„Bland oss – Unter uns“ gibt der schwedisch-deutschen Geschichte ein Gesicht
„Welche Rolle spielt Pommern im heutigen schwedischen Bewusstsein?“ – Dies war eine der Fragen, die am 1. Oktober in einer Podiumsdiskussion im Pommerschen Landesmuseum an die Runde aus Sprach- und Kulturwissenschaftlern, Botschaftsangehörigen und Historikern gestellt wurde.
Die nüchterne Antwort des schwedischen Germanisten Prof. Helmut Müssener lautete: „Eigentlich keine.“ Zwar hätte man den George-W.-Bush-Besuch in Stralsund wahrgenommen und auch der Wahlerfolg der NPD in MV löste einige Diskussionen aus, aber das mit diesem Landstrich „jenseits der Ostsee“ einst eine enge historische Verbindung bestand, kommt kaum einem in den Sinn. Und so würde auch der hierzulande so beliebte Begriff der „Südschweden“ dort nur zu Irritationen mit der Landschaft Schonen führen, die sich historisch wiederum mit Dänemark verbunden fühlt.
Doch woher kommt dann umgekehrt im heutigen Vorpommern das Bewusstsein, das nach der Wende kurzzeitig zu dem Bestreben führte, anstatt zur Bundesrepublik lieber zu Schweden gehören zu wollen – auch wenn es de facto nur ironisch gemeint war? Was bewegte Caspar David Friedrich, in seinem Spätwerk „Die Lebensstufen“ (um 1835) den beiden Kindern in der kompositorischen Mitte des Bildes ein blau-gelbes Fähnchen in die Hände zu geben?
Es ist die bis heute präsente Vorstellung von der „guten alten Schwedenzeit“ – einer Zeit, die in ihrer Gegenwart eigentlich nicht als solche existiert hat was ja generell ein Problem der „historischen Nachbetrachtung“ ist, wobei hier das aktuellere Exempel der „Ostalgie“ zu nennen wäre. Dies unterstrich auch der Historiker Prof. Herbert J. Langer, denn der erste intensivere Kontakt, der sich zwischen Schweden und Pommern durch die Landung Gustavs II. Adolf in Peenemünde 1630 und infolge des Westfälischen Friedens 1648 ergab, war der einer Invasions- und Besatzungsmacht. Das Bild des „Schweden“ wurde also durch die Soldaten geprägt, die häufig gar keine Schweden waren, sondern als Söldner „international“ zusammengekauft wurden.
Pommern wurde bis ins 18. Jahrhundert hinein zum Aufmarschgebiet für die schwedischen Expansionspläne, die häufig jedoch nur dazu führten, dass der Krieg ins Land geholt wurde. Nach dem Ende der schwedischen Großmachtzeit 1720 wurden die vorpommerschen Besitzungen auf den Bereich nordwestlich des Peenestroms reduziert.
Dieses Gebiet war auch weiterhin verpflichtet, Abgaben an die schwedische Krone zu leisten. Erst mit Beginn des 19. Jahrhundert wurden einige Reformen durchgeführt, die unter anderem Ernst Moritz Arndt animierten, ein äußerst positives Bild dieses nordischen Königreichs zu zeichnen. Doch war dieses in gewisser Weise nur ein „Schwanengesang“, denn durch die häufig wechselnden Machtverhältnisse im Zuge der napoleonischen Kriege kam auch das nördliche Vorpommern nach dem Wiener Kongress 1815 an Preußen. Die territoriale Beziehung zu Schweden war nun Geschichte.
Im 20. Jahrhundert sollte Schweden aufgrund eines anderen Phänomens weit über Pommern hinaus in den Fokus kommen. Die sozialpolitischen Umbrüche im Zuge des 1. Weltkrieges und der russischen Oktoberrevolution stürzten das Land im Gegensatz zu anderen Nationen nicht in eine Krise, sondern formten das Bild eines Gesellschaftssystems, das bis in unsere Tage Präsenz zeigt: der Wohlfahrtsstaat. Die soziale Absicherung aller Bürger war auch ein Diskussionspunkt, der die Beziehungen zur DDR prägte, wobei beide Seiten mit einem, vielleicht etwas verblümten Blick auf die jeweiligen Vorteile schauten. So hatte man auf der einen Seite beispielsweise das schwedische Schulsystem teilweise an dem des sozialistischen Staates orientiert, während man auf der anderen Seite der Ostsee im Saßnitzer Fährhafen allerlei überhöhten Träumen nachsah, die täglich hinter der Stubbenkammer am Horizont verschwanden.
Dass diese heile Welt des „Volksheims“ im globalisierten Zeitalter nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, bietet (paradoxerweise) für unsere „strukturschwache Region“ neue Chancen. So hat sich beispielsweise das Greifswalder „Schwedenkontor“ auf die Vermittlung von Arbeitsplätzen ins skandinavische Nachbarland spezialisiert.
Um den Kontakt auch auf kultureller Ebene weiter voranzutreiben, wurde im Jahr 2000 das Projekt „Schwedenstraße“ ins Leben gerufen, durch das auch die aktuelle Ausstellung „Bland oss – Unter uns“ Unterstützung fand, die noch bis zum 31. Oktober im Pommerschen Landesmuseum zu sehen ist.
Der Charakter dieser Ausstellung ähnelt mehr einer Rauminstallation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Jahrhunderten schwedisch-deutscher Geschichte konkrete Persönlichkeiten zuzuordnen, dem Abstraktum der Historie also ein „Gesicht“ zu geben. So ist hier der spätmittelalterliche skandinavische Unionskönig Erich von Pommern ebenso zugegen wie der schwedische Generalgouverneur Carl Gustav Wrangel. Als farblicher Akzent wurde – aus aktuellem Anlass – Heinrich Rubenow hervorgehoben.
Den fast lebensgroßen Abbildungen wurde bewusst kein Name beigefügt, um sie möglichst unvoreingenommen als ein „Gegenüber“ zu betrachten.
Mitten unter ihnen steht ein großer Spiegel. In ihm sollen wir erkennen, dass auch wir Teil dieser Geschichte sind und in der alten pommerschen Universitäts- und Hansestadt die schwedische Königin ebenso willkommen heißen wie den deutschen Bundespräsidenten.
Geschrieben von Arvid Hansmann