Auswahlverfahren für das Medizinstudium in Greifswald

Die Zentrale Stelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) im nordrhein-westfälischen Dortmund wurde totgesagt. Sie hätte ausgedient. Dies ist nicht der Fall. Natürlich besitzt die Institution ein Interesse am Selbsterhalt. Allerdings war sie für Universitäten stets ein Dienstleister. In der Sonnenstraße 171 laufen alle Bewerbungen auf Studienplätze an bundesdeutschen Universitäten in den Fächern Biologie, Tier-, Human und Zahnmedizin, Pharmazie und Psychologie zusammen. In diesen Fächern gibt es mehr Studienwillige, als zur Verfügung stehende Plätze. Noch vor Jahren vergab die ZVS die Studienplätze in zulassungsbeschränkten Fächern nur nach dem Abiturnotendurchschnitt und der Anzahl an Wartesemestern.

Eine Mitsprache der Hochschulen bei der Auswahl ihrer Studenten war nicht möglich.
In der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 7. April 2006 wurde den Hochschulen die Möglichkeit der eigenen Auswahl von Studierenden in den Numerus clausus-Fächern gegeben. Auf den gleichlautenden Staatsvertrag von 1999 und den darauf folgenden Gesetzen aus den Jahren 2000 und 2005 wurde Bezug genommen. Insgesamt können die jeweiligen Fakultäten und Institute bis zu 60 Prozent ihrer Studienplätze durch eigene Auswahlverfahren vergeben. Bis vor einem Jahr waren es nur 24 Prozent. (siehe moritz 44)

Begehrt

Im Fach Humanmedizin nahmen zum Wintersemester 2006/07 die Hälfte der 34 Medizinischen Fakultäten in Deutschland die Auswahl eines Teils ihrer Studienplätze für angehende Ärzte selbst vor. In Greifswald wird dieses Mitspracherecht ebenfalls wahrgenommen. „Jedesmal, wenn der Gesetzgeber uns die Möglichkeit gab, nutzten wir diese“, sagt Petra Meinhardt vom Studiendekanat der Medizinschen Fakultät.
So auch in diesem Semester. Insgesamt stehen an der Greifswalder Universität 193 Studienplätze zur Verfügung. Für Sanitätsoffiziere der Bundeswehr, ausländische Staatsangehörige, Bewerber mit besonderer Hochschulzugangsberechtigung, Härtefälle und Studenten eines Zweitstudiums muss die Universität Studienkapazitäten frei halten. Die restlichen Plätze werden zu 20 Prozent nach der Abiturbestennote und weiteren 20 Prozent nach der Anzahl an Wartesemester von der ZVS vergeben. Für die Auswahl der restlichen 60 Prozent ist die Universität am Ryck selbstverantwortlich.
„In diesem Semester konnten wir 100 Studienplätze über unsere internen Auswahlkriterien vergeben“, so Meinhardt. Erste Hürde ist eine nicht schlechtere Abiturnote als 2,5 und die Angabe der Ortspräferenz Greifswald an erster oder zweiter Stelle bei der Bewerbung über die ZVS. Insgesamt 4.804 Bewerber gaben bei dieser die Ernst-Moritz-Arndt-Universität als eine der beiden ersten Wunschstudienorte an. Danach wurden Punkte für die Belegung der Leistungskurse – naturwissenschaftliche Fächer bekommen eine höhere Bewertung – in der Oberstufe, berufspraktische Erfahrungen und Praktika vergeben. Nach diesen Kriterien wurde eine Rangliste gebildet und 60 Prozent der rund 100 Plätze vergeben. Über Auswahlgespräche vergab die Universität die restlichen freien Studienplätze. Fünf Auswahlkommissionen mit jeweils zwei Professoren – einem aus dem vorklinischen, der andere aus dem klinischen Bereich – der Medizinischen Fakultät führten die insgesamt 121 Gespräche. Diese dauerten mindestens 20 Minuten. Auf diese Gespräche konnten sich die Bewerber vorbereiten: Sie mussten einen handschriftlichen Lebenslauf verfassen und die Ge-sprächsthemen waren bekannt. Kreativität, Fähigkeit zur Kommunikation und Belastbarkeit spielten eine Rolle. Natürlich auch die Motivation zum Medizinstudium. „Ich möchte den Menschen helfen“ wollten die Kommissionen aber nicht hören – mit dieser Erwartung muss schließlich jeder Mediziner leben.
Die beiden Professoren verteilten Punkte für die einzelnen Bereiche und somit eine Empfehlung über die Zulassung zum Medizinstudium an der Universität Greifswald. „Wir waren mit den Auswahlgesprächen zufrieden“, meint Meinhardt weiter. „Für die Zukunft kann ich mir schon vorstellen, dass wir alle Studienplätze selbst vergeben.“ Der bürokratische Aufwand wird in Kauf genommen.

Der freie Wille

Dass die Universität Greifswald eine sehr gute Medizinische Fakultät besitzt, zeigt das große Interesse an den hiesigen Studienplätzen. Dies war aber nicht immer so. Viele Studienwillige kamen unfreiwillig in die Hansestadt, da „die ZVS mich nach Greifswald verbannt hat“. Die Folge waren schnelle Ortswechsel während der ersten Semester. Diese Abwanderungsbewegungen haben sich aber gelegt. Die Qualität der Lehre verbesserte sich, die Medizinstudenten sammeln ab ihrem 1.  Semester praktische Erfahrungen im Universitätsklinikum. „Comunity Medicine“ ist das Schlagwort. Außerdem ist das Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden gut. Das nicht alles Gold ist, was glänzt, zeigen dagegen die negativen Bewertungen einzelner Seminare und Blockpraktika durch die Medizinstudenten. Auch wird die Betreuung von Doktoranden nicht in allen Instituten ebenbürtig gehandthabt. „Wir beobachten aber die Ergebnisse der Evaluation um gegebenenfalls kurzfristig Einfluß zu nehmen“, meint Meinhardt. Die Qualität der medizinischen Ausbildung  in Greifswald darf sich schließlich nicht verschlechern. Ansonsten war das sehr hohe Interesse am hießigen  Studienort in diesem Jahr eine Eintagsfliege und die ZVS wirkt wieder verbannend.

Geschrieben von Björn Buß