Im Jubiläumsjahr beleuchten auch Universitätsarchiv und Kustodie eine Epoche in der Geschichte der Greifswalder Alma Mater. ‚Greifswalder Köpfe’ versammelt erstmals die universitären Gelehrtenportraits aus dem 16. bis 18. Jahrhundert und stellt neben einem Katalog der Kunstgeschichte auch eine Sozialgeschichte der damaligen Landesuniversität vor.
Die Universitätssammlung umfasst insgesamt 79 Ölgemälde überwiegend aus dem 17. Jahrhundert, auf denen Professoren der Universität dargestellt sind. Neben Universitätsgründer Heinrich Rubenow sind weitere Rektoren wie Petrus Bestenboestel und Barthold Krakewitz, aber auch Professoren der Medizin und Theologie abgebildet. Diese Sammlung ist nicht zentral zu besichtigen, sondern hängt in verschiedenen Instituten und Dekanaten. „Wir wollten dieses Erbteil der Universität, das nur sehr wenigen Menschen komplett bekannt ist, zusammentragen und zugänglich machen,“ sagt Dr. Dirk Alvermann, Leiter des Universitätsarchivs. Dazu wurden nicht nur vom Stettiner Fotografen Grzegorsz Solecki hochwertige Fotografien der Portraits angefertigt, sondern auch, soweit möglich, Lebensdaten und Biografie der jeweils dargestellten Person recherchiert. Die entstandenen Lebensläufe zeigen einen faszinierenden Einblick in die Sozial- und Bildungsverhältnisse der Frühen Neuzeit. So waren soziale Herkunft, der Besuch eines renommierten Gymnasiums wie Stralsund oder Stettin und die Wahl des Studienortes entscheidende Kriterien, um einmal Professor an der ‚Familienuniversität’ Greifswald werden zu können. Wissen wurde nicht stationär vermittelt, sondern über mitunter jahrelange Bildungsreisen durch Europa angeeignet.
Schillernd und abenteuerlich sind die Ereignisse, die die beiden Herausgeber verarbeitet haben: Greifswalder Gelehrte erkunden Heilquellen in Barth, erstellen Horoskope für den Kriegsgegner Wallensteins und erleben die schwedische Niederlage in Poltawa. Auch die Tätigkeiten eines Professors werden beschrieben. So wird etwa zu Konrad Tiberius Rango bemerkt, er habe als Hochschullehrer ‚selten disputiert und niemals Vorlesungen gehalten’.
Als besondere Zugabe haben die Verfasser jedes Portrait mit der eigenhändigen Unterschrift der jeweiligen Person versehen. „Das war manchmal kriminalistische Spürarbeit“, ergänzt Alvermann, „denn es ist gar nicht so einfach, von einer Person, die vor 400 Jahren verstorben ist, eine eigene Unterschrift zu finden.“ Für die Lebensgeschichten der Greifswalder Professoren gab es hingegen eine zuverlässige Quelle: Die meisten stammen aus Trauergedichten und Leichenpredigten.
Alvermann, Dirk; Dahlenburg, Birgit: Greifswalder Köpfe. Gelehrtenportraits und Lebensbilder des 16. bis 18. Jahrhunderts aus der pommerschen Landesuniversität. Hinstorff, 2005.
Geschrieben von Marlene Sülberg