Verwirrung um den geplanten Universitätskindergarten

„Das Studium ist die beste Zeit, um Kinder zu bekommen“, riet die Finanzministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Sigrid Keler in ihrer Festrede den Studenten anlässlich der feierlichen Immatrikulation im Oktober 2003 im Greifswalder Dom. Wer dem Ratschlag der Ministerin folgte, steht freilich heute vor einem alten Problem: Wie lassen sich Studium und Kind am besten miteinander verbinden?

Viele Professoren sehen es nicht allzu gerne, wenn ihnen in der Vorlesung nicht nur Studenten, sondern auch deren Kinder gegenüber sitzen. Und in der Universitätsbibliothek gehört der studentische Nachwuchs zu den ungern gesehenen Gästen, auch wenn Rektor Rainer Westermann unlängst mitteilen ließ, dass es keinerlei Vorbehalte gegenüber Kindern gebe, solange sich diese im Erdgeschoss aufhielten. Einige Studenten, die die UB mit Kind aufgesucht hatten, waren angeblich vorher aufgefordert worden, diese zu verlassen.

Bündnis für die Kinder

Wohin also mit dem Nachwuchs, wenn das Studium ruft? Geht es nach einem Bündnis aus Studierendenschaft, Studentenwerk, Hochschule sowie Uniklinikum werden sich zukünftig die Mitarbeiter eines Unikindergartens um die Kleinen kümmern. „Bereits seit dem vergangenen Jahr planen wir eine solche Einrichtung“, berichtet Alexander Schulz-Klingauf, Sozialreferent des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Umfragen des Studentenwerks sowie des AStA hätten einen Bedarf von knapp 70 Kita-Plätzen ergeben, begründet er den Vorstoß. „Ich selbst gehe jedoch eher von einer Nachfrage von 80 bis 100 Plätzen aus“, so Schulz-Klingauf.
In welcher Form ein Kindergarten für Studenten und Uniangehörige entstehen soll, wurde hingegen in den vergangenen zwölf Monaten hitzig diskutiert. So wollten die vier Partner des Bündnisses zunächst eine Betreibergesellschaft gründen, konnten sich jedoch auf Grund der jeweiligen Statuten nicht auf die Gesellschaftsanteile der einzelnen Partner einigen. „Lange Zeit sollte die Studierendenschaft gar nicht beteiligt werden“, verrät Schulz-Klingauf. Auch die Lage der Kindertagesstätte blieb lange umstritten.

Neuer Partner?

Schließlich nahm die Geschichte eine unerwartete Wendung. „Am 11. September platzte die Bombe“, berichtet der Sozialreferent. An diesem Tag informierten Uniklinikum und Hansestadt, die als Betreiber der Hälfte aller Greifswalder Kitas mit am Tisch saß, die Projektgruppe darüber, dass sie einen privaten Träger für eine mögliche Uni-Kita gefunden hätten. Die „Independent Living – Kitas für MV e.V.“(IL) habe Interesse, in Greifswald Fuß zu fassen und eine Einrichtung nach den bereits gefassten Plänen zu betreiben.
„Niemand war vorher informiert worden“, zeigt sich Schulz-Klingauf noch heute verwundert. Nichtsdestotrotz bekam die IL die Gelegenheit, ihr Konzept am 19. Oktober der Projektgruppe unter Leitung des Kanzlers Thomas Behrens vorzustellen. „Die IL hat bei den Mitgliedern den Eindruck hinterlassen, als würden sie eine Kita gemäß den Interessen aller Beteiligten betreiben können“, meint dieser im Rückblick. Eine Einstellung, mit der der Kanzler inzwischen ziemlich alleine dasteht. „Das Engagement der IL bedeutet zwar ein geringeres Risiko für die Studierendenschaft“, meint der AStA-Sozialreferent, „doch viele Faktoren sind für mich noch unklar.“
So sei die Frage nach der Finanzierung der Mitarbeiter und der Ausstattung nicht zufriedenstellend beantwortet worden.

Veränderung der Kindergartenlandschaft

Das Konzept der IL, die bereits Kindergärten in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt betreibt, sieht Öffnungszeiten bis 21 Uhr vor, allerdings bei gleich bleibender Bezahlung der Mitarbeiter, die dann für denselben Lohn länger arbeiten müssten. „Ich weiß nicht, wie viele Mitarbeiter das mitmachen werden“, zeigt sich Schulz-Klinauf skeptisch.
„Die IL ist eine Möglichkeit“, gibt sich auch der Leiter des Jugendamtes, Dirk Scheer, gedämpft euphorisch. Er kennt den Träger bereits von früheren Bewerbungen für den Kita-Betrieb, weshalb er ihn auch im Falle des Uni-Kindergartens ins Spiel brachte. „Unser Hauptproblem besteht darin, dass die IL nicht nur diesen einen, sondern vier bis fünf Kindergärten übernehmen möchte.“
Damit käme das Gleichgewicht zwischen städtischen und privaten Kitas durcheinander. „Wir sind nicht abhängig von der IL“, so Scheer.

Studentenfreundliche Öffnungszeiten

Jugendamtsleiter Scheer könnte sich auch vorstellen, dass die Stadt unter Umständen selbst diese Kindertageseinrichtung mit verlängerten Öffnungszeiten von 6 bis 21 Uhr oder sogar bis 22 Uhr betreiben würde. Gespräche mit der Kita-Leitung und den Mitarbeitern seien diesbezüglich sehr positiv und erfolgversprechend verlaufen. „Auf jeden Fall wird der Kindergarten in der Makarenkostraße mit Öffnungszeiten bis 21 Uhr ins neue Schuljahr starten“, verkündet der Chef des Jugendamts die gute Nachricht für Studenten. Die „Kita A.S. Makarenko“, die sich direkt neben der „Kiste“ befindet, ist von der IL ausgewählt worden, da sie mit 180 Plätzen eine Kapazität bietet, die sich auch betriebswirtschaftlich rechnen würde. Ein interessantes Detail am Rande ist hier, dass diese Kita zwischen 1978 und 1991 bereits eine Art Uni-Kindergarten gewesen ist. Nicht nur die Studenten aus dem nahen Wohnheim brachten hier ihren Nachwuchs unter, sondern auch Mitarbeiter und Dozenten aus dem gesamten Stadtgebiet.

Kinder werden profitieren

Auf diese historische Tatsache verweist auch Peter Hingst, Pflegedirektor im nahen Klinikum. Gemeinsam mit Dirk Scheer hat er die „Independent Living“ ins Spiel gebracht. „Mir ist es lieber, wenn die IL einsteigt, als dass wir eine eigene Gesellschaft gründen.“ Eigene Erfahrungen mit Klinikumskindergärten im Rest der Republik hätten ihn vorsichtig werden lassen. „Leute, die keine Ahnung von Kitas haben, sollen besser keine aufmachen“, bringt Hingst seine Bedenken auf den Punkt.
Doch egal, wie der Poker um den Uni-Kindergarten entschieden wird: Studenten mit Kindern werden profitieren. So liegen die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung in Greifswald zwar bei 150 bis 290 Euro für die Kinderkrippe und bei 90 bis 150 Euro für einen Platz im Kindergarten, doch „Studierende können beim Jugendamt einen Antrag auf Übernahme der Elternbeiträge stellen“, wie Jana Kolbe von der Sozialberatung des Studentenwerks mitteilt. Und noch eine gute Nachricht hat sie für alle Studenten: „Eine Anhebung der Studierendenbeiträge ist durch die Einrichtung der Kita in keinem Fall vorgesehen.“

Junge Eltern, die Fragen oder Anregungen zur Kita haben, können sich unter soziales@asta-greifswald.de an den Sozialreferenten des AStA wenden.

Geschrieben von Kai Doering