Studentischer Missionsdienst veranstaltete Vortragsabend

Ein Thema füllt seit einiger Zeit immer wieder die Feuilletonseiten einschlägiger Zeitungen. Gemeint ist Intelligent Design, die umstrittene Denkrichtung, welche die christliche Schöpfungsidee und Naturwissenschaft zu vereinen sucht. Der Hauptschauplatz des Geschehens war bisher die USA, aber mittlerweile kommt dem Thema auch hierzulande Brisanz zu. Greifswald inbegriffen? Ein vom Studentischen Missionsdienst (SMD) veranstalteter Vortragsabend deutet womöglich darauf hin.

Vorgeschichte

Christliche Fundamentalisten versuchen in den Vereinigten Staaten seit längerem, Einfluss zu gewinnen. Dabei haben sie durchaus Rückhalt in der Bevölkerung. Umfragen zufolge glaubt fast die Hälfte der US-Bürger an die Schöpfung des Menschen durch Gott. Viele Amerikaner wünschen sich demnach auch, dass entsprechendes in den Schulen zu lehren sei. Dafür kämpfen die Kreationisten schon seit den 80er Jahren. Ein Versuch, dieses Gedankengut an den Schulen im Unterricht unterzubringen, hatte beispielsweise im Dezember des vergangenen Jahres einen Gerichtsprozess zur Folge. In Pennsylania verbot ein Gericht einer Schule den Kurs „Philosophy of Design“ als Alternative zur Evolutionstheorie anzubieten. Dort wurde die Entstehung des Lebens durch göttliches Handeln gelehrt. Es war kein Einzelfall: In vielen anderen US-Bundesstaaten beschäftigten ähnliche Fälle die Behörden und nicht immer wurde gegen Kreationismus im Unterricht entschieden. In Kansas steht die Schöpfungslehre seit Ende 2005 fest im Lehrplan. In den Medien wird ebenfalls heiß diskutiert und Forscher und Kreationisten geraten mit ihren Meinungen allenthalben aneinander.

Intelligent Design

Der Supreme Court urteilte bereits 1987, dass wegen der verfassungsmäßigen Trennung von Kirche und Staat kreationistische Inhalte nicht unterrichtet werden dürfen. Wie konnte es dennoch zur gegenwärtigen Entwicklung kommen? Kritiker machen einen Strategiewechsel im kreationistischen Lager als Grund dafür aus. Im Gegensatz zur rein kreationistischen Strömung, welche die Darwinsche Evolutionstheorie konsequent ablehnt und davon ausgeht, dass die Erde erst wenige tausend Jahre alt und von Gott geschaffen ist, schlagen die Vertreter von Intelligent Design (ID) einen anderen Ton an. Sie vermeiden die dogmatischen Aussagen der Vergangenheit und argumentieren stattdessen unter Rückgriff auf wissenschaftliche Standpunkte. Eines der ID-Hauptargumente für die Unschlüssigkeit der Evolutionstheorie ist das der sogenannten nicht reduzierbaren Komplexität, aus welcher auf einen göttlichen Designer geschlossen werde könne. Erdacht wurde es von Michael Behe. Die naturalistische Wissenschaft kann ihn jedoch widerlegen (s. Kasten). Dennoch ist diese in der Auseinandersetzung mit ID in die Defensive geraten. Denn ID hat es durch besagten wissenschaftlichen Anstrich geschafft,  sich in der öffentlichen Wahrnehmung einen Platz zu sichern und erweckt damit den Eindruck, es gäbe einen tatsächlichen Streit um die Evolutionstheorie. Auch in Deutschland ist Intelligent Design mittlerweile ein Thema. Einige Bücher der führenden US-Vertreter sind bereits vor Jahren auf Deutsch erschienen und Gruppen von Evangelikalen drängen an die Öffentlichkeit. Ein Eklat blieb nicht aus: Als 2005 der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus zum „Erfurter Dialog“ einlud, auf dem Experten über die Evolutionstheorie diskutieren sollten, stand auch der Mikrobiologe Siegfried Scherer auf der Gästeliste. Scherer war jedoch bereits schon Jahre zuvor als Kreationist in die Kritik geraten. Nach Protesten von anderen Wissenschaftlern wurde die Einladung zurückgenommen.

ID in Greifswald?

Vielleicht hat das Thema Greifswald nun auch erreicht. Der hiesige SMD lud Mitte November zu einem Vortrag unter dem Motto „Der Mensch als Krönung des Zufalls?“ ein. Referent war der Hallenser Pharmazie-Professer Peter Imming. Dieser stellte sich den in großer Zahl erschienenen Zuhörern als Mitglied der „Studiengemeinschaft Wort und Wissen“ vor, eine Vereinigung von christlichen Wissenschaftlern. Es solle nicht etwa über Gott gesprochen werden, kündigte Imming an, wohl aber über problematische Aspekte der Theorie zur Erklärung der Entstehung des Lebens auf der Erde. Eloquent  führte der Phamazeut zur Erörterung dessen  in die Materie ein und  machte an einigen Beispielen deutlich, wo in der Theorie Probleme bestünden. Zwar habe die Forschung beispielsweise verstanden, was in der Ursuppe passiert sein muss, damit Leben entstehen konnte, aber wie es passieren konnte, sei weiterhin unklar. Die dazu im experimentellen Nachvollzug unterstellten notwendigen Bedingungen zur Herausbildung von Leben aus der Leblosigkeit seien laut Imming statistisch gesehen so unwahrscheinlich, dass auf eine intervenierende Instanz geschlossen werden könne, ja muss: Wie sonst wäre das Leben möglich geworden? Ein anderer Einwand Immings lautete, dass  die Entstehung von Erbinformationen zwar weitgehend geklärt sei, aber auch hier stelle sich die Frage nach dem Wie. Kann es ein Programm ohne Programmierer – etwa Gott – geben? Interessanterweise stellt Imming damit nicht wissenschaftliche Erkenntnisse an sich in Frage.  Nicht die weißen Flecken der Theorie sind es, in denen göttliches Walten ersichtlich würde, sondern gerade in den bereits geklärten Fragen. 

Glaubensfrage

Somit ist Imming nicht anzulasten, dass er unwissenschaftlich vorgeht, wenn er über die Prozesse in der Ur-Suppe spricht. So lautet jedenfalls das Resümee des beim Vortrag im Publikum gewesenen Greifswalder Professors für Mikrobiologie Frieder Schauer: „Imming hat in seinen Ausführungen der Naturwissenschaft Raum gegeben.“. Angesprochen auf etwaige fachliche Gegenargumente zu Immings Haltung, sagt der Greifswalder Mikrobiologe, dass man sich natürlich in Details darüber verlieren könne. Tatsächlich, fährt Schauer fort, seien einige Punkte Immings Argumentation bereits überholt und der Vortrag insofern nicht völlig schlüssig. Das spiele aber nur eine sekundäre Rolle, das eigentliche Problem liege tiefer: In der Wissenschaft werden ständig Fortschritte erzielt und neue Fragen aufgeworfen. Wenn jemand hinter diesen das Wirken einer höheren Instanz vermutet, sei dies eine Glaubensfrage; eine Entscheidung einer Einzelperson also, die letztlich zu respektieren ist, solange die Wissenschaft als solche nicht in Frage gestellt wird.

Fazit

Immings Vortrag stand auch unter dem Motto „Warum einem Naturwissenschaftler die Evolutionstheorie nicht ausreicht“. Erkenntnistheoretisch betrachtet, ist diese Frage aber offenbar irrelevant. Dennoch: Eine gewisse Tendenz des Vortrages war  zu spüren. Zum Beispiel wurde ausgangs der Veranstaltung auf weitergehende Literatur für Interessierte hingewiesen. Unter den ausgelegten Titeln fand sich auch ein Buch, von dem bereits erwähnten ID-Vertreter Michael Behe, das von der naturwissenschaftlichen Forschung scharf kritisiert wurde. Auch der Verweis auf die Website www.genesisnet.info mutet merkwürdig an. Denn dort auffindbare Inhalte sind eindeutig ID-lastig.  Ein fader Beigeschmack bleibt also.

Begriff: Nicht Reduzierbare Komplexität
Als Argument für die Existenz eines  Designers führte Michael Behe 1996 den Begriff der nicht reduzierbaren Komplexität ein. Ein komplexes System, das nach Entfernung eines seiner Elemente funktionslos wird, kann demnach kaum durch einen Evolutionsschritt enstanden sein, da die übrigen Elemente keinen Selektionsvorteil mehr aufwiesen. Die naturalistische Forschung widerlegt diesen Einwand: Auch redundante Elemente einer weniger ausdifferenzierten Entwicklungsstufe  können weitergegeben werden und durch Mutation erst zum besagten Funktionskomplex geworden sein.

Geschrieben von Robert Heinze