Die etwas andere Art der Klimaforschung

Sanft erhebt er sich in die Lüfte, lässt den Wind in seinen Adern fließen, ist frei – beinahe. Wäre da nicht ein junger Mann, der ihn vom Boden aus lenkt, dem Drachen keine Chance gibt, ein vollkommenes Eigenleben zu führen.

Wäre da nicht ein junger Mann, der ihn vom Boden aus lenkt, dem Drachen keine Chance gibt, ein vollkommenes Eigenleben zu führen.

Das Projekt

Während überall auf der Welt plötzlich nur noch von Klimawandel geredet wird – Greenpeace dieses Jahr seinen Arbeitsschwerpunkt darauf setzt, selbst die Automesse in den USA „Energieeffizienz“ in den Mittelpunkt rückt und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den kommenden EU-Ratspräsidenten aus Portugal und Slowenien in dem gemeinsamen „Achtzehnmonatsprogramm des Rates“ Klimawandel als eines der wichtigsten Themen ansieht – wird an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald gehandelt.
Thomas Becker gehört zur Arbeitsgruppe „Ökosystemdynamik“ und stellt nur eines von vier Forschungsgebieten im Projekt „Eurasian Peatlands“ dar. Zur Bestimmung und Quantifizierung des Kohlenstoffkreislaufes borealer Torfmoor-Ökosysteme werden Gasemissionen gemessen, Baumringe gezählt und Konzentrationen von Wasserbestandteilen bestimmt.
Das Ziel dieses Projektes ist es, die Bilanz des Kohlenstoffkreislaufes eines borealen Torfmoors zu erstellen, um so die Rolle dieser Ökosysteme im globalen Klimawandel abschätzen zu können.

Fernerkundung

Nach Kirgistan hatte es Thomas Becker bereits während seines Studiums  geführt, um dort Kartierungen vorzunehmen. In seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich mit der Programmierung eines GIS-Moduls zur Abschätzung von Schadstoffkonzentrationen entlang von Straßen.
Die Ausschreibung passte „einfach wie die Faust aufs Auge“, sagt er heute, fast zwei Jahre danach. Thomas Becker entdeckte die Ausschreibung für diese Stelle in der Jobbörse der Universität zu Heidelberg. Gefragt wurde nach einem Bewerber, der Erfahrung im GIS/Fernerkundungsbereich hatte und zudem bereits bei Expeditionen dabei gewesen war. Inzwischen war er mit seinem Drachen schon in der Taklamakan (China) und in Finnland.

Gespannt

Es mag dem Beobachter wie das Hobby erwachsener Kinder erscheinen, wenn plötzlich bunte Objekte den Himmel erobern. „Tatsächlich ist die Arbeit mit dem Drachen mehr oder weniger das Gleiche wie das althergebrachte Drachenfliegen aus Kindertagen“, erzählt der Doktorand. „Der Unterschied liegt hauptsächlich in der Größe. Die Drachen müssen von einem halben bis hin zu mehreren Kilos Equipment heben und dafür gilt es, für die entsprechenden Windverhältnisse den geeigneten Drachen einzusetzen. Die Schnüre sind entsprechend der Leistungsfähigkeit dicker als bei einem Kinderdrachen, gleichen aber denen der heutigen Sportdrachen.“
Für die Luftbildaufnahmen werden handelsübliche Digitalkameras in einer Aufhängung am Drachen angebracht. Jene Aufhängung ist so konzipiert, dass sie Bewegungen des Drachens ausgleichen kann. So werden Erschütterungen vermieden und optimale Fotos per stetigem Selbstauslöser geschossen.
Bei Windstille können keine Drachen zum Einsatz kommen. In dem Falle bringt ein heliumgefüllter Zeppelin die Digitalkamera an ihren Arbeitsort.Die Störungen des gesamten Aufhängungssystems sind dann minimal.
„Wichtig für den Einsatz ist eigentlich nur, dass die Speicherkarte groß genug ist. Die Batterien sollten voll sein und schon kann es losgehen.“
Zurück in Greifswald werden die Bilder ausgewertet. Mit Fernerkundungssoftware können die Bilder georeferenziert und entzerrt,  zusammengefügt und anschließend klassifiziert werden. Die so ermittelten Flächengrößen bestimmter Teilgebiete dienen dann als Basis für die Berechnung der Gasflüsse im gesamten Untersuchungsgebiet.

Welche Rolle Baumringe, Wasser und Moore bei der gesamten Forschung spielen, wird in der nächsten Ausgabe näher erläutert.  Bis dahin lässt Thomas Becker seinen Drachen weiter steigen.           
Georeferenzierung: Einordnung von geografischen Phänomenen, die direkt oder indirekt mit der Erde verbunden sind, in ein Koordinatensystem, das die Zustände zu einem bestimmten Zeitpunkt wiedergibt.

GIS (Geo-Information Science):
Gewinnung und Verarbeitung von bodenbezogenen Daten von u.a. der Erdoberfläche und der Atmosphäre.

Geschrieben von Anke Harnisch