Der Verein polenmARkT kurz vor dem Jubiläum / Ein Eindruck

Seit den letzten Wahlen in Polen steht das deutsch-polnische Verhältnis immer wieder zur Diskussion. Erika Steinbach und ihr Vertriebenenzentrum, die Knollenkarikatur in der taz oder die Ostseepipeline riefen harsche Reaktionen hervor. Auf beiden Seiten der Grenze. Zwischenzeitlich lag die Schuld für die schlechten Beziehungen sogar bei den Journalisten. Erinnert sei dabei an Gesine Schwan, die sich über Thomas Urbans Berichterstattung äußerte. Fast vergessen wirken demgegenüber die Würdigung des Vorstorbenen Papst Johannes Paul II. und Stanislaw Lem.

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An aktuellen Fragestellungen konnte es dem diesjährigen polenmARkT kaum mangeln. Während des zehntägigen Festivals wirkte sogar das Bergwerkunglück bis nach Greifswald. Die aus dem polnischen  Kluczbork stammende Reggae-Band „Bakshish“ spielte aufgrund der landesweiten Staatstrauer kurzfristig nicht. „Wir möchten an dieser Stelle unser volles Verständnis für die Absage zum Ausdruck bringen“, äußert  der Presse-sprecher Ulrich Rose in einer anschließenden kurzen Mitteilung. „Auch wir trauern um die Toten und drücken den Hinterbliebenen unser Beileid aus.“

Beleuchtet

Große Aufmerk-samkeit erregte die Podiumsdiskussion „Vergangenheit, die nicht vergehen kann“ im Koeppenhaus. Die geladenen Journalisten Jacek Lepiarz, Andrzej Stach und Dietrich Schröder diskutierten anregend und hintergründig über aktuelle Fragen der bilateralen Beziehungen. Dabei begannen sie mit einen biographischen Einstieg, um im Laufe des Gesprächs auf die Aufmerksamkeit beispielsweise auf die Kaczynski-Brüder, Polens Auftritt auf der europäischen Politbühne oder Gerhard Schröders Freundschaft zu Putin zu lenken. Doch stellten sich weniger die Differenzen als die starken Gemeinsamkeiten der beiden Nachbarn allmählich heraus. Das Zusammenwachsen in Europa und der Austausch zwischen den beiden Nationen reduziert sich nicht allein auf den Besuch von Märkten in der Grenzregion. Die guten Beziehungen sind viel vitaler. Die mehrfache Auszeichnung von „Das Leben der Anderen“ mit dem Europäischen Fimpreis in Warschau zeigte, die Auseinandersetzung mit der jüngsten Geschichte ist auf beiden Seiten der Oder jeweils für sich noch nicht abgeschlossen. Dass die Frage darüber überhaupt öffentlich in Polen diskutiert wird, kam zwischen den drei Herren auf dem Podium zur Sprache.

Bestärkt

Auf die Ermöglichung der Diskussion können die Veranstalter des eingetragenen Vereins polenmARkTs stolz sein. Nicht allein dies. Seit mehreren Jahren stand das Greifswalder Novemberfestival wieder unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Republik Polen in Deutschland. Das setzt ein wichtiges Zeichen für die Anstrengung für einen  lebendigen und integrativen Austausch innerhalb der Grenzregion. Insgesamt ziehen die Organisatoren eine freudige Bilanz.  Anstatt von 1.100 geplanten Besuchern erlebten 1.260 die Kulturtage. Noch ein Grund zur Freude? Ja! Denn 2007 wird der polenmARkT zehn Jahre alt und wünscht sich 1.500 Geburtstagsgäste.

Zukunft in uns

Doch was bleibt bitte, wenn die Texte gelesen, die Worte gewechselt, die Filmrolle am  Ende angelangt und die Musik verklungen ist? Kein Schweigen, sondern etwas Wehmut und Hoffnung. Gewiss ziehen Lesungen mit Autoren eines Formats von Andrzej Stasiuk Aufmerksamkeit auf sich und setzten sich Konzerte wie die der verschmitzten Formation „Mitch & Mitch“ im Kopf fest. Zimtgeruch, süße Leckereien und hohe Regale mit alten, duftenden Büchern lassen fantastische Welten ganz anders, ganz einfach vor Augen führen. Oder nehmen wir einen stillen Saal, in dem  Bildchen an bisher unbekannten Regionen des cineastischen Nervenkostüms sachte rühren. Dann sind vielleicht die Bilder gefunden, die das Leben in und um uns bewußt werden lassen.

Geschrieben von Uwe Roßner