch und unabhängig von jeglicher staatlicher Institution informieren möchten, sind auch Angriffe auf die Demokratie und auf das Recht der Bürger auf freie Informationen. Der Verfassung nach sind die russischen Massenmedien zwar frei, doch praktisch kämpfen sie noch täglich für ihre Meinungs- und Pressefreiheit. Selbstzensur ist in fast allen Medien zum Normalfall geworden.
Damit kann man sagen, dass Medien in Russland nicht als Forum für den Austausch von Meinungen dienen und die Öffentlichkeit so nicht mit einer informierten und analytischen Diskussion politischer Themen und der Regierungs- und Behördenarbeit versorgen. Russische Medien erfüllen somit nicht diejenigen Funktionen, die in einer Demokratie von ihnen verlangt werden.

Neben der Manipulation der Medien durch die Regierung kann aber auch mangelndes Bewusstsein sowohl in der Bevölkerung als auch bei vielen Journalisten und Vertretern der Rechtsprechung kritisiert werden. Nicht wenige in der Sowjetunion sozialisierte Journalisten und Richter sind es gewohnt, im Sinne der Regierung zu berichten bzw. Menschen, die gegen die Interessen des Staates handeln, zu verurteilen.

Putin äußerte sich im Juli 2006 in einem Interview mit dem ZDF noch mit den folgenden Worten: “Machen Sie sich keine Sorgen um die Entwicklung der Demokratie in Russland.“ Sein Land unterstütze die Entwicklung der Zivilgesellschaft „mit allen Mitteln“.

Die Autorin studiert Politikwissenschaft, Kommunikations-wissenschaft und Betriebswirtschaftslehre und absolvierte im letzten Jahr ein Auslandssemester in Russland.

Geschrieben von Ina Kubbe