Jeden Montag finden sich die Erstsemester der Bachelor-Studiengänge um 18:15 Uhr in der Kiste ein, um die Sinnlosigkeit des ?dritten Studiengangs?, dem ?General Studies? zu zelebrieren.

Es ist Montag, 18:15 Uhr. Ich sitze in der „Kiste“, dem Vorlesungssaal in der Makarenkostraße und lausche verwirrt dem General Studies-Vortrag meines Dozenten, Professor Stamm-Kuhlmann.

Warum sitze ich hier? Ich höre vereinzelte Wortfetzen und nehme in diesen Momenten Informationen auf. Der Vortrag besteht zu fünf Prozent aus der Rezitation selbst gefertigter Powerpoint-Folien und zu 95 Prozent aus Beispielen, die die Folien des Professors stützen.

Bis jetzt habe ich mir drei Stichpunkte notiert, davon der Dritte: „Die Folien der Vorlesung ab jetzt im Netz.“ Ich glaube nicht, dass noch weitere Stichpunkte folgen.

Die Vorlesung ist eine Tortur für alle Beteiligten. Der Blick auf die Uhr lässt Angstschweiß fließen. Der Professor doziert mit dem Enthusiasmus einer gebrannten Mandel über die Methoden seines Faches. Meine Anwesendheit hier scheint mit jeder Minute überflüssiger. Nicht nur bei diesem Professor.

Sind die Bachelor-Studiengänge so minderwertig, dass dieser dritte Pflichtstudiengang „General Studies“ eingeführt werden musste? Was bewegt die Universitätsleitung dazu, einen anerkannten Professor dafür zu bezahlen, solche Vorträge zu halten?

Inzwischen ist es 19:05 Uhr. Um mich herum erblicke ich schwatzende Kommilitonen, Studenten mit Handys am Ohr und alle paar Minuten ertönt irgendwo im Saal der Ton eines hoch- oder runterfahrenden Windows-Systems. Würde der Professor seine aktuellen Beschäftigung frei bestimmen können, wäre er vielleicht in seiner privaten Bibliothek. Vielleicht würde er gerade an einer nostalgischen Schreibmaschine, bei der die linke Großstelltaste klemmt und die man deshalb stärker drücken muss, eine Abhandlung über Brutus, Cäsars Mörder, schreiben. Rechts von mir lacht gerade eine Studentin laut über einen zugeflüsterten Scherz. Vielleicht würde sie, wenn sie nicht hier wäre, auf einer Party den Mann ihres Lebens kennen lernen.

Es gibt eine Zeit und einen Ort für alles. Für Menschen, die Krebs heilen, für Vorträge, die die Welt verändern und für Schreibmaschinen mit defekten Tasten. Dies ist die Zeit, in der 150 Studenten und ein Professor an einer Vorlesung teilnehmen, von denen alle nach Hause möchten.

Es ist nun 19:15 Uhr. Der Professor hält seine  Vorlesung für prinzipiell beendet. In der letzten halben Stunde will er nun Anmerkungen zu seinem Vortrag machen, die nicht klausurrelevant seien. Doch diese Aussage hat keinen spürbaren Effekt auf das Publikum. Noch lauter, unkonzentrierter und sinnloser kann diese Vorlesung nicht mehr werden.

Erneut stelle ich mir die Fragen, warum ich hier sitze und wer zum Teufel sich die „General Studies“ ausgedacht hat…

Geschrieben von Tobias Winkler