Studenten schreiben Reiseführer
Es begab sich zu einer Zeit, in der es keine professionellen Reiseführer über Greifswald gab, dass Christin Drühl und Robert Tremmel von diesem misslichen Umstand Kenntnis nahmen.
Sie waren Studenten an der Universität Greifswald, liebten die Stadt am Bodden sehr und wollten das Fehlen eines Reiseführers nicht länger hinnehmen. Zu viele Orte hier hielten sie für sehenswert, zu viele Lokale für besuchenswert und zu viele Panoramen für bewundernswert. Christin Drühl wollte diese ablichten, Robert Tremmel sie umschreiben. Und so kam es, dass Greifswald nach einem guten Jahr des Recherchierens, Interviewens, Fotografierens, Schreibens und Layoutens seinen ersten richtigen Reiseführer erhielt, seit 1973.
Das Werk an sich ist dabei sehr gelungen. Ein schönes Coverfoto mit der St. Marienkirche und dem Dom lockt den Reisenden ins Innere. Eine kurze, kompromisslose Einführung setzt ihm hier realistisch auseinander, welche lokalen Besonderheiten es gibt. Probleme wie Rechtsextremismus, Arbeitslosigkeit und große Plattenbauviertel bekommen ebenso genug Aufmerksamkeit wie angenehmere Aspekte: Koeppen, Plattdeutsch, Sanddorn. Anschließend findet man neben den üblichen Reiseführerseiten „Geschichtlicher Abriss“, „Sehenswürdigkeiten“ und „Gastronomie“ eine kleine, feine Palette, die diesen Reiseführer vom gewöhnlichen Reiseführer abhebt. Garniert sind die Texte mit wunderbaren Fotos Greifswalds. Man wünschte sich zwar bei vielen Motiven einen größeren Druck, damit sie besser zur Geltung kämen. Da das Format des Büchleins dies mit seinen 112 Seiten jedoch nicht zulässt, sieht man gerne darüber hinweg. Denn: Wo andere für sich in Anspruch nehmen, die Geheimsten aller Geheimtipps zu kennen, lächelt einem hier persönliche und bodenständige Ortskenntnis entgegen. In entspanntem Erzählton, man könnte sagen in studentischer Vertraulichkeit, breitet der Autor Greifswald behutsam vor einem aus. Er wird dabei aber nicht unsachlich.
Drei thematische Rundgänge durch die Stadt lassen den Leser beim Besuch typischer Orte Greifswalds einen historischen Zusammenhang erkennen. Bei diesen Stadtrundgängen sticht einer ganz besonders hervor: „Der rote Himmel: Backsteingotik in 180 Minuten“. Informativ und konsequent werden die Höhepunkte der Greifswalder Backsteinarchitektur vorgestellt, viele aus den reichen Zeiten der Hanse. Sogar unveröffentlichte wissenschaftliche Erkenntnisse flossen in diesen Teil mit ein. Wer sich für Architektur nicht so sehr begeistern kann, wird mindestens beim Rundgang „In 120 Minuten zu den malerischsten Sehenswürdigkeiten“ glücklich. Ganz nebenbei lernt der Reisende Greifswald dabei so kennen, wie es jemand sieht, der zumindest eine Zeit lang hier gelebt hat. Beim dritten und letzten Rundgang „Von Anatom bis Zypresse: Universitätsrundgang in 180 Minuten“ gibt es selbst für Langzeitstudenten vieles von ihrer Universität zu erkunden, von dessen Existenz sie bis dahin garantiert nichts gewusst haben.
Man muss nach der Lektüre des Reiseführers nicht lange überlegen, was ihm noch fehlt. Man weiß, dass es nicht viel sein kann. Die eine oder andere Ungenauigkeit oder das Fehlen des einen oder anderen kleinen Lokals werden mit der nächsten Auflage ausgebügelt. Selbst der Serviceteil glänzt durch annähernde Vollständigkeit und unterhaltsame Kurzbeschreibungen der Lokalitäten und Clubs. Was wünscht man sich also mehr von einem Reiseführer? Gar nichts!
Der „Reiseführer Universitäts- und Hansestadt Greifswald“ ist beim Hinstorff-Verlag erschienen und kostet 7,90 Euro.
Geschrieben von Stephan Kosa