Greifswalder Projekt ermöglicht elektronische Recherche in Standardwerk zur Altnordistik
Pünktlich zu Semesterbeginn schaltet die Universitätsbibliothek auf ihrer Internetseite ein Grundlagenwerk zur Nordischen Philologie frei: Ab dem 16. Oktober kann das ‚Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur‘ von Walter Baetke kostenfrei heruntergeladen werden.
„Das hätte sich Herr Baetke sicher nicht träumen lassen“, sagt Prof. Hans Fix-Bonner mit einem Blick auf seinen Laptop, „dass wir heute so in seinem Buch recherchieren. Mit einem Klick auf die Seitenzahl kann man das gesuchte Wort sofort finden und sich anzeigen lassen.“
Korrigiert und erweitert
Fast zwei Jahre lang haben Fix-Bonner und seine Mitarbeiter am Lehrstuhl für Nordische Philologie des Mittelalters und Historische Sprachwissenschaft an der digitalen Ausgabe des altnordischen Wörterbuchs gearbeitet. Das Ergebnis ist nicht nur ein komplettes Faksimile des von 1965 bis 1968 in Berlin erschienenen Werkes, sondern vor allem ein fast 300 Seiten starker Index. Hier befindet sich neben einem Verzeichnis zu korrigierender Fehler und einer Reihe von Literaturhinweisen die interaktive Komponente des Wörterbuchs: ein vollständiges Stichwortverzeichnis mit 23.521 Einträgen, das beim Anklicken auf die Seitenzahl zur entsprechenden Stelle im gedrucken Werk wechselt und das gesuchte Wort anzeigt.
Der Clou: Während Baetke seine Einträge streng semantisch ordnete und flektierte Wörter so unter der jeweiligen Grundform erscheinen mussten (im Altisländischen ergeben sich dadurch häufig starke Verschiebungen im Alphabet), sind hier alle Stichworte alphabetisch sortiert. So können besonders Sprachlerner und Interessierte ohne umfangreiche Grammatikkenntnisse leichter die gesuchten Wörter auffinden.
Den neuen Erscheinungsort seines überarbeiteten Wörterbuchs kannte Baetke gut: Von 1930-1935 war er Mitglied des Akademischen Prüfungsamtes und 1933-1934 Lehrbeauftragter für Germanische Religionsgeschichte an der Uni Greifswald, bevor er nach Leipzig wechselte und dort an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften ab 1952 am ‚Wörterbuch zur altisländischen Prosaliteratur’ arbeitete. Aus Leipzig kam daher auch die Genehmigung für die Internetpublikation auf der Seite der Universitätsbibliothek.
Das digitale Wörterbuch ist nur eines von mehreren linguistischen Projekten, die mit denen sich die Altnordisten aktuell befassen. Im Gesamtprojekt zur altisländischen Morphologie, für das das Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg Software und Arbeitsplätze zur Verfügung stellte, entstehen bis Anfang 2007 ein altnordisches morphologisches Wörterbuch, in dem die Kompositionselemente eines Wortes aufgeschlüsselt werden sowie ein rückläufiges altnordisches Wörterbuch, das alle Wörter von der Endung her auflistet. In das morphologische Wörterbuch mit 300.000 Lemmata (Schlagwörtern) fließt auch der Wortschatz des Wörterbuchs von Walter Baetke ein.
Weltweit erreichbar
Für seine Studenten, aber auch für die mit Deutschkenntnissen anderer Skandinavistischer Institute im In- und Ausland bedeutet die Digitalisierung nicht nur eine enorme Erleichterung beim Nachschlagen der altisländischen Wortformen, sondern, so hofft Fix-Bonner, auch eine Steigerung der Attraktivität des Fachs. „Ich denk, dass auch aus anderen Ländern bald Zugriffe auf die Seite erfolgen werden“, fügt er hinzu, „denn zur Zeit ist das Buch in Deutschland nur für beträchtliches Geld erhältlich. Nach unserer Onlinepublikation hingegen steht das Nachschlagewerk allen Interessierten uneingeschränkt zur Verfügung.“
Geschrieben von Marlene Sülberg