„Schriftstellerjubiläen sind ja eigentlich immer ein Anlass, daran zu erinnern, warum ein Autor immer noch aktuell ist“, sagt Prof. Walter Erhart, Leiter des Greifswalder Koeppen-Archivs, „zu Wolfgang Koeppen müssen wir allerdings anmerken, dass es dafür fast noch zu früh ist. Sein genauer Platz in der Literaturgeschichte ist noch nicht endgültig geklärt.“
Im Jubiläumsjahr des Greifswalder Schriftstellers (der Romanautor wäre am 23. Juni 100 Jahre alt geworden) und 3 Jahre nach Einrichtung des Wolfgang-Koeppen-Archivs hat der Suhrkamp Verlag mit ‚Ich bitte um ein Wort’ den Briefwechsel zwischen Koeppen und seinem Verleger Siegfried Unseld veröffentlicht. Die entscheidende Frage nach Koeppens viertem Roman blieb dabei am Ende ungeklärt, ein Fazit, das noch am Ende vieler Detailfragen rund um den Nachlass Koeppens steht. Stattdessen entstand bei der Aufarbeitung der Dokumente ein unmittelbarer Einblick in die Arbeitsweise des Schriftstellers. Koeppen schrieb viel, aber selten strukturiert oder mit einem klaren Ziel. Ungeordnete Notizzettel und Projektskizzen zeigen, wie der Schriftsteller immer wieder versuchte, eine Figur zu schaffen und Texte zu konstruieren. „Das interessanteste ist, dass man anhand dieser kleinen Fragmente nachvollziehen kann, wie Koeppen an einem Text gearbeitet hat, erklärt Anja Ebner, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Archivs. „Diese kleinen Notizen sind die Grundlage seines Lebens und Schreibens, so dass eines dieser Fragmente einen ganzen Text entschlüsseln kann“, ergänzt die Literatur-wissenschaftlerin.
Koeppen war sich der Problematik dieser Arbeitsweise durchaus bewusst, nachzulesen in einigen seiner Texte über die Schwierigkeiten des Schreibens. Das zeigen auch seine essayistischen Schriftstellerportraits, die er vor allem Autoren widmete, die in ihrer Zeit nur wenig Anerkennung und Beachtung fanden. Gesammelte Rezensionen und Anmerkungen zeigen, dass Koeppen genau wusste, was im literarischen Leben vor sich ging, sich aber mit Äußerungen zurückhielt. „Koeppen war ein Außenseiter,“ resümiert Erhard, „er hatte kaum freundschaftliche Kontakte zu anderen Autoren und hat sich meistens ausgegrenzt. Außerdem gilt er heute als ein typischer Nachkriegsautor der 50er Jahre. Was die Forschung angeht, wissen wir noch zu wenig von ihm, besonders über die kleinen Erzählungen, um sein komplettes Werk eindeutig bewerten zu können.“
Geschrieben von Marlene Sülberg